in der Ebene Kobila befand, daß die Deutschen die Brücke ganz hatten stehen lassen (ob dieses mit Fleiß oder aus Eilfertigkeit geschehen sey, lässet sich nicht mit Gewißheit sagen): so wendete er sich mit seinem Heere gegen die Donau zu, und machte Halte an dem untern Theile des Eylandes, das der Ister, Peter- waradin gegen über, machet. Hier wurde zum drittenmale Kriegsrath gehal- ten, und darinnen beschlossen, unverzüglich eine Brücke über die Donau zu schlagen und Peterwaradin zu belagern; welches in zweenen Tagen würde geschehen seyn, und ehe die Kaiserlichen von Schegedin aus dahin gelangen könnten.
Leichte Schar- mützel bey dem Baue einerBrücke.
36.
Die Einwohner dieser Stadt hatten zwar eine noch ganze Brücke am untern Theile des Eylandes; die aber so stark besetzet war, daß die Türken sich derselben nicht nähern durften, viel weniger aber ohne großen Verlust darü- ber gehen konnten. Aus dieser Ursache fassen sie den standhaften Entschluß, eine neue Brücke zu bauen; und würden auch dieselbe schon am andern Tage zu Stande gebracht haben, wenn nicht einige von der Besatzung aus Peterwa- radin, die nebst vier Stücken in diesem Eylande verstecket lagen, ihrem Vorha- ben eine unvermuthete Hinderniß in den Weg geleget hätten. Denn als diese sehen, daß die Türken dem Ufer nahe kommen: so feuren sie ihre Stücke auf dieselben los, und durchboren damit verschiedene Böte, darauf die Brücke gebauet war. Ungeachtet sie nun auf Herbeykunft der türkischen Flote genöthiget wur- den, das Eyland zu verlassen: so verhinderten sie doch dadurch die Türken, daß sie ihren Brückenbau nicht eher, als am dritten Tage, vollenden konnten; [Spaltenumbruch]
16 Schahbaß Gjiraj] Er wurde nach der Zeit, als sein Vater Selim Gjiraj gestor- ben war, unter Aehmed dem III, Sultane der Türken, zu der Würde des Chans beför- dert. Es geschahe aber kurz hierauf, da er Zurüstungen machte und die Tscherkassier be- kriegen wollte, daß er von denselben aus einem Hinterhalte überfallen und erschlagen wurde. Ich habe diese Sache schon im ersten Theile* erzählet.
17 der Tatarn] Es wird nicht undien- lich seyn, eine merkwürdige Probe der Ge- schicklichkeit und Behendigkeit hiebey anzufüh- [Spaltenumbruch] ren, die die Tatarn damals abgeleget haben. Beyderseitige Kriegesheere stunden bey Peter- waradin gegen einander über, und keines von beyden konnte von der Anzahl des andern Nachricht erlangen; und es war ihnen auch nicht möglich gewesen, von der andern Seite einen Gefangenen zu bekommen. In dieser Verlegenheit schreibet der Sultan Mustäfa einen höflichen Brief an Schahbaß Gjiraj, und ersuchet ihn, von den Deutschen auf eine oder die andere Weise Gefangene zu ver- schaffen, und sollte es auch nur ein einziger Mann seyn; damit er aus ihm von dem Zustande des feindlichen Heeres Nachricht
und
* 188 S.
Osmaniſche Geſchichte
in der Ebene Kobila befand, daß die Deutſchen die Bruͤcke ganz hatten ſtehen laſſen (ob dieſes mit Fleiß oder aus Eilfertigkeit geſchehen ſey, laͤſſet ſich nicht mit Gewißheit ſagen): ſo wendete er ſich mit ſeinem Heere gegen die Donau zu, und machte Halte an dem untern Theile des Eylandes, das der Iſter, Peter- waradin gegen uͤber, machet. Hier wurde zum drittenmale Kriegsrath gehal- ten, und darinnen beſchloſſen, unverzuͤglich eine Bruͤcke uͤber die Donau zu ſchlagen und Peterwaradin zu belagern; welches in zweenen Tagen wuͤrde geſchehen ſeyn, und ehe die Kaiſerlichen von Schegedin aus dahin gelangen koͤnnten.
Leichte Schar- muͤtzel bey dem Baue einerBruͤcke.
36.
Die Einwohner dieſer Stadt hatten zwar eine noch ganze Bruͤcke am untern Theile des Eylandes; die aber ſo ſtark beſetzet war, daß die Tuͤrken ſich derſelben nicht naͤhern durften, viel weniger aber ohne großen Verluſt daruͤ- ber gehen konnten. Aus dieſer Urſache faſſen ſie den ſtandhaften Entſchluß, eine neue Bruͤcke zu bauen; und wuͤrden auch dieſelbe ſchon am andern Tage zu Stande gebracht haben, wenn nicht einige von der Beſatzung aus Peterwa- radin, die nebſt vier Stuͤcken in dieſem Eylande verſtecket lagen, ihrem Vorha- ben eine unvermuthete Hinderniß in den Weg geleget haͤtten. Denn als dieſe ſehen, daß die Tuͤrken dem Ufer nahe kommen: ſo feuren ſie ihre Stuͤcke auf dieſelben los, und durchboren damit verſchiedene Boͤte, darauf die Bruͤcke gebauet war. Ungeachtet ſie nun auf Herbeykunft der tuͤrkiſchen Flote genoͤthiget wur- den, das Eyland zu verlaſſen: ſo verhinderten ſie doch dadurch die Tuͤrken, daß ſie ihren Bruͤckenbau nicht eher, als am dritten Tage, vollenden konnten; [Spaltenumbruch]
16 Schahbaß Gjiraj] Er wurde nach der Zeit, als ſein Vater Selim Gjiraj geſtor- ben war, unter Aehmed dem III‚ Sultane der Tuͤrken, zu der Wuͤrde des Chans befoͤr- dert. Es geſchahe aber kurz hierauf, da er Zuruͤſtungen machte und die Tſcherkaſſier be- kriegen wollte, daß er von denſelben aus einem Hinterhalte uͤberfallen und erſchlagen wurde. Ich habe dieſe Sache ſchon im erſten Theile* erzaͤhlet.
17 der Tatarn] Es wird nicht undien- lich ſeyn, eine merkwuͤrdige Probe der Ge- ſchicklichkeit und Behendigkeit hiebey anzufuͤh- [Spaltenumbruch] ren, die die Tatarn damals abgeleget haben. Beyderſeitige Kriegesheere ſtunden bey Peter- waradin gegen einander uͤber, und keines von beyden konnte von der Anzahl des andern Nachricht erlangen; und es war ihnen auch nicht moͤglich geweſen, von der andern Seite einen Gefangenen zu bekommen. In dieſer Verlegenheit ſchreibet der Sultan Muſtaͤfa einen hoͤflichen Brief an Schahbaß Gjiraj, und erſuchet ihn, von den Deutſchen auf eine oder die andere Weiſe Gefangene zu ver- ſchaffen, und ſollte es auch nur ein einziger Mann ſeyn; damit er aus ihm von dem Zuſtande des feindlichen Heeres Nachricht
und
* 188 S.
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Osmaniſche Geſchichte
in der Ebene Kobila befand, daß die Deutſchen die Bruͤcke ganz hatten ſtehen
laſſen (ob dieſes mit Fleiß oder aus Eilfertigkeit geſchehen ſey, laͤſſet ſich nicht
mit Gewißheit ſagen): ſo wendete er ſich mit ſeinem Heere gegen die Donau zu,
und machte Halte an dem untern Theile des Eylandes, das der Iſter, Peter-
waradin gegen uͤber, machet. Hier wurde zum drittenmale Kriegsrath gehal-
ten, und darinnen beſchloſſen, unverzuͤglich eine Bruͤcke uͤber die Donau
zu ſchlagen und Peterwaradin zu belagern; welches in zweenen Tagen wuͤrde
geſchehen ſeyn, und ehe die Kaiſerlichen von Schegedin aus dahin gelangen
koͤnnten.
36. Die Einwohner dieſer Stadt hatten zwar eine noch ganze Bruͤcke
am untern Theile des Eylandes; die aber ſo ſtark beſetzet war, daß die Tuͤrken
ſich derſelben nicht naͤhern durften, viel weniger aber ohne großen Verluſt daruͤ-
ber gehen konnten. Aus dieſer Urſache faſſen ſie den ſtandhaften Entſchluß,
eine neue Bruͤcke zu bauen; und wuͤrden auch dieſelbe ſchon am andern Tage
zu Stande gebracht haben, wenn nicht einige von der Beſatzung aus Peterwa-
radin, die nebſt vier Stuͤcken in dieſem Eylande verſtecket lagen, ihrem Vorha-
ben eine unvermuthete Hinderniß in den Weg geleget haͤtten. Denn als dieſe
ſehen, daß die Tuͤrken dem Ufer nahe kommen: ſo feuren ſie ihre Stuͤcke auf
dieſelben los, und durchboren damit verſchiedene Boͤte, darauf die Bruͤcke gebauet
war. Ungeachtet ſie nun auf Herbeykunft der tuͤrkiſchen Flote genoͤthiget wur-
den, das Eyland zu verlaſſen: ſo verhinderten ſie doch dadurch die Tuͤrken,
daß ſie ihren Bruͤckenbau nicht eher, als am dritten Tage, vollenden konnten;
und
¹⁶ Schahbaß Gjiraj] Er wurde nach
der Zeit, als ſein Vater Selim Gjiraj geſtor-
ben war, unter Aehmed dem III‚ Sultane
der Tuͤrken, zu der Wuͤrde des Chans befoͤr-
dert. Es geſchahe aber kurz hierauf, da er
Zuruͤſtungen machte und die Tſcherkaſſier be-
kriegen wollte, daß er von denſelben aus einem
Hinterhalte uͤberfallen und erſchlagen wurde.
Ich habe dieſe Sache ſchon im erſten Theile *
erzaͤhlet.
¹⁷ der Tatarn] Es wird nicht undien-
lich ſeyn, eine merkwuͤrdige Probe der Ge-
ſchicklichkeit und Behendigkeit hiebey anzufuͤh-
ren, die die Tatarn damals abgeleget haben.
Beyderſeitige Kriegesheere ſtunden bey Peter-
waradin gegen einander uͤber, und keines
von beyden konnte von der Anzahl des andern
Nachricht erlangen; und es war ihnen auch
nicht moͤglich geweſen, von der andern Seite
einen Gefangenen zu bekommen. In dieſer
Verlegenheit ſchreibet der Sultan Muſtaͤfa
einen hoͤflichen Brief an Schahbaß Gjiraj,
und erſuchet ihn, von den Deutſchen auf eine
oder die andere Weiſe Gefangene zu ver-
ſchaffen, und ſollte es auch nur ein einziger
Mann ſeyn; damit er aus ihm von dem
Zuſtande des feindlichen Heeres Nachricht
einzie-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/788>, abgerufen am 22.07.2024.
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