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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
"Falk, mit raubbegierigen Klauen auf die Köpfe der Feinde hinein; sondern
"du ziehest, wie ein Kranich, eine Schar Flüchtigen hinter dir her." Schahin
Muhämmed Pascha wird durch diesen Vorwurf dergestalt gerühret, daß er sich
zu Mähmud Begj Ogli verfüget, mit ihm die flüchtigen Truppen wieder zusam-
men bringet, und in Gesellschaft desselben mit der Entschließung, entweder zu sie-
gen oder für ihren Aberglauben zu sterben, die Deutschen zum drittenmale an-
greifet. Der Aga der Jeng-itscheri thut an seiner Seite eben dieses; nachdem
er von dem Weßire einen scharfen Verweis bekommen hatte: so sammelt er die
Jeng-itscheri wieder zusammen, und führet sie in das Feld. Solchergestalt gehen
beyde Theile zum drittenmale mit gleichem Muthe auf einander los, und fechten
einige Stunden lang mit großer Hitze; indem der eine Theil durch die Hoffnung
des Sieges, und der andere Theil durch die Verzweifelung angefrischet wird.
Allein, die Deutschen würden doch vermuthlich alle diese Anfälle glücklich ausge-
halten haben, wenn nicht ihr Feldhauptmann Veterani durch eine empfangene
Wunde in dem hitzigsten Treffen genöthiget worden wäre, sein Pferd zu verlas-
sen und sich in einen Wagen zu setzen. Denn als die Kaiserlichen dieses sehen:
so weichen dieselben, weil sie keinen Anführer mehr hatten, zwar zurück; iedoch
in solcher Ordnung, daß es zweifelhaft war, ob es eine Flucht, oder ein Zurück-
ziehen zu nennen sey. Weil der Sultan merket, daß es schwer und gefährlich
seyn würde, sie zu verfolgen und zur Verzweifelung zu bringen: so giebet er
dem Müfti unter der Hand Befehl, das osmanische Heer auf eine oder die an-
dere Weise im Lager zurück zu behalten. Dieser thut auch, dem Befehle seines
Oberherrn zu folge, die Erklärung durch ein Fetwa: es sey den Geboten des
Kurons zuwider, einen fliehenden Feind allzuheftig zu verfolgen; und derje-
nige, der in einem solchen Falle umkomme, werde der Krone des Märtirthums
verlustig.

Blutiger Sieg
der Türken überdie Deutschen.
8.

In der That hatte auch der Sultan viele wichtigen Ursachen, seine
Soldaten abzuhalten, daß sie sich in kein weiteres Gefecht einließen. Tausend
Mann Reiterey und funfzehen hundert von den Fußvölkern, die von feindlicher
Seite geblieben waren, hatten Rache genug bekommen durch die Niederlage
der vornehmsten Befehlhaber des Heeres; nämlich des Begjlerbegjs von Rumi-
lien, Mähmud Begj Oglis, Schahin Mehemmed Paschas, Ibrahim Paschas,
Bruders Kodscha Dschäfer Paschas, und noch vieler andern von dem ersten
Range, nebst ungefähr zehen tausend Mann gemeiner türkischen Soldaten.
Mit dem Siege selbst würde es noch dazu sehr mislich ausgesehen haben; wenn
nicht auf der einen Seite der Sultan durch seine Gegenwart und Herzhaftigkeit
die Türken von ihrer Flucht wieder zurück gebracht, und auf der andern Seite
nicht das Unglück, das Veterani zugestoßen, den Muth der Deutschen geschwä-
chet hätte. Es war also noch ein größerer Verlust zu befürchten, wenn der Ue-

berrest

Osmaniſche Geſchichte
“Falk, mit raubbegierigen Klauen auf die Koͤpfe der Feinde hinein; ſondern
“du zieheſt, wie ein Kranich, eine Schar Fluͤchtigen hinter dir her.„ Schahin
Muhaͤmmed Paſcha wird durch dieſen Vorwurf dergeſtalt geruͤhret, daß er ſich
zu Maͤhmud Begj Ogli verfuͤget, mit ihm die fluͤchtigen Truppen wieder zuſam-
men bringet, und in Geſellſchaft deſſelben mit der Entſchließung, entweder zu ſie-
gen oder fuͤr ihren Aberglauben zu ſterben, die Deutſchen zum drittenmale an-
greifet. Der Aga der Jeng-itſcheri thut an ſeiner Seite eben dieſes; nachdem
er von dem Weßire einen ſcharfen Verweis bekommen hatte: ſo ſammelt er die
Jeng-itſcheri wieder zuſammen, und fuͤhret ſie in das Feld. Solchergeſtalt gehen
beyde Theile zum drittenmale mit gleichem Muthe auf einander los, und fechten
einige Stunden lang mit großer Hitze; indem der eine Theil durch die Hoffnung
des Sieges, und der andere Theil durch die Verzweifelung angefriſchet wird.
Allein, die Deutſchen wuͤrden doch vermuthlich alle dieſe Anfaͤlle gluͤcklich ausge-
halten haben, wenn nicht ihr Feldhauptmann Veterani durch eine empfangene
Wunde in dem hitzigſten Treffen genoͤthiget worden waͤre, ſein Pferd zu verlaſ-
ſen und ſich in einen Wagen zu ſetzen. Denn als die Kaiſerlichen dieſes ſehen:
ſo weichen dieſelben, weil ſie keinen Anfuͤhrer mehr hatten, zwar zuruͤck; iedoch
in ſolcher Ordnung, daß es zweifelhaft war, ob es eine Flucht, oder ein Zuruͤck-
ziehen zu nennen ſey. Weil der Sultan merket, daß es ſchwer und gefaͤhrlich
ſeyn wuͤrde, ſie zu verfolgen und zur Verzweifelung zu bringen: ſo giebet er
dem Muͤfti unter der Hand Befehl, das osmaniſche Heer auf eine oder die an-
dere Weiſe im Lager zuruͤck zu behalten. Dieſer thut auch, dem Befehle ſeines
Oberherrn zu folge, die Erklaͤrung durch ein Fetwa: es ſey den Geboten des
Kurons zuwider, einen fliehenden Feind allzuheftig zu verfolgen; und derje-
nige, der in einem ſolchen Falle umkomme, werde der Krone des Maͤrtirthums
verluſtig.

Blutiger Sieg
der Tuͤrken uͤberdie Deutſchen.
8.

In der That hatte auch der Sultan viele wichtigen Urſachen, ſeine
Soldaten abzuhalten, daß ſie ſich in kein weiteres Gefecht einließen. Tauſend
Mann Reiterey und funfzehen hundert von den Fußvoͤlkern, die von feindlicher
Seite geblieben waren, hatten Rache genug bekommen durch die Niederlage
der vornehmſten Befehlhaber des Heeres; naͤmlich des Begjlerbegjs von Rumi-
lien, Maͤhmud Begj Oglis, Schahin Mehemmed Paſchas, Ibrahim Paſchas,
Bruders Kodſcha Dſchaͤfer Paſchas, und noch vieler andern von dem erſten
Range, nebſt ungefaͤhr zehen tauſend Mann gemeiner tuͤrkiſchen Soldaten.
Mit dem Siege ſelbſt wuͤrde es noch dazu ſehr mislich ausgeſehen haben; wenn
nicht auf der einen Seite der Sultan durch ſeine Gegenwart und Herzhaftigkeit
die Tuͤrken von ihrer Flucht wieder zuruͤck gebracht, und auf der andern Seite
nicht das Ungluͤck, das Veterani zugeſtoßen, den Muth der Deutſchen geſchwaͤ-
chet haͤtte. Es war alſo noch ein groͤßerer Verluſt zu befuͤrchten, wenn der Ue-

berreſt
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[660/0774] Osmaniſche Geſchichte “Falk, mit raubbegierigen Klauen auf die Koͤpfe der Feinde hinein; ſondern “du zieheſt, wie ein Kranich, eine Schar Fluͤchtigen hinter dir her.„ Schahin Muhaͤmmed Paſcha wird durch dieſen Vorwurf dergeſtalt geruͤhret, daß er ſich zu Maͤhmud Begj Ogli verfuͤget, mit ihm die fluͤchtigen Truppen wieder zuſam- men bringet, und in Geſellſchaft deſſelben mit der Entſchließung, entweder zu ſie- gen oder fuͤr ihren Aberglauben zu ſterben, die Deutſchen zum drittenmale an- greifet. Der Aga der Jeng-itſcheri thut an ſeiner Seite eben dieſes; nachdem er von dem Weßire einen ſcharfen Verweis bekommen hatte: ſo ſammelt er die Jeng-itſcheri wieder zuſammen, und fuͤhret ſie in das Feld. Solchergeſtalt gehen beyde Theile zum drittenmale mit gleichem Muthe auf einander los, und fechten einige Stunden lang mit großer Hitze; indem der eine Theil durch die Hoffnung des Sieges, und der andere Theil durch die Verzweifelung angefriſchet wird. Allein, die Deutſchen wuͤrden doch vermuthlich alle dieſe Anfaͤlle gluͤcklich ausge- halten haben, wenn nicht ihr Feldhauptmann Veterani durch eine empfangene Wunde in dem hitzigſten Treffen genoͤthiget worden waͤre, ſein Pferd zu verlaſ- ſen und ſich in einen Wagen zu ſetzen. Denn als die Kaiſerlichen dieſes ſehen: ſo weichen dieſelben, weil ſie keinen Anfuͤhrer mehr hatten, zwar zuruͤck; iedoch in ſolcher Ordnung, daß es zweifelhaft war, ob es eine Flucht, oder ein Zuruͤck- ziehen zu nennen ſey. Weil der Sultan merket, daß es ſchwer und gefaͤhrlich ſeyn wuͤrde, ſie zu verfolgen und zur Verzweifelung zu bringen: ſo giebet er dem Muͤfti unter der Hand Befehl, das osmaniſche Heer auf eine oder die an- dere Weiſe im Lager zuruͤck zu behalten. Dieſer thut auch, dem Befehle ſeines Oberherrn zu folge, die Erklaͤrung durch ein Fetwa: es ſey den Geboten des Kurons zuwider, einen fliehenden Feind allzuheftig zu verfolgen; und derje- nige, der in einem ſolchen Falle umkomme, werde der Krone des Maͤrtirthums verluſtig. 8. In der That hatte auch der Sultan viele wichtigen Urſachen, ſeine Soldaten abzuhalten, daß ſie ſich in kein weiteres Gefecht einließen. Tauſend Mann Reiterey und funfzehen hundert von den Fußvoͤlkern, die von feindlicher Seite geblieben waren, hatten Rache genug bekommen durch die Niederlage der vornehmſten Befehlhaber des Heeres; naͤmlich des Begjlerbegjs von Rumi- lien, Maͤhmud Begj Oglis, Schahin Mehemmed Paſchas, Ibrahim Paſchas, Bruders Kodſcha Dſchaͤfer Paſchas, und noch vieler andern von dem erſten Range, nebſt ungefaͤhr zehen tauſend Mann gemeiner tuͤrkiſchen Soldaten. Mit dem Siege ſelbſt wuͤrde es noch dazu ſehr mislich ausgeſehen haben; wenn nicht auf der einen Seite der Sultan durch ſeine Gegenwart und Herzhaftigkeit die Tuͤrken von ihrer Flucht wieder zuruͤck gebracht, und auf der andern Seite nicht das Ungluͤck, das Veterani zugeſtoßen, den Muth der Deutſchen geſchwaͤ- chet haͤtte. Es war alſo noch ein groͤßerer Verluſt zu befuͤrchten, wenn der Ue- berreſt

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/774>, abgerufen am 22.11.2024.