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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Garbusa*, einer fast unüberwindlichen Festung in Kandia, und dieses durch
den Verrath eines spanischen Kriegsbefehlhabers 10, der mit von der Besat-
zung war. Sie versuchten zwar hierauf eben dieses zu Suda und Spinalonga;
allein die Venetianer waren durch ihr letzteres Unglück wachsamer gemacht wor-
den, und bewahrten diese Festungen mit mehrerer Sorgfalt, bestraften auch die
Verräther mit dem Tode.

Ali Pascha be-
kommt die Stel-
le des gebliebe-nen Weßirs.
24.

Mittlerweile hatte der Sultan Aehmed von dem Tode Kjüprili Mu-
stäfa Paschas Nachricht erhalten, und den Kaimmäkam zu Constantinopel, Aere-
bedschi Ali Pascha, zu der Stelle des Weßirs erhoben; einen Mann, der an Ge-
schicklichkeit vielen weichen mußte, an Bosheit aber alle die andern übertraf.

[Spaltenumbruch]
10 spanischen Kriegsbefehlhabers] mit
Namen Aloysius. Er sagte: der Kriegs-
befehlhaber zu Garbusa habe seine Frau ge-
schändet. Weil er nun wegen dieses Schimp-
fes sich auf keine andere Weise rächen konnte:
so fasseten er und sein Fähndrich Joseph den
verderblichen Vorsatz, die Festung den Türken
in die Hände zu spielen; und sie fanden auch
bald hernach bequeme Gelegenheit, denselben
ins Werk zu richten. Zur Belohnung dessen
gaben ihm die Türken die Freyheit, zu Constan-
tinopel, was er nur wollte, ohne Entgeld zu
verkaufen; und setzten ihm und dem Fähn-
drich eine tägliche Besoldung aus: den fünf
und zwanzig Soldaten aber, die mit an dem
Verrathe Theil hatten, versprachen sie alle
Tage zweene Löwenthaler. Anfangs hielten
die Türken ihre Zusage, und reichten ihnen
nicht allein ihre verabredeten Besoldungen;
sondern verliehen ihnen noch andere Ehren-
stellen und Freyheiten: vielleicht in der Ab-
sicht, andere Besatzungen dadurch zur Nach-
ahmung ihres Beyspiels anzulocken. Als
sie aber sahen, daß die Lockspeise nicht fangen
wollte: so verringerten sie ihre Besoldung
erstlich auf zehen Kronen, hernach auf zwo,
[Spaltenumbruch]
und zuletzt nahmen sie ihnen dieselbe gar hin-
weg; so daß sie genöthiget waren, zur Ge-
winnung ihres Unterhalts, eine Garküche zu
halten. Aloysius hatte dem osmanischen
Hofe oft versprochen: wenn sie ihm nur ein
Kriegesschiff anvertrauen wollten; so wollte
er die ganze venetianische Flote durch ein
künstlich zubereitetes Feuer verbrennen. Als
man aber von ihm verlangte, zu Constantino-
pel die Probe von seiner Kunst zu machen: so
weigerte er sich, sein Geheimniß vor der Zeit
zu entdecken; zeigte aber doch einigen etwas
von eisernem Geräthe und andern Werkzeu-
gen, dadurch, wie er behauptete, er das
Feuer auf eine solche Weite werfen könne.
Allein, die Türken wollten sich dadurch noch
nicht überzeugen lassen, meineten, es sey ein
Verrath darunter verborgen, und wollten
ihm niemals Glauben beymessen, noch ihm
die Befehlhabung über ein Schiff anvertrauen.
Endlich im Jahre vor dem carlowitschischen
Frieden kam derselbe auf Zureden des fran-
zösischen Abgesandten nach Adrianopel, da
der Sultan damals Hof hielte, um daselbst
die Probe von diesem Feuer zu machen: er
wurde aber von dem Weßire Aemidsche Ogli
25. So
* eigentlich Garabusa, eine befestigte Insel bey Kandia.

Osmaniſche Geſchichte
Garbuſa*, einer faſt unuͤberwindlichen Feſtung in Kandia, und dieſes durch
den Verrath eines ſpaniſchen Kriegsbefehlhabers 10, der mit von der Beſat-
zung war. Sie verſuchten zwar hierauf eben dieſes zu Suda und Spinalonga;
allein die Venetianer waren durch ihr letzteres Ungluͤck wachſamer gemacht wor-
den, und bewahrten dieſe Feſtungen mit mehrerer Sorgfalt, beſtraften auch die
Verraͤther mit dem Tode.

Ali Paſcha be-
kommt die Stel-
le des gebliebe-nen Weßirs.
24.

Mittlerweile hatte der Sultan Aehmed von dem Tode Kjuͤprili Mu-
ſtaͤfa Paſchas Nachricht erhalten, und den Kaimmaͤkam zu Conſtantinopel, Aere-
bedſchi Ali Paſcha, zu der Stelle des Weßirs erhoben; einen Mann, der an Ge-
ſchicklichkeit vielen weichen mußte, an Bosheit aber alle die andern uͤbertraf.

[Spaltenumbruch]
10 ſpaniſchen Kriegsbefehlhabers] mit
Namen Aloyſius. Er ſagte: der Kriegs-
befehlhaber zu Garbuſa habe ſeine Frau ge-
ſchaͤndet. Weil er nun wegen dieſes Schimp-
fes ſich auf keine andere Weiſe raͤchen konnte:
ſo faſſeten er und ſein Faͤhndrich Joſeph den
verderblichen Vorſatz, die Feſtung den Tuͤrken
in die Haͤnde zu ſpielen; und ſie fanden auch
bald hernach bequeme Gelegenheit, denſelben
ins Werk zu richten. Zur Belohnung deſſen
gaben ihm die Tuͤrken die Freyheit, zu Conſtan-
tinopel, was er nur wollte, ohne Entgeld zu
verkaufen; und ſetzten ihm und dem Faͤhn-
drich eine taͤgliche Beſoldung aus: den fuͤnf
und zwanzig Soldaten aber, die mit an dem
Verrathe Theil hatten, verſprachen ſie alle
Tage zweene Loͤwenthaler. Anfangs hielten
die Tuͤrken ihre Zuſage, und reichten ihnen
nicht allein ihre verabredeten Beſoldungen;
ſondern verliehen ihnen noch andere Ehren-
ſtellen und Freyheiten: vielleicht in der Ab-
ſicht, andere Beſatzungen dadurch zur Nach-
ahmung ihres Beyſpiels anzulocken. Als
ſie aber ſahen, daß die Lockſpeiſe nicht fangen
wollte: ſo verringerten ſie ihre Beſoldung
erſtlich auf zehen Kronen, hernach auf zwo,
[Spaltenumbruch]
und zuletzt nahmen ſie ihnen dieſelbe gar hin-
weg; ſo daß ſie genoͤthiget waren, zur Ge-
winnung ihres Unterhalts, eine Garkuͤche zu
halten. Aloyſius hatte dem osmaniſchen
Hofe oft verſprochen: wenn ſie ihm nur ein
Kriegesſchiff anvertrauen wollten; ſo wollte
er die ganze venetianiſche Flote durch ein
kuͤnſtlich zubereitetes Feuer verbrennen. Als
man aber von ihm verlangte, zu Conſtantino-
pel die Probe von ſeiner Kunſt zu machen: ſo
weigerte er ſich, ſein Geheimniß vor der Zeit
zu entdecken; zeigte aber doch einigen etwas
von eiſernem Geraͤthe und andern Werkzeu-
gen, dadurch, wie er behauptete, er das
Feuer auf eine ſolche Weite werfen koͤnne.
Allein, die Tuͤrken wollten ſich dadurch noch
nicht uͤberzeugen laſſen, meineten, es ſey ein
Verrath darunter verborgen, und wollten
ihm niemals Glauben beymeſſen, noch ihm
die Befehlhabung uͤber ein Schiff anvertrauen.
Endlich im Jahre vor dem carlowitſchiſchen
Frieden kam derſelbe auf Zureden des fran-
zoͤſiſchen Abgeſandten nach Adrianopel, da
der Sultan damals Hof hielte, um daſelbſt
die Probe von dieſem Feuer zu machen: er
wurde aber von dem Weßire Aemidſche Ogli
25. So
* eigentlich Garabuſa, eine befeſtigte Inſel bey Kandia.
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[630/0742] Osmaniſche Geſchichte Garbuſa *, einer faſt unuͤberwindlichen Feſtung in Kandia, und dieſes durch den Verrath eines ſpaniſchen Kriegsbefehlhabers ¹⁰ , der mit von der Beſat- zung war. Sie verſuchten zwar hierauf eben dieſes zu Suda und Spinalonga; allein die Venetianer waren durch ihr letzteres Ungluͤck wachſamer gemacht wor- den, und bewahrten dieſe Feſtungen mit mehrerer Sorgfalt, beſtraften auch die Verraͤther mit dem Tode. 24. Mittlerweile hatte der Sultan Aehmed von dem Tode Kjuͤprili Mu- ſtaͤfa Paſchas Nachricht erhalten, und den Kaimmaͤkam zu Conſtantinopel, Aere- bedſchi Ali Paſcha, zu der Stelle des Weßirs erhoben; einen Mann, der an Ge- ſchicklichkeit vielen weichen mußte, an Bosheit aber alle die andern uͤbertraf. 25. So ¹⁰ ſpaniſchen Kriegsbefehlhabers] mit Namen Aloyſius. Er ſagte: der Kriegs- befehlhaber zu Garbuſa habe ſeine Frau ge- ſchaͤndet. Weil er nun wegen dieſes Schimp- fes ſich auf keine andere Weiſe raͤchen konnte: ſo faſſeten er und ſein Faͤhndrich Joſeph den verderblichen Vorſatz, die Feſtung den Tuͤrken in die Haͤnde zu ſpielen; und ſie fanden auch bald hernach bequeme Gelegenheit, denſelben ins Werk zu richten. Zur Belohnung deſſen gaben ihm die Tuͤrken die Freyheit, zu Conſtan- tinopel, was er nur wollte, ohne Entgeld zu verkaufen; und ſetzten ihm und dem Faͤhn- drich eine taͤgliche Beſoldung aus: den fuͤnf und zwanzig Soldaten aber, die mit an dem Verrathe Theil hatten, verſprachen ſie alle Tage zweene Loͤwenthaler. Anfangs hielten die Tuͤrken ihre Zuſage, und reichten ihnen nicht allein ihre verabredeten Beſoldungen; ſondern verliehen ihnen noch andere Ehren- ſtellen und Freyheiten: vielleicht in der Ab- ſicht, andere Beſatzungen dadurch zur Nach- ahmung ihres Beyſpiels anzulocken. Als ſie aber ſahen, daß die Lockſpeiſe nicht fangen wollte: ſo verringerten ſie ihre Beſoldung erſtlich auf zehen Kronen, hernach auf zwo, und zuletzt nahmen ſie ihnen dieſelbe gar hin- weg; ſo daß ſie genoͤthiget waren, zur Ge- winnung ihres Unterhalts, eine Garkuͤche zu halten. Aloyſius hatte dem osmaniſchen Hofe oft verſprochen: wenn ſie ihm nur ein Kriegesſchiff anvertrauen wollten; ſo wollte er die ganze venetianiſche Flote durch ein kuͤnſtlich zubereitetes Feuer verbrennen. Als man aber von ihm verlangte, zu Conſtantino- pel die Probe von ſeiner Kunſt zu machen: ſo weigerte er ſich, ſein Geheimniß vor der Zeit zu entdecken; zeigte aber doch einigen etwas von eiſernem Geraͤthe und andern Werkzeu- gen, dadurch, wie er behauptete, er das Feuer auf eine ſolche Weite werfen koͤnne. Allein, die Tuͤrken wollten ſich dadurch noch nicht uͤberzeugen laſſen, meineten, es ſey ein Verrath darunter verborgen, und wollten ihm niemals Glauben beymeſſen, noch ihm die Befehlhabung uͤber ein Schiff anvertrauen. Endlich im Jahre vor dem carlowitſchiſchen Frieden kam derſelbe auf Zureden des fran- zoͤſiſchen Abgeſandten nach Adrianopel, da der Sultan damals Hof hielte, um daſelbſt die Probe von dieſem Feuer zu machen: er wurde aber von dem Weßire Aemidſche Ogli Huſejn * eigentlich Garabuſa, eine befeſtigte Inſel bey Kandia.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/742>, abgerufen am 25.11.2024.