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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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20. Sülejman der II
res belagern. Wenn die Deutschen einen tapfern Widerstand thun, und,
wie es in dergleichen Belagerungen öfters zu geschehen pflege, die Belagerer ab-
schlagen sollten: so würde das ganze Heer gar geschwind allen den Muth wieder
verlieren, den es durch sein gegenwärtiges Kriegesglück zu schöpfen kaum an-
gefangen habe. Wenn aber der Weßir Belgrad hinter sich liegen lassen und
über die Save gehen, oder wenigstens das Ufer derselben stark befestigen werde,
daß die Feinde nicht herüber kommen könnten: so werde die Besatzung diesen
Sommer über, oder aufs längste den folgenden Winter, durch Hunger genö-
thiget werden, sich zu ergeben. Von dem kaiserlichen Heere sey nichts zu be-
fürchten; denn der größte Theil desselben werde in dem Kriege gegen Frank-
reich gebrauchet, und die übrigen seyen von den Ungarn verlassen, und würden
wegen ihrer geringen Anzahl sich mehr darum bekümmern, ihr eigenes Lager
zu vertheidigen, als die Osmanen anzugreifen. Ungeachtet nun der Weßir
gar nicht dieser Meinung war: dennoch, um nicht das Ansehen zu haben, als
wenn er sich dem Gutbefinden des gesammten Heeres widersetzte, und damit,
im Falle, daß eine unglückliche Begebenheit erfolgen sollte, man ihm nicht die
Schuld beymessen möchte; gab derselbe den mehresten Stimmen nach, und be-
schloß, dem Rathe der Paschen zu folgen. Nachdem er nun die Wälle der
Stadt einige Tage lang umzingelt hatte: so erhielte er Nachricht, daß die Kai-
serlichen mit großer Eilfertigkeit heran gezogen kämen, die Stadt zu entsetzen.
Diese Zeitung setzte ihn in einige Verwirrung, und er erkennete itzo seinen Irr-
thum, daß er zur Unzeit seinen Feldhauptleuten zu Gefallen gelebet hatte: er
ließ daher unverzüglich die Belagerung mit der Hälfte des Heeres eröffnen,
und befehligte die übrigen, die Kaiserlichen abzuhalten, daß sie nicht über die
Save gingen. Er würde aber, allem Vermuthen nach, seiner Absicht verfehlet
[Spaltenumbruch]
Belgrad aufs neue, imgleichen Temischwar,
zu befestigen. Er bewerkstelligte dieses auch
in der That mit so vieler Kunst und Geschick-
lichkeit, daß, wenn nicht Gott selbst die Un-
ternehmungen der Unglaubigen zu nichte ge-
macht hätte, die Eroberung dieser beyden
Plätze durch Gewalt der Waffen fast unmög-
lich würde haben erzwungen werden können.
Wie vortrefflich er sonst in der Mathematik
erfahren gewesen, das hat er dadurch sehr
deutlich an den Tag geleget, daß er den Fluß
Betsch mitten durch Temischwar geleitet. Denn
[Spaltenumbruch]
so nöthig auch dieses Werk an einem Orte war,
der alle Sommer sehr großen Mangel am
Wasser litte: so wurde es doch vor ihm für
ein sehr schweres und solches Unternehmen
gehalten, das zu bewerkstelligen kaum mög-
lich wäre. Wegen dieser wichtigen Dienst-
leistung wurde derselbe von dem Sultane mit
einem jährlichen Gehalte von acht Beuteln
begnadiget, die ihm auch nach dem Friedens-
schlusse, und so gar bis an den Tag seines
Todes, gereichet wurden.

haben:
4 G 2

20. Suͤlejman der II
res belagern. Wenn die Deutſchen einen tapfern Widerſtand thun, und,
wie es in dergleichen Belagerungen oͤfters zu geſchehen pflege, die Belagerer ab-
ſchlagen ſollten: ſo wuͤrde das ganze Heer gar geſchwind allen den Muth wieder
verlieren, den es durch ſein gegenwaͤrtiges Kriegesgluͤck zu ſchoͤpfen kaum an-
gefangen habe. Wenn aber der Weßir Belgrad hinter ſich liegen laſſen und
uͤber die Save gehen, oder wenigſtens das Ufer derſelben ſtark befeſtigen werde,
daß die Feinde nicht heruͤber kommen koͤnnten: ſo werde die Beſatzung dieſen
Sommer uͤber, oder aufs laͤngſte den folgenden Winter, durch Hunger genoͤ-
thiget werden, ſich zu ergeben. Von dem kaiſerlichen Heere ſey nichts zu be-
fuͤrchten; denn der groͤßte Theil deſſelben werde in dem Kriege gegen Frank-
reich gebrauchet, und die uͤbrigen ſeyen von den Ungarn verlaſſen, und wuͤrden
wegen ihrer geringen Anzahl ſich mehr darum bekuͤmmern, ihr eigenes Lager
zu vertheidigen, als die Osmanen anzugreifen. Ungeachtet nun der Weßir
gar nicht dieſer Meinung war: dennoch, um nicht das Anſehen zu haben, als
wenn er ſich dem Gutbefinden des geſammten Heeres widerſetzte, und damit,
im Falle, daß eine ungluͤckliche Begebenheit erfolgen ſollte, man ihm nicht die
Schuld beymeſſen moͤchte; gab derſelbe den mehreſten Stimmen nach, und be-
ſchloß, dem Rathe der Paſchen zu folgen. Nachdem er nun die Waͤlle der
Stadt einige Tage lang umzingelt hatte: ſo erhielte er Nachricht, daß die Kai-
ſerlichen mit großer Eilfertigkeit heran gezogen kaͤmen, die Stadt zu entſetzen.
Dieſe Zeitung ſetzte ihn in einige Verwirrung, und er erkennete itzo ſeinen Irr-
thum, daß er zur Unzeit ſeinen Feldhauptleuten zu Gefallen gelebet hatte: er
ließ daher unverzuͤglich die Belagerung mit der Haͤlfte des Heeres eroͤffnen,
und befehligte die uͤbrigen, die Kaiſerlichen abzuhalten, daß ſie nicht uͤber die
Save gingen. Er wuͤrde aber, allem Vermuthen nach, ſeiner Abſicht verfehlet
[Spaltenumbruch]
Belgrad aufs neue, imgleichen Temiſchwar,
zu befeſtigen. Er bewerkſtelligte dieſes auch
in der That mit ſo vieler Kunſt und Geſchick-
lichkeit, daß, wenn nicht Gott ſelbſt die Un-
ternehmungen der Unglaubigen zu nichte ge-
macht haͤtte, die Eroberung dieſer beyden
Plaͤtze durch Gewalt der Waffen faſt unmoͤg-
lich wuͤrde haben erzwungen werden koͤnnen.
Wie vortrefflich er ſonſt in der Mathematik
erfahren geweſen, das hat er dadurch ſehr
deutlich an den Tag geleget, daß er den Fluß
Betſch mitten durch Temiſchwar geleitet. Denn
[Spaltenumbruch]
ſo noͤthig auch dieſes Werk an einem Orte war,
der alle Sommer ſehr großen Mangel am
Waſſer litte: ſo wurde es doch vor ihm fuͤr
ein ſehr ſchweres und ſolches Unternehmen
gehalten, das zu bewerkſtelligen kaum moͤg-
lich waͤre. Wegen dieſer wichtigen Dienſt-
leiſtung wurde derſelbe von dem Sultane mit
einem jaͤhrlichen Gehalte von acht Beuteln
begnadiget, die ihm auch nach dem Friedens-
ſchluſſe, und ſo gar bis an den Tag ſeines
Todes, gereichet wurden.

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4 G 2
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[603/0713] 20. Suͤlejman der II res belagern. Wenn die Deutſchen einen tapfern Widerſtand thun, und, wie es in dergleichen Belagerungen oͤfters zu geſchehen pflege, die Belagerer ab- ſchlagen ſollten: ſo wuͤrde das ganze Heer gar geſchwind allen den Muth wieder verlieren, den es durch ſein gegenwaͤrtiges Kriegesgluͤck zu ſchoͤpfen kaum an- gefangen habe. Wenn aber der Weßir Belgrad hinter ſich liegen laſſen und uͤber die Save gehen, oder wenigſtens das Ufer derſelben ſtark befeſtigen werde, daß die Feinde nicht heruͤber kommen koͤnnten: ſo werde die Beſatzung dieſen Sommer uͤber, oder aufs laͤngſte den folgenden Winter, durch Hunger genoͤ- thiget werden, ſich zu ergeben. Von dem kaiſerlichen Heere ſey nichts zu be- fuͤrchten; denn der groͤßte Theil deſſelben werde in dem Kriege gegen Frank- reich gebrauchet, und die uͤbrigen ſeyen von den Ungarn verlaſſen, und wuͤrden wegen ihrer geringen Anzahl ſich mehr darum bekuͤmmern, ihr eigenes Lager zu vertheidigen, als die Osmanen anzugreifen. Ungeachtet nun der Weßir gar nicht dieſer Meinung war: dennoch, um nicht das Anſehen zu haben, als wenn er ſich dem Gutbefinden des geſammten Heeres widerſetzte, und damit, im Falle, daß eine ungluͤckliche Begebenheit erfolgen ſollte, man ihm nicht die Schuld beymeſſen moͤchte; gab derſelbe den mehreſten Stimmen nach, und be- ſchloß, dem Rathe der Paſchen zu folgen. Nachdem er nun die Waͤlle der Stadt einige Tage lang umzingelt hatte: ſo erhielte er Nachricht, daß die Kai- ſerlichen mit großer Eilfertigkeit heran gezogen kaͤmen, die Stadt zu entſetzen. Dieſe Zeitung ſetzte ihn in einige Verwirrung, und er erkennete itzo ſeinen Irr- thum, daß er zur Unzeit ſeinen Feldhauptleuten zu Gefallen gelebet hatte: er ließ daher unverzuͤglich die Belagerung mit der Haͤlfte des Heeres eroͤffnen, und befehligte die uͤbrigen, die Kaiſerlichen abzuhalten, daß ſie nicht uͤber die Save gingen. Er wuͤrde aber, allem Vermuthen nach, ſeiner Abſicht verfehlet haben: Belgrad aufs neue, imgleichen Temiſchwar, zu befeſtigen. Er bewerkſtelligte dieſes auch in der That mit ſo vieler Kunſt und Geſchick- lichkeit, daß, wenn nicht Gott ſelbſt die Un- ternehmungen der Unglaubigen zu nichte ge- macht haͤtte, die Eroberung dieſer beyden Plaͤtze durch Gewalt der Waffen faſt unmoͤg- lich wuͤrde haben erzwungen werden koͤnnen. Wie vortrefflich er ſonſt in der Mathematik erfahren geweſen, das hat er dadurch ſehr deutlich an den Tag geleget, daß er den Fluß Betſch mitten durch Temiſchwar geleitet. Denn ſo noͤthig auch dieſes Werk an einem Orte war, der alle Sommer ſehr großen Mangel am Waſſer litte: ſo wurde es doch vor ihm fuͤr ein ſehr ſchweres und ſolches Unternehmen gehalten, das zu bewerkſtelligen kaum moͤg- lich waͤre. Wegen dieſer wichtigen Dienſt- leiſtung wurde derſelbe von dem Sultane mit einem jaͤhrlichen Gehalte von acht Beuteln begnadiget, die ihm auch nach dem Friedens- ſchluſſe, und ſo gar bis an den Tag ſeines Todes, gereichet wurden. 4 G 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/713>, abgerufen am 22.11.2024.