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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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20. Sülejman der II
zu übergeben, daß sie frey abziehen dürfte. Der Weßir ist zwar darüber un-
willig, daß so wenige Mannschaft sein Heer ganze vier Tage lang aufgehalten
hatte; dennoch aber, um den vorhabenden Verfolg seiner Siege durch weitern
Aufschub nicht zu verzögern, gestattet er ihnen ihr Begehren, und wird von den
Hajduken in die Stadt gelassen. Die Jeng-itscheri wollen die Hajduken bey
ihrem Abzuge plündern: werden aber von dem Weßire davon zurück gehalten,
der ihnen unter schwerer Strafe befiehlet, die Besatzung ohne Beleidigung aus-
ziehen zu lassen; denn, saget er, es bringet weder Ruhm noch Vortheil, den
Gjawrn ihre Waffen zu nehmen, weil sie den Müsülmanen nicht damit schaden
können. Hierauf ermahnet er die Hajduken, nicht nach Nissa zu gehen, son-
dern sich in eine andere Festung zu begeben: denn er sey willens, diese Stadt zu
belagern; und wenn einer von ihnen bey Eroberung derselben darinnen ange-
troffen werde: so solle er sich keine Hoffnung machen, daß er mit dem Leben
davon komme. Die Hajduken gehen aber dessen ungeachtet, so bald sie von
den Türken weg sind, nach Nissa.

49.

Der Weßir folget denselben auf dem Fuße nach, und belagert Nissa,Nissa wird er-
obert, darauf die
Besatzungen zu
Widdin und
Semandria ihre
Plätze verlassen.

das von dem Grafen Stahrenberg mit drey tausend Mann deutscher Fußvölker
und vierzehen hundert Reitern vertheidiget wurde. Ungeachtet nun Stahren-
berg eine tapfere Gegenwehre that, und zwar mehr in der Absicht, Zeit zu gewin-
nen und den Kaiserlichen Frist zu verschaffen, daß sie Belgrad zu Hülfe kommen
könnten; als in der mindesten Hoffnung, den Platz gegen die Türken zu erhalten:
so setzten doch diese die Belagerung mit solchem Eifer fort, daß am fünf und
zwanzigsten Tage die Besatzung sich zu ergeben erbote, wenn man ihnen ihr Le-
ben und ihre Waffen lassen wollte. Dieses wird ihnen auch zugestanden; und
als sie aus der Stadt ausziehen: so entdecken die Jeng-itscheri einige Hajduken
von Schehirkjöj unter ihnen, ungeachtet sie sich verkleidet hatten, und zwingen
dieselben durch die Marter, daß sie gestehen, alle ihre Mitbrüder seyen unter den
übrigen deutschen Truppen vermischt. Hierauf befiehlet der Weßir dem Feld-
hauptmanne der Deutschen, ihm alle die Hajduken von Schehirkjöj auszuliefern,
und lässet dieselben im Angesichte der Besatzung theils aufhenken, die übrigen
aber verdammet er auf die Galeen. Befiehlet auch Stahrenberg, nicht nach
[Spaltenumbruch]

Annäherung der deutschen Völker ihre Häuser
ledig stehen gelassen, und in die Gebirge ge-
flohen waren, von den hohen Felsen, damit
dieser Weg auf beyden Seiten besetzet ist,
schwere Steine herunter rollen, tödteten da-
durch ihrer viele, und nöthigten die übrigen,
[Spaltenumbruch]
sich zurück zu ziehen. Für diesen den Un-
glaubigen geleisteten Dienst wurden dieselben
von allem Tribute frey gesprochen, welche
Befreyung sie noch bis auf den heutigen Tag
genießen.

Belgrad
4 G

20. Suͤlejman der II
zu uͤbergeben, daß ſie frey abziehen duͤrfte. Der Weßir iſt zwar daruͤber un-
willig, daß ſo wenige Mannſchaft ſein Heer ganze vier Tage lang aufgehalten
hatte; dennoch aber, um den vorhabenden Verfolg ſeiner Siege durch weitern
Aufſchub nicht zu verzoͤgern, geſtattet er ihnen ihr Begehren, und wird von den
Hajduken in die Stadt gelaſſen. Die Jeng-itſcheri wollen die Hajduken bey
ihrem Abzuge pluͤndern: werden aber von dem Weßire davon zuruͤck gehalten,
der ihnen unter ſchwerer Strafe befiehlet, die Beſatzung ohne Beleidigung aus-
ziehen zu laſſen; denn, ſaget er, es bringet weder Ruhm noch Vortheil, den
Gjawrn ihre Waffen zu nehmen, weil ſie den Muͤſuͤlmanen nicht damit ſchaden
koͤnnen. Hierauf ermahnet er die Hajduken, nicht nach Niſſa zu gehen, ſon-
dern ſich in eine andere Feſtung zu begeben: denn er ſey willens, dieſe Stadt zu
belagern; und wenn einer von ihnen bey Eroberung derſelben darinnen ange-
troffen werde: ſo ſolle er ſich keine Hoffnung machen, daß er mit dem Leben
davon komme. Die Hajduken gehen aber deſſen ungeachtet, ſo bald ſie von
den Tuͤrken weg ſind, nach Niſſa.

49.

Der Weßir folget denſelben auf dem Fuße nach, und belagert Niſſa,Niſſa wird er-
obert, darauf die
Beſatzungen zu
Widdin und
Semandria ihre
Plaͤtze verlaſſen.

das von dem Grafen Stahrenberg mit drey tauſend Mann deutſcher Fußvoͤlker
und vierzehen hundert Reitern vertheidiget wurde. Ungeachtet nun Stahren-
berg eine tapfere Gegenwehre that, und zwar mehr in der Abſicht, Zeit zu gewin-
nen und den Kaiſerlichen Friſt zu verſchaffen, daß ſie Belgrad zu Huͤlfe kommen
koͤnnten; als in der mindeſten Hoffnung, den Platz gegen die Tuͤrken zu erhalten:
ſo ſetzten doch dieſe die Belagerung mit ſolchem Eifer fort, daß am fuͤnf und
zwanzigſten Tage die Beſatzung ſich zu ergeben erbote, wenn man ihnen ihr Le-
ben und ihre Waffen laſſen wollte. Dieſes wird ihnen auch zugeſtanden; und
als ſie aus der Stadt ausziehen: ſo entdecken die Jeng-itſcheri einige Hajduken
von Schehirkjoͤj unter ihnen, ungeachtet ſie ſich verkleidet hatten, und zwingen
dieſelben durch die Marter, daß ſie geſtehen, alle ihre Mitbruͤder ſeyen unter den
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hauptmanne der Deutſchen, ihm alle die Hajduken von Schehirkjoͤj auszuliefern,
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aber verdammet er auf die Galeen. Befiehlet auch Stahrenberg, nicht nach
[Spaltenumbruch]

Annaͤherung der deutſchen Voͤlker ihre Haͤuſer
ledig ſtehen gelaſſen, und in die Gebirge ge-
flohen waren, von den hohen Felſen, damit
dieſer Weg auf beyden Seiten beſetzet iſt,
ſchwere Steine herunter rollen, toͤdteten da-
durch ihrer viele, und noͤthigten die uͤbrigen,
[Spaltenumbruch]
ſich zuruͤck zu ziehen. Fuͤr dieſen den Un-
glaubigen geleiſteten Dienſt wurden dieſelben
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genießen.

Belgrad
4 G
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[601/0711] 20. Suͤlejman der II zu uͤbergeben, daß ſie frey abziehen duͤrfte. Der Weßir iſt zwar daruͤber un- willig, daß ſo wenige Mannſchaft ſein Heer ganze vier Tage lang aufgehalten hatte; dennoch aber, um den vorhabenden Verfolg ſeiner Siege durch weitern Aufſchub nicht zu verzoͤgern, geſtattet er ihnen ihr Begehren, und wird von den Hajduken in die Stadt gelaſſen. Die Jeng-itſcheri wollen die Hajduken bey ihrem Abzuge pluͤndern: werden aber von dem Weßire davon zuruͤck gehalten, der ihnen unter ſchwerer Strafe befiehlet, die Beſatzung ohne Beleidigung aus- ziehen zu laſſen; denn, ſaget er, es bringet weder Ruhm noch Vortheil, den Gjawrn ihre Waffen zu nehmen, weil ſie den Muͤſuͤlmanen nicht damit ſchaden koͤnnen. Hierauf ermahnet er die Hajduken, nicht nach Niſſa zu gehen, ſon- dern ſich in eine andere Feſtung zu begeben: denn er ſey willens, dieſe Stadt zu belagern; und wenn einer von ihnen bey Eroberung derſelben darinnen ange- troffen werde: ſo ſolle er ſich keine Hoffnung machen, daß er mit dem Leben davon komme. Die Hajduken gehen aber deſſen ungeachtet, ſo bald ſie von den Tuͤrken weg ſind, nach Niſſa. 49. Der Weßir folget denſelben auf dem Fuße nach, und belagert Niſſa, das von dem Grafen Stahrenberg mit drey tauſend Mann deutſcher Fußvoͤlker und vierzehen hundert Reitern vertheidiget wurde. Ungeachtet nun Stahren- berg eine tapfere Gegenwehre that, und zwar mehr in der Abſicht, Zeit zu gewin- nen und den Kaiſerlichen Friſt zu verſchaffen, daß ſie Belgrad zu Huͤlfe kommen koͤnnten; als in der mindeſten Hoffnung, den Platz gegen die Tuͤrken zu erhalten: ſo ſetzten doch dieſe die Belagerung mit ſolchem Eifer fort, daß am fuͤnf und zwanzigſten Tage die Beſatzung ſich zu ergeben erbote, wenn man ihnen ihr Le- ben und ihre Waffen laſſen wollte. Dieſes wird ihnen auch zugeſtanden; und als ſie aus der Stadt ausziehen: ſo entdecken die Jeng-itſcheri einige Hajduken von Schehirkjoͤj unter ihnen, ungeachtet ſie ſich verkleidet hatten, und zwingen dieſelben durch die Marter, daß ſie geſtehen, alle ihre Mitbruͤder ſeyen unter den uͤbrigen deutſchen Truppen vermiſcht. Hierauf befiehlet der Weßir dem Feld- hauptmanne der Deutſchen, ihm alle die Hajduken von Schehirkjoͤj auszuliefern, und laͤſſet dieſelben im Angeſichte der Beſatzung theils aufhenken, die uͤbrigen aber verdammet er auf die Galeen. Befiehlet auch Stahrenberg, nicht nach Belgrad Annaͤherung der deutſchen Voͤlker ihre Haͤuſer ledig ſtehen gelaſſen, und in die Gebirge ge- flohen waren, von den hohen Felſen, damit dieſer Weg auf beyden Seiten beſetzet iſt, ſchwere Steine herunter rollen, toͤdteten da- durch ihrer viele, und noͤthigten die uͤbrigen, ſich zuruͤck zu ziehen. Fuͤr dieſen den Un- glaubigen geleiſteten Dienſt wurden dieſelben von allem Tribute frey geſprochen, welche Befreyung ſie noch bis auf den heutigen Tag genießen. Niſſa wird er- obert, darauf die Beſatzungen zu Widdin und Semandria ihre Plaͤtze verlaſſen. 4 G

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/711>, abgerufen am 22.11.2024.