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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Vorhaben ins Werk zu richten. Dieser brachte ihm und dem ganzen Hofe ein
so großes Vertrauen zu den französischen Waffen bey, daß sie bey Versamm-
lung eines Gälebe Diwani 18 alle einhällig den Schluß fasseten, den Krieg aus
äußersten Kräften fortzusetzen. Damit es aber nicht das Ansehen haben möchte,
als wenn sie den zu Wien angefangenen Friedensvergleich ohne einige Ursache
abbrächen: so schrieb der Weßir an die geheimen Räthe des Kaisers von Deutsch-
land einen Brief, und meldete ihnen darinnen; er habe vernommen, daß gewisse
Personen unter dem Titel als Abgesandten von dem osmanischen Hofe nach Wien
gekommen seyen, und im Namen des Sultans einige Vorschläge zum Frieden
vorgetragen haben. Es wären aber dieselben Betrieger, und hätten ihre Briefe,
die sie von dem Sultane zu haben vorgegeben, entweder selbst erdichtet; oder
sie wären ihnen von dem vorigen Weßire, ohne des Sultans Mitwissen, ver-
[Spaltenumbruch]
18 Gälebe Diwani] Mit diesem Na-
men wird der Diwan des Kaisers benennet,
der alle Sonntage und Dienstage gehalten
wird, unter einem Kübbe* in dem großen Sale
des äußern Hofes, Babi Hümajun oder das
hohe Thor genennet. Der oberste Weßir hat
darinnen den Vorsitz: ihm zur rechten Hand
sitzet Rumili, und zur linken Anadol Kaßi-
jüläskjer; ferner der Müfti, wenn er durch
einen besondern Befehl dazu gerufen wird;
imgleichen die Kübbe Weßire, und etwas wei-
ter unten der Defterdar. Der Rejs Efendi
und die übrigen Häupter der Kälemdschi2*
stehen neben dabey; aber die Kriegsbefehl-
haber, als der Aga der Jeng-itscheri, Sipa-
hilar Agasi, Silahtar Agasi, nebst den übri-
gen, sitzen außen vor dem Diwan, an dem
Thore Babi Hümajun. Der Sultan höret
durch ein Fenster, das über des obersten
Weßirs Kopfe ist, alles, was vorgehet.
Anfangs, wann sie zusammen kommen, lassen
sie alle die Bittschriften, die von den klagen-
den Personen überreichet werden, durch den
Teßkjeredschi laut verlesen, und entscheiden
ihre Sachen. Hierauf trägt der Weßir den
Großen, den Ulema und Feldhauptleuten die
[Spaltenumbruch]
Sache vor, darüber der Sultan verlanget,
daß sie sich berathschlagen sollen, und begeh-
ret darinnen ihre Meinung. Nachdem ein
ieder von ihnen seine Meinung laut gesaget
hat: so begiebt sich der Weßir in Aerßodasi3*
(das das erste und letzte Zimmer bey Hofe ist,
da die Fremden zugelassen werden), daselbst
den Sultan zu erwarten, und überleget mit
demselben diejenigen Sachen allein (alle an-
dere Personen bekommen Befehl, hinaus zu ge-
hen), die geheim bleiben sollen. Alsdann
wird der Weßir nebst den übrigen Beysitzern,
dem Müfti, den Kaßijüläskjern und andern
Weßiren, vor den Sultan gelassen; und es
können auch der Aga der Jeng-itscheri und
die übrigen Odschak Agalari vor denselben
kommen. Es ist gewöhnlich, daß diejenigen,
die in Gälebe Diwani gehen, zur selbigen Zeit
eine besondere Kleidung tragen. Der oberste
Weßir und die übrigen Kübbe Weßire haben
einen dreyeckigen Bund auf, Gälebi genennet,
der über eine halbe Elle hoch, von sehr feinem
Baumwollenzeuge, Dülbend genennet, gemacht
und rings herum gefalten ist; vorne an der
Stirne ist er mit einer göldenen Einfassung
drey Finger breit gezieret, das in dem Zeuge

schaffet
* Gewölbe.
2* Kanzleyverwandten.
3* den Gehörsal.

Osmaniſche Geſchichte
Vorhaben ins Werk zu richten. Dieſer brachte ihm und dem ganzen Hofe ein
ſo großes Vertrauen zu den franzoͤſiſchen Waffen bey, daß ſie bey Verſamm-
lung eines Gaͤlebe Diwani 18 alle einhaͤllig den Schluß faſſeten, den Krieg aus
aͤußerſten Kraͤften fortzuſetzen. Damit es aber nicht das Anſehen haben moͤchte,
als wenn ſie den zu Wien angefangenen Friedensvergleich ohne einige Urſache
abbraͤchen: ſo ſchrieb der Weßir an die geheimen Raͤthe des Kaiſers von Deutſch-
land einen Brief, und meldete ihnen darinnen; er habe vernommen, daß gewiſſe
Perſonen unter dem Titel als Abgeſandten von dem osmaniſchen Hofe nach Wien
gekommen ſeyen, und im Namen des Sultans einige Vorſchlaͤge zum Frieden
vorgetragen haben. Es waͤren aber dieſelben Betrieger, und haͤtten ihre Briefe,
die ſie von dem Sultane zu haben vorgegeben, entweder ſelbſt erdichtet; oder
ſie waͤren ihnen von dem vorigen Weßire, ohne des Sultans Mitwiſſen, ver-
[Spaltenumbruch]
18 Gaͤlebe Diwani] Mit dieſem Na-
men wird der Diwan des Kaiſers benennet,
der alle Sonntage und Dienſtage gehalten
wird, unter einem Kuͤbbe* in dem großen Sale
des aͤußern Hofes, Babi Huͤmajun oder das
hohe Thor genennet. Der oberſte Weßir hat
darinnen den Vorſitz: ihm zur rechten Hand
ſitzet Rumili, und zur linken Anadol Kaßi-
juͤlaͤskjer; ferner der Muͤfti, wenn er durch
einen beſondern Befehl dazu gerufen wird;
imgleichen die Kuͤbbe Weßire, und etwas wei-
ter unten der Defterdar. Der Rejs Efendi
und die uͤbrigen Haͤupter der Kaͤlemdſchi2*
ſtehen neben dabey; aber die Kriegsbefehl-
haber, als der Aga der Jeng-itſcheri, Sipa-
hilar Agaſi, Silahtar Agaſi, nebſt den uͤbri-
gen, ſitzen außen vor dem Diwan, an dem
Thore Babi Huͤmajun. Der Sultan hoͤret
durch ein Fenſter, das uͤber des oberſten
Weßirs Kopfe iſt, alles, was vorgehet.
Anfangs, wann ſie zuſammen kommen, laſſen
ſie alle die Bittſchriften, die von den klagen-
den Perſonen uͤberreichet werden, durch den
Teßkjeredſchi laut verleſen, und entſcheiden
ihre Sachen. Hierauf traͤgt der Weßir den
Großen, den Ulema und Feldhauptleuten die
[Spaltenumbruch]
Sache vor, daruͤber der Sultan verlanget,
daß ſie ſich berathſchlagen ſollen, und begeh-
ret darinnen ihre Meinung. Nachdem ein
ieder von ihnen ſeine Meinung laut geſaget
hat: ſo begiebt ſich der Weßir in Aerßodaſi3*
(das das erſte und letzte Zimmer bey Hofe iſt,
da die Fremden zugelaſſen werden), daſelbſt
den Sultan zu erwarten, und uͤberleget mit
demſelben diejenigen Sachen allein (alle an-
dere Perſonen bekommen Befehl, hinaus zu ge-
hen), die geheim bleiben ſollen. Alsdann
wird der Weßir nebſt den uͤbrigen Beyſitzern,
dem Muͤfti, den Kaßijuͤlaͤskjern und andern
Weßiren, vor den Sultan gelaſſen; und es
koͤnnen auch der Aga der Jeng-itſcheri und
die uͤbrigen Odſchak Agalari vor denſelben
kommen. Es iſt gewoͤhnlich, daß diejenigen,
die in Gaͤlebe Diwani gehen, zur ſelbigen Zeit
eine beſondere Kleidung tragen. Der oberſte
Weßir und die uͤbrigen Kuͤbbe Weßire haben
einen dreyeckigen Bund auf, Gaͤlebi genennet,
der uͤber eine halbe Elle hoch, von ſehr feinem
Baumwollenzeuge, Duͤlbend genennet, gemacht
und rings herum gefalten iſt; vorne an der
Stirne iſt er mit einer goͤldenen Einfaſſung
drey Finger breit gezieret, das in dem Zeuge

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* Gewoͤlbe.
2* Kanzleyverwandten.
3* den Gehoͤrſal.
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[592/0702] Osmaniſche Geſchichte Vorhaben ins Werk zu richten. Dieſer brachte ihm und dem ganzen Hofe ein ſo großes Vertrauen zu den franzoͤſiſchen Waffen bey, daß ſie bey Verſamm- lung eines Gaͤlebe Diwani ¹⁸ alle einhaͤllig den Schluß faſſeten, den Krieg aus aͤußerſten Kraͤften fortzuſetzen. Damit es aber nicht das Anſehen haben moͤchte, als wenn ſie den zu Wien angefangenen Friedensvergleich ohne einige Urſache abbraͤchen: ſo ſchrieb der Weßir an die geheimen Raͤthe des Kaiſers von Deutſch- land einen Brief, und meldete ihnen darinnen; er habe vernommen, daß gewiſſe Perſonen unter dem Titel als Abgeſandten von dem osmaniſchen Hofe nach Wien gekommen ſeyen, und im Namen des Sultans einige Vorſchlaͤge zum Frieden vorgetragen haben. Es waͤren aber dieſelben Betrieger, und haͤtten ihre Briefe, die ſie von dem Sultane zu haben vorgegeben, entweder ſelbſt erdichtet; oder ſie waͤren ihnen von dem vorigen Weßire, ohne des Sultans Mitwiſſen, ver- ſchaffet ¹⁸ Gaͤlebe Diwani] Mit dieſem Na- men wird der Diwan des Kaiſers benennet, der alle Sonntage und Dienſtage gehalten wird, unter einem Kuͤbbe * in dem großen Sale des aͤußern Hofes, Babi Huͤmajun oder das hohe Thor genennet. Der oberſte Weßir hat darinnen den Vorſitz: ihm zur rechten Hand ſitzet Rumili, und zur linken Anadol Kaßi- juͤlaͤskjer; ferner der Muͤfti, wenn er durch einen beſondern Befehl dazu gerufen wird; imgleichen die Kuͤbbe Weßire, und etwas wei- ter unten der Defterdar. Der Rejs Efendi und die uͤbrigen Haͤupter der Kaͤlemdſchi 2* ſtehen neben dabey; aber die Kriegsbefehl- haber, als der Aga der Jeng-itſcheri, Sipa- hilar Agaſi, Silahtar Agaſi, nebſt den uͤbri- gen, ſitzen außen vor dem Diwan, an dem Thore Babi Huͤmajun. Der Sultan hoͤret durch ein Fenſter, das uͤber des oberſten Weßirs Kopfe iſt, alles, was vorgehet. Anfangs, wann ſie zuſammen kommen, laſſen ſie alle die Bittſchriften, die von den klagen- den Perſonen uͤberreichet werden, durch den Teßkjeredſchi laut verleſen, und entſcheiden ihre Sachen. Hierauf traͤgt der Weßir den Großen, den Ulema und Feldhauptleuten die Sache vor, daruͤber der Sultan verlanget, daß ſie ſich berathſchlagen ſollen, und begeh- ret darinnen ihre Meinung. Nachdem ein ieder von ihnen ſeine Meinung laut geſaget hat: ſo begiebt ſich der Weßir in Aerßodaſi 3* (das das erſte und letzte Zimmer bey Hofe iſt, da die Fremden zugelaſſen werden), daſelbſt den Sultan zu erwarten, und uͤberleget mit demſelben diejenigen Sachen allein (alle an- dere Perſonen bekommen Befehl, hinaus zu ge- hen), die geheim bleiben ſollen. Alsdann wird der Weßir nebſt den uͤbrigen Beyſitzern, dem Muͤfti, den Kaßijuͤlaͤskjern und andern Weßiren, vor den Sultan gelaſſen; und es koͤnnen auch der Aga der Jeng-itſcheri und die uͤbrigen Odſchak Agalari vor denſelben kommen. Es iſt gewoͤhnlich, daß diejenigen, die in Gaͤlebe Diwani gehen, zur ſelbigen Zeit eine beſondere Kleidung tragen. Der oberſte Weßir und die uͤbrigen Kuͤbbe Weßire haben einen dreyeckigen Bund auf, Gaͤlebi genennet, der uͤber eine halbe Elle hoch, von ſehr feinem Baumwollenzeuge, Duͤlbend genennet, gemacht und rings herum gefalten iſt; vorne an der Stirne iſt er mit einer goͤldenen Einfaſſung drey Finger breit gezieret, das in dem Zeuge in * Gewoͤlbe. 2* Kanzleyverwandten. 3* den Gehoͤrſal.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/702>, abgerufen am 25.11.2024.