Als Maurocordatus die Antwort des Sultans erhalten hatte, und befand, daß dergleichen Sachen unmöglich in Vortrag gebracht oder begehret werden könn- ten: so verhehlete er seine Verhaltungsbefehle, und gab bloß vor, der Sultan wolle nichts weiter herausgeben, als was bereits angezeiget worden sey. Nach- dem ihn aber sein Mitgesandter, Ssülfikar Efendi, erinnerte, daß ihrer beyder Leben in Gefahr kommen werde, wenn man befände, daß sie des Sultans Be- fehle zurück setzeten: so theilete er die wahre Beschaffenheit der Sache dem Kai- ser mit, und erhielt darauf eine solche Antwort, als er vermuthet hatte. Denn ungeachtet der Kaiser wohl merkte, daß, so lange er mit zweenen Feinden zu thun habe, er gegen keinen von beyden den Krieg mit Fortgange fortsetzen könne; und daher mit Freuden einen Stillstand eingegangen hätte, auf solche Bedingun- gen, als es nur hätte geschehen können: so war er doch gezwungen, dieses Ge- schäffte bis auf eine andere Zeit aufzuschieben; weil die türkischen Abgesandten keine völlige Gewalt hatten, einen Frieden zu schließen, und er, nach so vielen er- haltenen Siegen, es sich seiner Ehre nachtheilig achtete, Abgesandten nach Con- stantinopel zu schicken, und daselbst gleichsam um Frieden zu bitten: dabey er sich noch dazu den Kunstgriffen der Türken bloß stellen würde, die, wie ihm wohl bewußt war, sehr schlau sind, Unterhandlungen zu verzögern.
Die Polen hal- ten sich ruhig. Die Russen thun einen Einfall in die krimische Ta-tarey.
35.
Mittlerweile hielten sich in Polen beyderseitige Kriegesheere ruhig, und zeigten sich nur einander, weil sie der Fluß Dnjester von einander scheidete. Die Zaren aber in Rußland brachten eine große Anzahl Truppen zusammen, und sendeten dieselben, unter Anführung Basilius Gallitschins, gegen die Ta- tarn. Man saget, daß zu dieser Unternehmung drey bis viermal hundert tau- send Mann und vierzehen hundert Stücke bestimmet gewesen seyen.
Es entstehet aber unter ihnen eine Empörung, so daß sie genö- thiget sind, wie- der zurück zu keh- ren, welches nicht ohne gro- ßen Verlust ge-schiehet.
36.
Allein, alle diese Zurüstungen wurden durch den Verrath der Russen fruchtlos gemacht. Denn als das Heer mit Belagerung der Stadt Or, insgemein Prekop genennet, beschäfftiget war: so empörte sich des Zars eigenes Regiment, zog viele von den vornehmsten Kriegsbefehlhabern auf seine Seite, und veranlassete dadurch, daß das gesammte Kriegesheer unverrichteter Sachen wieder nach Hause ziehen mußte. Bey ihrem Abzuge wurden sie von den Tatarn angefallen, und litten, durch die Treulosigkeit ihrer innerlichen Feinde, an ihren hintersten Truppen großen Verlust.
[Spaltenumbruch]
in sehr große Gefahr kommen. Alles dieses ist nachgehends durch die Erfahrung bestäti- [Spaltenumbruch] get und dergestalt genau erfüllet worden, als wenn es iemand aus dem Lewh herunter ge-
37. Als
Osmaniſche Geſchichte
Als Maurocordatus die Antwort des Sultans erhalten hatte, und befand, daß dergleichen Sachen unmoͤglich in Vortrag gebracht oder begehret werden koͤnn- ten: ſo verhehlete er ſeine Verhaltungsbefehle, und gab bloß vor, der Sultan wolle nichts weiter herausgeben, als was bereits angezeiget worden ſey. Nach- dem ihn aber ſein Mitgeſandter, Sſuͤlfikar Efendi, erinnerte, daß ihrer beyder Leben in Gefahr kommen werde, wenn man befaͤnde, daß ſie des Sultans Be- fehle zuruͤck ſetzeten: ſo theilete er die wahre Beſchaffenheit der Sache dem Kai- ſer mit, und erhielt darauf eine ſolche Antwort, als er vermuthet hatte. Denn ungeachtet der Kaiſer wohl merkte, daß, ſo lange er mit zweenen Feinden zu thun habe, er gegen keinen von beyden den Krieg mit Fortgange fortſetzen koͤnne; und daher mit Freuden einen Stillſtand eingegangen haͤtte, auf ſolche Bedingun- gen, als es nur haͤtte geſchehen koͤnnen: ſo war er doch gezwungen, dieſes Ge- ſchaͤffte bis auf eine andere Zeit aufzuſchieben; weil die tuͤrkiſchen Abgeſandten keine voͤllige Gewalt hatten, einen Frieden zu ſchließen, und er, nach ſo vielen er- haltenen Siegen, es ſich ſeiner Ehre nachtheilig achtete, Abgeſandten nach Con- ſtantinopel zu ſchicken, und daſelbſt gleichſam um Frieden zu bitten: dabey er ſich noch dazu den Kunſtgriffen der Tuͤrken bloß ſtellen wuͤrde, die, wie ihm wohl bewußt war, ſehr ſchlau ſind, Unterhandlungen zu verzoͤgern.
Die Polen hal- ten ſich ruhig. Die Ruſſen thun einen Einfall in die krimiſche Ta-tarey.
35.
Mittlerweile hielten ſich in Polen beyderſeitige Kriegesheere ruhig, und zeigten ſich nur einander, weil ſie der Fluß Dnjeſter von einander ſcheidete. Die Zaren aber in Rußland brachten eine große Anzahl Truppen zuſammen, und ſendeten dieſelben, unter Anfuͤhrung Baſilius Gallitſchins, gegen die Ta- tarn. Man ſaget, daß zu dieſer Unternehmung drey bis viermal hundert tau- ſend Mann und vierzehen hundert Stuͤcke beſtimmet geweſen ſeyen.
Es entſtehet aber unter ihnen eine Empoͤrung, ſo daß ſie genoͤ- thiget ſind, wie- der zuruͤck zu keh- ren, welches nicht ohne gro- ßen Verluſt ge-ſchiehet.
36.
Allein, alle dieſe Zuruͤſtungen wurden durch den Verrath der Ruſſen fruchtlos gemacht. Denn als das Heer mit Belagerung der Stadt Or, insgemein Prekop genennet, beſchaͤfftiget war: ſo empoͤrte ſich des Zars eigenes Regiment, zog viele von den vornehmſten Kriegsbefehlhabern auf ſeine Seite, und veranlaſſete dadurch, daß das geſammte Kriegesheer unverrichteter Sachen wieder nach Hauſe ziehen mußte. Bey ihrem Abzuge wurden ſie von den Tatarn angefallen, und litten, durch die Treuloſigkeit ihrer innerlichen Feinde, an ihren hinterſten Truppen großen Verluſt.
[Spaltenumbruch]
in ſehr große Gefahr kommen. Alles dieſes iſt nachgehends durch die Erfahrung beſtaͤti- [Spaltenumbruch] get und dergeſtalt genau erfuͤllet worden, als wenn es iemand aus dem Lewh herunter ge-
37. Als
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Osmaniſche Geſchichte
Als Maurocordatus die Antwort des Sultans erhalten hatte, und befand, daß
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ten: ſo verhehlete er ſeine Verhaltungsbefehle, und gab bloß vor, der Sultan
wolle nichts weiter herausgeben, als was bereits angezeiget worden ſey. Nach-
dem ihn aber ſein Mitgeſandter, Sſuͤlfikar Efendi, erinnerte, daß ihrer beyder
Leben in Gefahr kommen werde, wenn man befaͤnde, daß ſie des Sultans Be-
fehle zuruͤck ſetzeten: ſo theilete er die wahre Beſchaffenheit der Sache dem Kai-
ſer mit, und erhielt darauf eine ſolche Antwort, als er vermuthet hatte. Denn
ungeachtet der Kaiſer wohl merkte, daß, ſo lange er mit zweenen Feinden zu thun
habe, er gegen keinen von beyden den Krieg mit Fortgange fortſetzen koͤnne;
und daher mit Freuden einen Stillſtand eingegangen haͤtte, auf ſolche Bedingun-
gen, als es nur haͤtte geſchehen koͤnnen: ſo war er doch gezwungen, dieſes Ge-
ſchaͤffte bis auf eine andere Zeit aufzuſchieben; weil die tuͤrkiſchen Abgeſandten
keine voͤllige Gewalt hatten, einen Frieden zu ſchließen, und er, nach ſo vielen er-
haltenen Siegen, es ſich ſeiner Ehre nachtheilig achtete, Abgeſandten nach Con-
ſtantinopel zu ſchicken, und daſelbſt gleichſam um Frieden zu bitten: dabey er
ſich noch dazu den Kunſtgriffen der Tuͤrken bloß ſtellen wuͤrde, die, wie ihm
wohl bewußt war, ſehr ſchlau ſind, Unterhandlungen zu verzoͤgern.
35. Mittlerweile hielten ſich in Polen beyderſeitige Kriegesheere ruhig,
und zeigten ſich nur einander, weil ſie der Fluß Dnjeſter von einander ſcheidete.
Die Zaren aber in Rußland brachten eine große Anzahl Truppen zuſammen,
und ſendeten dieſelben, unter Anfuͤhrung Baſilius Gallitſchins, gegen die Ta-
tarn. Man ſaget, daß zu dieſer Unternehmung drey bis viermal hundert tau-
ſend Mann und vierzehen hundert Stuͤcke beſtimmet geweſen ſeyen.
36. Allein, alle dieſe Zuruͤſtungen wurden durch den Verrath der
Ruſſen fruchtlos gemacht. Denn als das Heer mit Belagerung der Stadt
Or, insgemein Prekop genennet, beſchaͤfftiget war: ſo empoͤrte ſich des Zars
eigenes Regiment, zog viele von den vornehmſten Kriegsbefehlhabern auf ſeine
Seite, und veranlaſſete dadurch, daß das geſammte Kriegesheer unverrichteter
Sachen wieder nach Hauſe ziehen mußte. Bey ihrem Abzuge wurden ſie von
den Tatarn angefallen, und litten, durch die Treuloſigkeit ihrer innerlichen Feinde,
an ihren hinterſten Truppen großen Verluſt.
37. Als
in ſehr große Gefahr kommen. Alles dieſes
iſt nachgehends durch die Erfahrung beſtaͤti-
get und dergeſtalt genau erfuͤllet worden, als
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/698>, abgerufen am 16.02.2025.
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