Die türkischen Abgesandten kommen nach Wien, und über- reichen daselbst zweene Entwürfe zu einem Frie-densvergleiche.
24.
Unterdessen waren die türkischen Abgesandten, Ssülfikar Efendi und Maurocordatus, zu Wien angelanget. Nachdem sie bey dem Kaiser im Namen des Sultans zum Gehöre waren gelassen worden: so überreichten sie demselben, ohne von dem Frieden das mindeste zu erwähnen, das Schreiben Dschülus Na- me 15, und thaten ihm die Erwählung Sülejmans zum Kaiser der Osmanen zu wissen; in der Hoffnung, der kaiserliche Hof würde den Antrag zum Frieden zuerst thun und ihnen auf diese Art ihr Geschäffte erleichtern. Als sie aber sa- hen, daß von seiten des Kaisers nichts von dieser Sache gedacht wurde: so über- gaben sie Leopold zweene Entwürfe zu einem Friedensvergleiche von folgendem Inhalte. Wenn nur ein kurzer Waffenstillstand verlanget werde: so sollte ganz Ungarn in den Händen der Deutschen verbleiben, Siebenbürgen beyden Reichen Tribut bezahlen, Kamjenjez, nachdem dessen Wälle geschleifet worden, den Polen zurück gegeben, und Belgrad den Türken eingeräumet werden; wenn aber ein Friede gefälliger sey: so sollte, nebst Belgrad, ein Theil von Ungarn dem osmanischen Reiche wieder abgetreten werden.
Harte Bedin- gungen, die ih- nen von dem Kaiser vorgele-get werden.
25.
Nachdem der Kaiser mit den Abgesandten der übrigen verbundenen Mächte sich berathschlaget hatte: so ertheilete er dieses darauf zur Antwort. Ungeachtet er bey dem gegenwärtigen Zustande der Sachen große Hoffnung habe, nicht allein Ungarn wieder zu erobern; sondern auch das ganze osmani- sche Reich sich unterwürfig zu machen: so sey er doch bereit, einen Frieden ein- zugehen, unter der Bedingung, daß das Königreich Ungarn nebst den dazu ge- hörigen Ländern, Slawonien, Croatien, Bosnien, Servien, Bulgarien, Sieben- bürgen, an ihn abgetreten werde; Moldau und Walachey für freye Länder er- kläret; die Uebung der römischkatholischen Religion in allen Theilen des türki- schen Reiches verstattet, und die Franciscanermönche in den Besitz des heiligen Grabes zu Jerusalem gesetzet; Teökeöli aber ihm ausgeliefert werde. Die Polen forderten, daß die alten Grenzen ihres Reiches wieder hergestellet, und die ganze krimische Tatarey, Moldau, Walachey, nebst dem ganzen Striche Landes, der sich an beyden Seiten des Dnjepers bis an die Donau erstrecket, ihnen abge- treten werden. Damit sie auch sich als noch größere Freunde der Religion er- weisen möchten, als die übrigen Bundsgenossen: so drangen sie darauf, daß alle Christen, die unter türkischer Botmäßigkeit lebeten, vom Tribute frey seyn soll- ten. Die Venetianer begehreten, außer Morea und denen Städten und Eylän- dern, die sie im Besitze hatten, die ganze Seeküste in Negropont, von Korcyra [Spaltenumbruch]
15 Dschülus Name] Also werden ins- gemein diejenigen Schreiben des Sultans ge- [Spaltenumbruch] nennet, die derselbe an die Paschen, Begje, die den Titel und Würde der Paschen haben,
bis
Osmaniſche Geſchichte
Die tuͤrkiſchen Abgeſandten kommen nach Wien, und uͤber- reichen daſelbſt zweene Entwuͤrfe zu einem Frie-densvergleiche.
24.
Unterdeſſen waren die tuͤrkiſchen Abgeſandten, Sſuͤlfikar Efendi und Maurocordatus, zu Wien angelanget. Nachdem ſie bey dem Kaiſer im Namen des Sultans zum Gehoͤre waren gelaſſen worden: ſo uͤberreichten ſie demſelben, ohne von dem Frieden das mindeſte zu erwaͤhnen, das Schreiben Dſchuͤlus Na- me 15, und thaten ihm die Erwaͤhlung Suͤlejmans zum Kaiſer der Osmanen zu wiſſen; in der Hoffnung, der kaiſerliche Hof wuͤrde den Antrag zum Frieden zuerſt thun und ihnen auf dieſe Art ihr Geſchaͤffte erleichtern. Als ſie aber ſa- hen, daß von ſeiten des Kaiſers nichts von dieſer Sache gedacht wurde: ſo uͤber- gaben ſie Leopold zweene Entwuͤrfe zu einem Friedensvergleiche von folgendem Inhalte. Wenn nur ein kurzer Waffenſtillſtand verlanget werde: ſo ſollte ganz Ungarn in den Haͤnden der Deutſchen verbleiben, Siebenbuͤrgen beyden Reichen Tribut bezahlen, Kamjenjez, nachdem deſſen Waͤlle geſchleifet worden, den Polen zuruͤck gegeben, und Belgrad den Tuͤrken eingeraͤumet werden; wenn aber ein Friede gefaͤlliger ſey: ſo ſollte, nebſt Belgrad, ein Theil von Ungarn dem osmaniſchen Reiche wieder abgetreten werden.
Harte Bedin- gungen, die ih- nen von dem Kaiſer vorgele-get werden.
25.
Nachdem der Kaiſer mit den Abgeſandten der uͤbrigen verbundenen Maͤchte ſich berathſchlaget hatte: ſo ertheilete er dieſes darauf zur Antwort. Ungeachtet er bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Sachen große Hoffnung habe, nicht allein Ungarn wieder zu erobern; ſondern auch das ganze osmani- ſche Reich ſich unterwuͤrfig zu machen: ſo ſey er doch bereit, einen Frieden ein- zugehen, unter der Bedingung, daß das Koͤnigreich Ungarn nebſt den dazu ge- hoͤrigen Laͤndern, Slawonien, Croatien, Bosnien, Servien, Bulgarien, Sieben- buͤrgen, an ihn abgetreten werde; Moldau und Walachey fuͤr freye Laͤnder er- klaͤret; die Uebung der roͤmiſchkatholiſchen Religion in allen Theilen des tuͤrki- ſchen Reiches verſtattet, und die Franciscanermoͤnche in den Beſitz des heiligen Grabes zu Jeruſalem geſetzet; Teoͤkeoͤli aber ihm ausgeliefert werde. Die Polen forderten, daß die alten Grenzen ihres Reiches wieder hergeſtellet, und die ganze krimiſche Tatarey, Moldau, Walachey, nebſt dem ganzen Striche Landes, der ſich an beyden Seiten des Dnjepers bis an die Donau erſtrecket, ihnen abge- treten werden. Damit ſie auch ſich als noch groͤßere Freunde der Religion er- weiſen moͤchten, als die uͤbrigen Bundsgenoſſen: ſo drangen ſie darauf, daß alle Chriſten, die unter tuͤrkiſcher Botmaͤßigkeit lebeten, vom Tribute frey ſeyn ſoll- ten. Die Venetianer begehreten, außer Morea und denen Staͤdten und Eylaͤn- dern, die ſie im Beſitze hatten, die ganze Seekuͤſte in Negropont, von Korcyra [Spaltenumbruch]
15 Dſchuͤlus Name] Alſo werden ins- gemein diejenigen Schreiben des Sultans ge- [Spaltenumbruch] nennet, die derſelbe an die Paſchen, Begje, die den Titel und Wuͤrde der Paſchen haben,
bis
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Osmaniſche Geſchichte
24. Unterdeſſen waren die tuͤrkiſchen Abgeſandten, Sſuͤlfikar Efendi und
Maurocordatus, zu Wien angelanget. Nachdem ſie bey dem Kaiſer im Namen
des Sultans zum Gehoͤre waren gelaſſen worden: ſo uͤberreichten ſie demſelben,
ohne von dem Frieden das mindeſte zu erwaͤhnen, das Schreiben Dſchuͤlus Na-
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, und thaten ihm die Erwaͤhlung Suͤlejmans zum Kaiſer der Osmanen
zu wiſſen; in der Hoffnung, der kaiſerliche Hof wuͤrde den Antrag zum Frieden
zuerſt thun und ihnen auf dieſe Art ihr Geſchaͤffte erleichtern. Als ſie aber ſa-
hen, daß von ſeiten des Kaiſers nichts von dieſer Sache gedacht wurde: ſo uͤber-
gaben ſie Leopold zweene Entwuͤrfe zu einem Friedensvergleiche von folgendem
Inhalte. Wenn nur ein kurzer Waffenſtillſtand verlanget werde: ſo ſollte
ganz Ungarn in den Haͤnden der Deutſchen verbleiben, Siebenbuͤrgen beyden
Reichen Tribut bezahlen, Kamjenjez, nachdem deſſen Waͤlle geſchleifet worden,
den Polen zuruͤck gegeben, und Belgrad den Tuͤrken eingeraͤumet werden; wenn
aber ein Friede gefaͤlliger ſey: ſo ſollte, nebſt Belgrad, ein Theil von Ungarn
dem osmaniſchen Reiche wieder abgetreten werden.
25. Nachdem der Kaiſer mit den Abgeſandten der uͤbrigen verbundenen
Maͤchte ſich berathſchlaget hatte: ſo ertheilete er dieſes darauf zur Antwort.
Ungeachtet er bey dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Sachen große Hoffnung
habe, nicht allein Ungarn wieder zu erobern; ſondern auch das ganze osmani-
ſche Reich ſich unterwuͤrfig zu machen: ſo ſey er doch bereit, einen Frieden ein-
zugehen, unter der Bedingung, daß das Koͤnigreich Ungarn nebſt den dazu ge-
hoͤrigen Laͤndern, Slawonien, Croatien, Bosnien, Servien, Bulgarien, Sieben-
buͤrgen, an ihn abgetreten werde; Moldau und Walachey fuͤr freye Laͤnder er-
klaͤret; die Uebung der roͤmiſchkatholiſchen Religion in allen Theilen des tuͤrki-
ſchen Reiches verſtattet, und die Franciscanermoͤnche in den Beſitz des heiligen
Grabes zu Jeruſalem geſetzet; Teoͤkeoͤli aber ihm ausgeliefert werde. Die Polen
forderten, daß die alten Grenzen ihres Reiches wieder hergeſtellet, und die ganze
krimiſche Tatarey, Moldau, Walachey, nebſt dem ganzen Striche Landes, der
ſich an beyden Seiten des Dnjepers bis an die Donau erſtrecket, ihnen abge-
treten werden. Damit ſie auch ſich als noch groͤßere Freunde der Religion er-
weiſen moͤchten, als die uͤbrigen Bundsgenoſſen: ſo drangen ſie darauf, daß alle
Chriſten, die unter tuͤrkiſcher Botmaͤßigkeit lebeten, vom Tribute frey ſeyn ſoll-
ten. Die Venetianer begehreten, außer Morea und denen Staͤdten und Eylaͤn-
dern, die ſie im Beſitze hatten, die ganze Seekuͤſte in Negropont, von Korcyra
bis
¹⁵ Dſchuͤlus Name] Alſo werden ins-
gemein diejenigen Schreiben des Sultans ge-
nennet, die derſelbe an die Paſchen, Begje,
die den Titel und Wuͤrde der Paſchen haben,
und
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/692>, abgerufen am 25.11.2024.
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