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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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20. Sülejman der II
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ter zurück; nebst ihrer ganzen Mitgabe und
nebst den Hochzeitgeschenken, die sich auf hun-
dert und funfzig Beutel sollen belaufen haben.
Skarlatos nahm dieses sehr hoch auf, und
suchte allerhand Gelegenheit, sich wegen der
Verachtung seiner Tochter zu rächen. Der
Tod aber verhinderte ihn, sein Vorhaben aus-
zuführen; denn wenige Tage nach seiner Toch-
ter Zurückkunft wurde er von einem Jeng-
itscheri mit einem Dolche ermordet, der, wie
man saget, von dem Fürsten Basilius in Mol-
dau bestochen war. Nach seinem Tode blieb
Loxandra, die itzo Jungfer und Wittwe zu-
gleich war, viele Jahre lang unverheiratet;
ungeachtet sie sehr reich war. Denn die grie-
chischen Edelleute, die damals zu Constan-
tinopel wohneten, sahen nicht auf Reichthum,
sondern auf Schönheit, und hatten keine Lust,
mit Gelde sich zu einer so verdrießlichen Ehe
erkaufen zu lassen: und die von geringerem
Stande wurden von ihr verachtet; weil sie
die Tochter eines der angesehensten Männer
seiner Zeit, und dabey eines Fürsten Braut
war. Es kam zur selbigen Zeit ein Mann
nach Constantinopel, mit Namen Pantelis
Maurocordatus, insgemein Panteli genennet,
aus Chio gebürtig: der zwar von adelicher
Geburt; dabey aber durch Armuth dergestalt
herunter gekommen war, daß er sich genöthi-
get sahe, zu Constantinopel chiische Seide,
die bey den Türken Hetaj heißet, zu verkaufen.
Außer dem war er ein langer, schöner und
wohlgebildeter junger Mensch, und aus einem
nicht ganz unansehnlichen Geschlechte in Chio
entsprossen. Er hatte noch ein väterliches
Erbgut in diesem Eylande; das aber von
keinem großen Betrage war: denn daselbst
ist es zu einem Edelmanne schon genug, wenn
er nur Herr von einem Weinberge und einem
Thürmchen ist, die von seinen Vorältern auf
ihn gekommen sind; weil der kleine Umfang
dieses Eylandes nicht gestattet, daß einer
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weitläuftige Gründe besitzet. Dieser Mann
kam dann und wann in Loxandra Haus,
Seidenware zu verkaufen. Diese verliebet
sich in denselben, und entschließet sich, ohne
einen Menschen deswegen um Rath zu fragen,
ihn zu heiraten. Sie schicket daher nach ei-
nem Pfarrer in der Stadt, und lässet sich
denselben ingeheim in ihrem Hause, nach den
Gebräuchen der Kirche, antrauen. Aus die-
ser Ehe wurden Panteli zweene Söhne gebo-
ren, Alexander und Johann. Johann ist
kaum iemandem in Europa bekannt geworden:
nicht allein, weil er von Natur einen blöden
Verstand hatte, und daher in den Wissenschaf-
ten es nicht weit brachte; sondern auch, weil
er keine Bedienung bey Hofe hatte, noch in
Geschäfften gebraucht wurde, und nur ein Le-
ben wie eine gemeine Person führete. Er
starb auch in diesen Umständen, und hinterließ
zweene Söhne, Skarlatos und Constantin;
die eben so wenig berühmt wurden, als er
selbst. Was aber Alexander betrifft: so wur-
de derselbe im zwölften Jahre seines Alters
nach Padua geschickt; da er sich vierzehen
Jahre lang mit solchem Fleiße auf die Wissen-
schaften legte, daß er nicht allein zum Doctor
der Arzneykunst und Weltweisheit erkläret,
sondern auch bey seiner Zurückkunft in sein
Vaterland für würdig geachtet wurde, die
Stelle eines öffentlichen Lehrers der Arzney-
kunst und Weltweisheit in der Patriarchal-
schule daselbst zu bekleiden. Weil er aber
davon nur ein geringes Einkommen hatte:
so fing er dabey an, die Arzneykunst unter den
Türken zu treiben; und erwarb sich dadurch
so vielen Ruhm, daß er in kurzer Zeit die meisten
von den Großen in ihren Krankheiten zu bedie-
nen hatte. Um sich nun einen desto größern
Namen zu machen, und weil die Türken nicht
wußten, wer sein Vater gewesen war: so gab
er sich nicht für den Enkel, sondern für den
Sohn des berühmten Sarudsche Skarlatos*
* das ist, Skarlatos der Gelblichte.
4 D
20. Suͤlejman der II
[Spaltenumbruch]
ter zuruͤck; nebſt ihrer ganzen Mitgabe und
nebſt den Hochzeitgeſchenken, die ſich auf hun-
dert und funfzig Beutel ſollen belaufen haben.
Skarlatos nahm dieſes ſehr hoch auf, und
ſuchte allerhand Gelegenheit, ſich wegen der
Verachtung ſeiner Tochter zu raͤchen. Der
Tod aber verhinderte ihn, ſein Vorhaben aus-
zufuͤhren; denn wenige Tage nach ſeiner Toch-
ter Zuruͤckkunft wurde er von einem Jeng-
itſcheri mit einem Dolche ermordet, der, wie
man ſaget, von dem Fuͤrſten Baſilius in Mol-
dau beſtochen war. Nach ſeinem Tode blieb
Loxandra, die itzo Jungfer und Wittwe zu-
gleich war, viele Jahre lang unverheiratet;
ungeachtet ſie ſehr reich war. Denn die grie-
chiſchen Edelleute, die damals zu Conſtan-
tinopel wohneten, ſahen nicht auf Reichthum,
ſondern auf Schoͤnheit, und hatten keine Luſt,
mit Gelde ſich zu einer ſo verdrießlichen Ehe
erkaufen zu laſſen: und die von geringerem
Stande wurden von ihr verachtet; weil ſie
die Tochter eines der angeſehenſten Maͤnner
ſeiner Zeit, und dabey eines Fuͤrſten Braut
war. Es kam zur ſelbigen Zeit ein Mann
nach Conſtantinopel, mit Namen Pantelis
Maurocordatus, insgemein Panteli genennet,
aus Chio gebuͤrtig: der zwar von adelicher
Geburt; dabey aber durch Armuth dergeſtalt
herunter gekommen war, daß er ſich genoͤthi-
get ſahe, zu Conſtantinopel chiiſche Seide,
die bey den Tuͤrken Hetaj heißet, zu verkaufen.
Außer dem war er ein langer, ſchoͤner und
wohlgebildeter junger Menſch, und aus einem
nicht ganz unanſehnlichen Geſchlechte in Chio
entſproſſen. Er hatte noch ein vaͤterliches
Erbgut in dieſem Eylande; das aber von
keinem großen Betrage war: denn daſelbſt
iſt es zu einem Edelmanne ſchon genug, wenn
er nur Herr von einem Weinberge und einem
Thuͤrmchen iſt, die von ſeinen Voraͤltern auf
ihn gekommen ſind; weil der kleine Umfang
dieſes Eylandes nicht geſtattet, daß einer
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weitlaͤuftige Gruͤnde beſitzet. Dieſer Mann
kam dann und wann in Loxandra Haus,
Seidenware zu verkaufen. Dieſe verliebet
ſich in denſelben, und entſchließet ſich, ohne
einen Menſchen deswegen um Rath zu fragen,
ihn zu heiraten. Sie ſchicket daher nach ei-
nem Pfarrer in der Stadt, und laͤſſet ſich
denſelben ingeheim in ihrem Hauſe, nach den
Gebraͤuchen der Kirche, antrauen. Aus die-
ſer Ehe wurden Panteli zweene Soͤhne gebo-
ren, Alexander und Johann. Johann iſt
kaum iemandem in Europa bekannt geworden:
nicht allein, weil er von Natur einen bloͤden
Verſtand hatte, und daher in den Wiſſenſchaf-
ten es nicht weit brachte; ſondern auch, weil
er keine Bedienung bey Hofe hatte, noch in
Geſchaͤfften gebraucht wurde, und nur ein Le-
ben wie eine gemeine Perſon fuͤhrete. Er
ſtarb auch in dieſen Umſtaͤnden, und hinterließ
zweene Soͤhne, Skarlatos und Conſtantin;
die eben ſo wenig beruͤhmt wurden, als er
ſelbſt. Was aber Alexander betrifft: ſo wur-
de derſelbe im zwoͤlften Jahre ſeines Alters
nach Padua geſchickt; da er ſich vierzehen
Jahre lang mit ſolchem Fleiße auf die Wiſſen-
ſchaften legte, daß er nicht allein zum Doctor
der Arzneykunſt und Weltweisheit erklaͤret,
ſondern auch bey ſeiner Zuruͤckkunft in ſein
Vaterland fuͤr wuͤrdig geachtet wurde, die
Stelle eines oͤffentlichen Lehrers der Arzney-
kunſt und Weltweisheit in der Patriarchal-
ſchule daſelbſt zu bekleiden. Weil er aber
davon nur ein geringes Einkommen hatte:
ſo fing er dabey an, die Arzneykunſt unter den
Tuͤrken zu treiben; und erwarb ſich dadurch
ſo vielen Ruhm, daß er in kurzer Zeit die meiſten
von den Großen in ihren Krankheiten zu bedie-
nen hatte. Um ſich nun einen deſto groͤßern
Namen zu machen, und weil die Tuͤrken nicht
wußten, wer ſein Vater geweſen war: ſo gab
er ſich nicht fuͤr den Enkel, ſondern fuͤr den
Sohn des beruͤhmten Sarudſche Skarlatos*
* das iſt, Skarlatos der Gelblichte.
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[577/0687] 20. Suͤlejman der II ter zuruͤck; nebſt ihrer ganzen Mitgabe und nebſt den Hochzeitgeſchenken, die ſich auf hun- dert und funfzig Beutel ſollen belaufen haben. Skarlatos nahm dieſes ſehr hoch auf, und ſuchte allerhand Gelegenheit, ſich wegen der Verachtung ſeiner Tochter zu raͤchen. Der Tod aber verhinderte ihn, ſein Vorhaben aus- zufuͤhren; denn wenige Tage nach ſeiner Toch- ter Zuruͤckkunft wurde er von einem Jeng- itſcheri mit einem Dolche ermordet, der, wie man ſaget, von dem Fuͤrſten Baſilius in Mol- dau beſtochen war. Nach ſeinem Tode blieb Loxandra, die itzo Jungfer und Wittwe zu- gleich war, viele Jahre lang unverheiratet; ungeachtet ſie ſehr reich war. Denn die grie- chiſchen Edelleute, die damals zu Conſtan- tinopel wohneten, ſahen nicht auf Reichthum, ſondern auf Schoͤnheit, und hatten keine Luſt, mit Gelde ſich zu einer ſo verdrießlichen Ehe erkaufen zu laſſen: und die von geringerem Stande wurden von ihr verachtet; weil ſie die Tochter eines der angeſehenſten Maͤnner ſeiner Zeit, und dabey eines Fuͤrſten Braut war. Es kam zur ſelbigen Zeit ein Mann nach Conſtantinopel, mit Namen Pantelis Maurocordatus, insgemein Panteli genennet, aus Chio gebuͤrtig: der zwar von adelicher Geburt; dabey aber durch Armuth dergeſtalt herunter gekommen war, daß er ſich genoͤthi- get ſahe, zu Conſtantinopel chiiſche Seide, die bey den Tuͤrken Hetaj heißet, zu verkaufen. Außer dem war er ein langer, ſchoͤner und wohlgebildeter junger Menſch, und aus einem nicht ganz unanſehnlichen Geſchlechte in Chio entſproſſen. Er hatte noch ein vaͤterliches Erbgut in dieſem Eylande; das aber von keinem großen Betrage war: denn daſelbſt iſt es zu einem Edelmanne ſchon genug, wenn er nur Herr von einem Weinberge und einem Thuͤrmchen iſt, die von ſeinen Voraͤltern auf ihn gekommen ſind; weil der kleine Umfang dieſes Eylandes nicht geſtattet, daß einer weitlaͤuftige Gruͤnde beſitzet. Dieſer Mann kam dann und wann in Loxandra Haus, Seidenware zu verkaufen. Dieſe verliebet ſich in denſelben, und entſchließet ſich, ohne einen Menſchen deswegen um Rath zu fragen, ihn zu heiraten. Sie ſchicket daher nach ei- nem Pfarrer in der Stadt, und laͤſſet ſich denſelben ingeheim in ihrem Hauſe, nach den Gebraͤuchen der Kirche, antrauen. Aus die- ſer Ehe wurden Panteli zweene Soͤhne gebo- ren, Alexander und Johann. Johann iſt kaum iemandem in Europa bekannt geworden: nicht allein, weil er von Natur einen bloͤden Verſtand hatte, und daher in den Wiſſenſchaf- ten es nicht weit brachte; ſondern auch, weil er keine Bedienung bey Hofe hatte, noch in Geſchaͤfften gebraucht wurde, und nur ein Le- ben wie eine gemeine Perſon fuͤhrete. Er ſtarb auch in dieſen Umſtaͤnden, und hinterließ zweene Soͤhne, Skarlatos und Conſtantin; die eben ſo wenig beruͤhmt wurden, als er ſelbſt. Was aber Alexander betrifft: ſo wur- de derſelbe im zwoͤlften Jahre ſeines Alters nach Padua geſchickt; da er ſich vierzehen Jahre lang mit ſolchem Fleiße auf die Wiſſen- ſchaften legte, daß er nicht allein zum Doctor der Arzneykunſt und Weltweisheit erklaͤret, ſondern auch bey ſeiner Zuruͤckkunft in ſein Vaterland fuͤr wuͤrdig geachtet wurde, die Stelle eines oͤffentlichen Lehrers der Arzney- kunſt und Weltweisheit in der Patriarchal- ſchule daſelbſt zu bekleiden. Weil er aber davon nur ein geringes Einkommen hatte: ſo fing er dabey an, die Arzneykunſt unter den Tuͤrken zu treiben; und erwarb ſich dadurch ſo vielen Ruhm, daß er in kurzer Zeit die meiſten von den Großen in ihren Krankheiten zu bedie- nen hatte. Um ſich nun einen deſto groͤßern Namen zu machen, und weil die Tuͤrken nicht wußten, wer ſein Vater geweſen war: ſo gab er ſich nicht fuͤr den Enkel, ſondern fuͤr den Sohn des beruͤhmten Sarudſche Skarlatos * aus; * das iſt, Skarlatos der Gelblichte. 4 D

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/687>, abgerufen am 15.08.2024.