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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
Verzeihung wegen ihrer Kühnheit: denn das ergrimmte Volk habe sie wider
ihren Willen gezwungen, sich diesem Geschäffte zu unterziehen; und zuletzt
geben sie ihm den Rath, sich dem Begehren des verbundenen Heeres und Vol-
kes zu unterwerfen.

193.

Nachdem der Sultan Muhämmed die Abgeordneten mit großerHeldenmüthige
Antwort des
Sultans an die
Aufrührer.

Gelassenheit angehöret hatte: so gab er ihnen darauf folgende Antwort.
"Ihr verkündiget mir nichts neues noch unvermuthetes; denn ich habe schon
"eine geraume Zeit her gemerket, daß die Ulema, die nach einer Veränderung
"begierig sind, das gemeine Volk verhetzet und in ihr aufrührisches Vorhaben
"gezogen haben. Ich hätte zwar gleich anfangs dieses Feuer, wo nicht völlig
"dämpfen, dennoch demselben die Nahrung benehmen können, wenn ich euch
"aus der Stadt verbannet hätte. Weil mir aber mein Gewissen das Zeugniß
"gab, daß ich recht gehandelt hatte: so wollte ich lieber den Ausgang Gott
"überlassen, als mein eigener Richter in der Sache seyn. Von dem siebenten
"Jahre meines Alters an, eine Zeit von funfzig Jahren hindurch, die ich diesem
"Reiche vorgestanden habe, erinnere ich mich nicht, das geringste Ungerechte,
"oder was den Geboten des müsülmanischen Gesetzes entgegen wäre, gethan;
"noch etwas unterlassen zu haben, das zur Fortpflanzung unseres Gesetzes
"unter den Unglaubigen oder zur Erweiterung der Grenzen des Reichs vor-
"träglich erachtet werden könnte. Wie viele innerlichen Unruhen habe ich nicht
"von der Zeit an, bis auf den gegenwärtigen Krieg, gestillet? wie viele Feinde,
"sowol innerliche als auswärtige, habe ich nicht überwunden? wie viele herr-
"lichen Siege habe ich nicht über die Unglaubigen erhalten? wie viele Länder
"und Königreiche habe ich nicht durch meinen unermüdeten Eifer und Fleiß
"dem osmanischen Joche unterwürfig gemacht, und wie sehr habe ich nicht die
"Anzahl der Paschaschaften vermehret? Die sehr kriegerischen Einwohner
"von Polen, Siebenbürgen und Ungarn, deren Tapferkeit unsere Vorfahrer
"öfters und nicht ohne Verlust gefühlet, haben sich unter meiner Anführung
"theils freywillig, und theils gezwungen, unserm Reiche unterworfen, und ver-
"sprochen, demselben Tribut zu bezahlen. Die Venetianer, die vor diesem
"Herren fast von allen Meeren waren, sind unter meiner Verwaltung aus dem
"weißen Meere vertrieben, und Kandia, das größte, festeste und glückseligste
"von allen Eyländern, erobert worden. Die fast bis an den Himmel erha-
"benen Städte, Kamjenjez, Kandia und Wiwar, sind theils von mir selbst,
"theils durch meine Feldherren, dem Feinde entrissen worden; und durch diese
"Vormauern gedachte ich selbst diejenigen Personen gegen alle feindlichen An-
"fälle zu beschützen, die seit dem durch ihren Reichthum, den sie in so lange
"gedauerten Friedenszeiten erworben, hochmüthig geworden sind, und beschlos-

"sen

19. Muhaͤmmed der IIII
Verzeihung wegen ihrer Kuͤhnheit: denn das ergrimmte Volk habe ſie wider
ihren Willen gezwungen, ſich dieſem Geſchaͤffte zu unterziehen; und zuletzt
geben ſie ihm den Rath, ſich dem Begehren des verbundenen Heeres und Vol-
kes zu unterwerfen.

193.

Nachdem der Sultan Muhaͤmmed die Abgeordneten mit großerHeldenmuͤthige
Antwort des
Sultans an die
Aufruͤhrer.

Gelaſſenheit angehoͤret hatte: ſo gab er ihnen darauf folgende Antwort.
“Ihr verkuͤndiget mir nichts neues noch unvermuthetes; denn ich habe ſchon
“eine geraume Zeit her gemerket, daß die Ulema, die nach einer Veraͤnderung
“begierig ſind, das gemeine Volk verhetzet und in ihr aufruͤhriſches Vorhaben
“gezogen haben. Ich haͤtte zwar gleich anfangs dieſes Feuer, wo nicht voͤllig
“daͤmpfen, dennoch demſelben die Nahrung benehmen koͤnnen, wenn ich euch
“aus der Stadt verbannet haͤtte. Weil mir aber mein Gewiſſen das Zeugniß
“gab, daß ich recht gehandelt hatte: ſo wollte ich lieber den Ausgang Gott
“uͤberlaſſen, als mein eigener Richter in der Sache ſeyn. Von dem ſiebenten
“Jahre meines Alters an, eine Zeit von funfzig Jahren hindurch, die ich dieſem
“Reiche vorgeſtanden habe, erinnere ich mich nicht, das geringſte Ungerechte,
“oder was den Geboten des muͤſuͤlmaniſchen Geſetzes entgegen waͤre, gethan;
“noch etwas unterlaſſen zu haben, das zur Fortpflanzung unſeres Geſetzes
“unter den Unglaubigen oder zur Erweiterung der Grenzen des Reichs vor-
“traͤglich erachtet werden koͤnnte. Wie viele innerlichen Unruhen habe ich nicht
“von der Zeit an, bis auf den gegenwaͤrtigen Krieg, geſtillet? wie viele Feinde,
“ſowol innerliche als auswaͤrtige, habe ich nicht uͤberwunden? wie viele herr-
“lichen Siege habe ich nicht uͤber die Unglaubigen erhalten? wie viele Laͤnder
“und Koͤnigreiche habe ich nicht durch meinen unermuͤdeten Eifer und Fleiß
“dem osmaniſchen Joche unterwuͤrfig gemacht, und wie ſehr habe ich nicht die
“Anzahl der Paſchaſchaften vermehret? Die ſehr kriegeriſchen Einwohner
“von Polen, Siebenbuͤrgen und Ungarn, deren Tapferkeit unſere Vorfahrer
“oͤfters und nicht ohne Verluſt gefuͤhlet, haben ſich unter meiner Anfuͤhrung
“theils freywillig, und theils gezwungen, unſerm Reiche unterworfen, und ver-
“ſprochen, demſelben Tribut zu bezahlen. Die Venetianer, die vor dieſem
“Herren faſt von allen Meeren waren, ſind unter meiner Verwaltung aus dem
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“von allen Eylaͤndern, erobert worden. Die faſt bis an den Himmel erha-
“benen Staͤdte, Kamjenjez, Kandia und Wiwar, ſind theils von mir ſelbſt,
“theils durch meine Feldherren, dem Feinde entriſſen worden; und durch dieſe
“Vormauern gedachte ich ſelbſt diejenigen Perſonen gegen alle feindlichen An-
“faͤlle zu beſchuͤtzen, die ſeit dem durch ihren Reichthum, den ſie in ſo lange
“gedauerten Friedenszeiten erworben, hochmuͤthig geworden ſind, und beſchloſ-

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[559/0667] 19. Muhaͤmmed der IIII Verzeihung wegen ihrer Kuͤhnheit: denn das ergrimmte Volk habe ſie wider ihren Willen gezwungen, ſich dieſem Geſchaͤffte zu unterziehen; und zuletzt geben ſie ihm den Rath, ſich dem Begehren des verbundenen Heeres und Vol- kes zu unterwerfen. 193. Nachdem der Sultan Muhaͤmmed die Abgeordneten mit großer Gelaſſenheit angehoͤret hatte: ſo gab er ihnen darauf folgende Antwort. “Ihr verkuͤndiget mir nichts neues noch unvermuthetes; denn ich habe ſchon “eine geraume Zeit her gemerket, daß die Ulema, die nach einer Veraͤnderung “begierig ſind, das gemeine Volk verhetzet und in ihr aufruͤhriſches Vorhaben “gezogen haben. Ich haͤtte zwar gleich anfangs dieſes Feuer, wo nicht voͤllig “daͤmpfen, dennoch demſelben die Nahrung benehmen koͤnnen, wenn ich euch “aus der Stadt verbannet haͤtte. Weil mir aber mein Gewiſſen das Zeugniß “gab, daß ich recht gehandelt hatte: ſo wollte ich lieber den Ausgang Gott “uͤberlaſſen, als mein eigener Richter in der Sache ſeyn. Von dem ſiebenten “Jahre meines Alters an, eine Zeit von funfzig Jahren hindurch, die ich dieſem “Reiche vorgeſtanden habe, erinnere ich mich nicht, das geringſte Ungerechte, “oder was den Geboten des muͤſuͤlmaniſchen Geſetzes entgegen waͤre, gethan; “noch etwas unterlaſſen zu haben, das zur Fortpflanzung unſeres Geſetzes “unter den Unglaubigen oder zur Erweiterung der Grenzen des Reichs vor- “traͤglich erachtet werden koͤnnte. Wie viele innerlichen Unruhen habe ich nicht “von der Zeit an, bis auf den gegenwaͤrtigen Krieg, geſtillet? wie viele Feinde, “ſowol innerliche als auswaͤrtige, habe ich nicht uͤberwunden? wie viele herr- “lichen Siege habe ich nicht uͤber die Unglaubigen erhalten? wie viele Laͤnder “und Koͤnigreiche habe ich nicht durch meinen unermuͤdeten Eifer und Fleiß “dem osmaniſchen Joche unterwuͤrfig gemacht, und wie ſehr habe ich nicht die “Anzahl der Paſchaſchaften vermehret? Die ſehr kriegeriſchen Einwohner “von Polen, Siebenbuͤrgen und Ungarn, deren Tapferkeit unſere Vorfahrer “oͤfters und nicht ohne Verluſt gefuͤhlet, haben ſich unter meiner Anfuͤhrung “theils freywillig, und theils gezwungen, unſerm Reiche unterworfen, und ver- “ſprochen, demſelben Tribut zu bezahlen. Die Venetianer, die vor dieſem “Herren faſt von allen Meeren waren, ſind unter meiner Verwaltung aus dem “weißen Meere vertrieben, und Kandia, das groͤßte, feſteſte und gluͤckſeligſte “von allen Eylaͤndern, erobert worden. Die faſt bis an den Himmel erha- “benen Staͤdte, Kamjenjez, Kandia und Wiwar, ſind theils von mir ſelbſt, “theils durch meine Feldherren, dem Feinde entriſſen worden; und durch dieſe “Vormauern gedachte ich ſelbſt diejenigen Perſonen gegen alle feindlichen An- “faͤlle zu beſchuͤtzen, die ſeit dem durch ihren Reichthum, den ſie in ſo lange “gedauerten Friedenszeiten erworben, hochmuͤthig geworden ſind, und beſchloſ- “ſen Heldenmuͤthige Antwort des Sultans an die Aufruͤhrer.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/667>, abgerufen am 25.11.2024.