zu bringen. Die übrigen von dem Heere stunden in der Einbildung, der Weßir wäre mit Fleiß geflohen, damit es ihnen an einem Anführer fehlen, und sie folglich entweder dem Feinde bloßgestellet, oder genöthiget werden möchten, bey dem Sultane eine demüthige Abbitte zu thun; und ersuchten daher Sijawusch Pascha, das Amt des obersten Weßirs zu übernehmen. Dieser aber, damit er sich des Sultans Gunst erwerben möchte, weigerte sich, diese Ehre anzunehmen, und sagte: diese Würde könne von keinem Menschen in der Welt vergeben werden, außer dem Sultane allein. Er sey bisher ihr Beschützer gewesen, und habe sie gegen die Gewaltthätigkeit des Weßirs vertheidiget; dieses wolle er auch bleiben, bis sie nach Constantinopel kämen, und Gelegenheit hätten, dem Sul- tane ihre Beschwerden zu übergeben. Er sey nicht so gottlos, daß er sich unter- stehe, das geringste gegen einen unschuldigen Sultan zu unternehmen; als dessen ausnehmende Tugenden er allezeit verehret habe. Daher wolle er die Soldaten ermahnet haben, ehe sie einen Schritt weiter thäten, vorher eine Bittschrift an den Sultan zu senden, und dessen Antwort abzuwarten.
179.
Nachdem dieser Vorschlag von ihnen gutgeheißen worden war: soSijawusch Pa- scha klaget den Weßir im Na- men des gesam- ten Heeres als einen Ausreißer an. sendete Sijawusch Pascha im Namen des gesammten Heeres ein Aerßmähßär 89 an den Sultan, und that ihm darinnen zu wissen, daß die Truppen des olios- manischen Reichs beschlossen hätten, unter seiner Anführung nach Constantinopel zu kommen: nicht, einen Aufruhr gegen den Sultan zu erregen, oder das min- deste gegen dessen geheiligte Person zu unternehmen; sondern, weil sie, nach vorgegangenem schändlichen Verrath und Ausreißung des Weßirs, es für nöthig erachteten, von dem Sultane gegen denselben Gerechtigkeit zu fordern, und sich selbst von der Gefahr, darein sie durch den Weßir seyen verwickelt worden, zu befreyen. Der Sultan habe daher von ihnen nichts zu befürchten; sondern, wenn derselbe geneigt sey, diese Bewegungen ohne Aufschub zu stillen: so solle er nur den Kopf des Weßirs, als eines Ausreißers und Verräthers, in das Lager senden, und ihren Sold, den das Heer zu fordern habe, ihnen [Spaltenumbruch]
her Fels über das Gestade herüber hänget. Hier siehet man einen sehr niedlichen Palast, der vor diesem dem Fürsten von der Walachey, Serban Kantakuzenus, zugehörete.
89 Aerßmähßär] ist eine Bittschrift, die im Namen einer ganzen Landschaft oder [Spaltenumbruch] des gesammten Kriegesheeres dem Sultane oder Weßire übergeben wird: denn diejenige, die eine einzelne Person überreichet, wird Aerßuhal genennet; davon ich in einer der vorhergehenden Anmerkungen* gehandelt habe.
durch
* 494 S. 65 Anm.
3 Z 3
19. Muhaͤmmed der IIII
zu bringen. Die uͤbrigen von dem Heere ſtunden in der Einbildung, der Weßir waͤre mit Fleiß geflohen, damit es ihnen an einem Anfuͤhrer fehlen, und ſie folglich entweder dem Feinde bloßgeſtellet, oder genoͤthiget werden moͤchten, bey dem Sultane eine demuͤthige Abbitte zu thun; und erſuchten daher Sijawuſch Paſcha, das Amt des oberſten Weßirs zu uͤbernehmen. Dieſer aber, damit er ſich des Sultans Gunſt erwerben moͤchte, weigerte ſich, dieſe Ehre anzunehmen, und ſagte: dieſe Wuͤrde koͤnne von keinem Menſchen in der Welt vergeben werden, außer dem Sultane allein. Er ſey bisher ihr Beſchuͤtzer geweſen, und habe ſie gegen die Gewaltthaͤtigkeit des Weßirs vertheidiget; dieſes wolle er auch bleiben, bis ſie nach Conſtantinopel kaͤmen, und Gelegenheit haͤtten, dem Sul- tane ihre Beſchwerden zu uͤbergeben. Er ſey nicht ſo gottlos, daß er ſich unter- ſtehe, das geringſte gegen einen unſchuldigen Sultan zu unternehmen; als deſſen ausnehmende Tugenden er allezeit verehret habe. Daher wolle er die Soldaten ermahnet haben, ehe ſie einen Schritt weiter thaͤten, vorher eine Bittſchrift an den Sultan zu ſenden, und deſſen Antwort abzuwarten.
179.
Nachdem dieſer Vorſchlag von ihnen gutgeheißen worden war: ſoSijawuſch Pa- ſcha klaget den Weßir im Na- men des geſam- ten Heeres als einen Ausreißer an. ſendete Sijawuſch Paſcha im Namen des geſammten Heeres ein Aerßmaͤhßaͤr 89 an den Sultan, und that ihm darinnen zu wiſſen, daß die Truppen des olios- maniſchen Reichs beſchloſſen haͤtten, unter ſeiner Anfuͤhrung nach Conſtantinopel zu kommen: nicht, einen Aufruhr gegen den Sultan zu erregen, oder das min- deſte gegen deſſen geheiligte Perſon zu unternehmen; ſondern, weil ſie, nach vorgegangenem ſchaͤndlichen Verrath und Ausreißung des Weßirs, es fuͤr noͤthig erachteten, von dem Sultane gegen denſelben Gerechtigkeit zu fordern, und ſich ſelbſt von der Gefahr, darein ſie durch den Weßir ſeyen verwickelt worden, zu befreyen. Der Sultan habe daher von ihnen nichts zu befuͤrchten; ſondern, wenn derſelbe geneigt ſey, dieſe Bewegungen ohne Aufſchub zu ſtillen: ſo ſolle er nur den Kopf des Weßirs, als eines Ausreißers und Verraͤthers, in das Lager ſenden, und ihren Sold, den das Heer zu fordern habe, ihnen [Spaltenumbruch]
her Fels uͤber das Geſtade heruͤber haͤnget. Hier ſiehet man einen ſehr niedlichen Palaſt, der vor dieſem dem Fuͤrſten von der Walachey, Serban Kantakuzenus, zugehoͤrete.
89 Aerßmaͤhßaͤr] iſt eine Bittſchrift, die im Namen einer ganzen Landſchaft oder [Spaltenumbruch] des geſammten Kriegesheeres dem Sultane oder Weßire uͤbergeben wird: denn diejenige, die eine einzelne Perſon uͤberreichet, wird Aerßuhal genennet; davon ich in einer der vorhergehenden Anmerkungen* gehandelt habe.
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* 494 S. 65 Anm.
3 Z 3
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19. Muhaͤmmed der IIII
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waͤre mit Fleiß geflohen, damit es ihnen an einem Anfuͤhrer fehlen, und ſie folglich
entweder dem Feinde bloßgeſtellet, oder genoͤthiget werden moͤchten, bey dem
Sultane eine demuͤthige Abbitte zu thun; und erſuchten daher Sijawuſch
Paſcha, das Amt des oberſten Weßirs zu uͤbernehmen. Dieſer aber, damit er
ſich des Sultans Gunſt erwerben moͤchte, weigerte ſich, dieſe Ehre anzunehmen,
und ſagte: dieſe Wuͤrde koͤnne von keinem Menſchen in der Welt vergeben
werden, außer dem Sultane allein. Er ſey bisher ihr Beſchuͤtzer geweſen, und
habe ſie gegen die Gewaltthaͤtigkeit des Weßirs vertheidiget; dieſes wolle er auch
bleiben, bis ſie nach Conſtantinopel kaͤmen, und Gelegenheit haͤtten, dem Sul-
tane ihre Beſchwerden zu uͤbergeben. Er ſey nicht ſo gottlos, daß er ſich unter-
ſtehe, das geringſte gegen einen unſchuldigen Sultan zu unternehmen; als deſſen
ausnehmende Tugenden er allezeit verehret habe. Daher wolle er die Soldaten
ermahnet haben, ehe ſie einen Schritt weiter thaͤten, vorher eine Bittſchrift an
den Sultan zu ſenden, und deſſen Antwort abzuwarten.
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ſendete Sijawuſch Paſcha im Namen des geſammten Heeres ein Aerßmaͤhßaͤr
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an den Sultan, und that ihm darinnen zu wiſſen, daß die Truppen des olios-
maniſchen Reichs beſchloſſen haͤtten, unter ſeiner Anfuͤhrung nach Conſtantinopel
zu kommen: nicht, einen Aufruhr gegen den Sultan zu erregen, oder das min-
deſte gegen deſſen geheiligte Perſon zu unternehmen; ſondern, weil ſie, nach
vorgegangenem ſchaͤndlichen Verrath und Ausreißung des Weßirs, es fuͤr noͤthig
erachteten, von dem Sultane gegen denſelben Gerechtigkeit zu fordern, und ſich
ſelbſt von der Gefahr, darein ſie durch den Weßir ſeyen verwickelt worden,
zu befreyen. Der Sultan habe daher von ihnen nichts zu befuͤrchten; ſondern,
wenn derſelbe geneigt ſey, dieſe Bewegungen ohne Aufſchub zu ſtillen: ſo ſolle
er nur den Kopf des Weßirs, als eines Ausreißers und Verraͤthers, in
das Lager ſenden, und ihren Sold, den das Heer zu fordern habe, ihnen
durch
her Fels uͤber das Geſtade heruͤber haͤnget.
Hier ſiehet man einen ſehr niedlichen Palaſt,
der vor dieſem dem Fuͤrſten von der Walachey,
Serban Kantakuzenus, zugehoͤrete.
⁸⁹ Aerßmaͤhßaͤr] iſt eine Bittſchrift,
die im Namen einer ganzen Landſchaft oder
des geſammten Kriegesheeres dem Sultane
oder Weßire uͤbergeben wird: denn diejenige,
die eine einzelne Perſon uͤberreichet, wird
Aerßuhal genennet; davon ich in einer der
vorhergehenden Anmerkungen * gehandelt
habe.
Sijawuſch Pa-
ſcha klaget den
Weßir im Na-
men des geſam-
ten Heeres als
einen Ausreißer
an.
* 494 S. 65 Anm.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/657>, abgerufen am 16.02.2025.
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