dieses verließen auch die Besatzungen von Hatwan und den übrigen umliegenden Festungen ihre Posten, und ergaben sich für sich selbst an die Kaiserlichen.
139.
Weil es das Ansehen hatte, daß die Türken aus dieser Ursache einDie Kaiserli- chen theilen sich in zweene Hau- fen, unter Ca- raffa und dem Prinzen von Ba- den. Treffen zu vermeiden trachteten: so theilete der Herzog von Lothringen die kai- serliche Macht, und schickte einen Theil unter Befehlhabung des Prinzen von Baden nach Niederungarn, und einen andern unter Caraffas und Heuslers Anführung nach Oberungarn. Der Prinz von Baden belagerte mit seinen Truppen Simonthurn am achten des Monats Ssülkäde*, und nöthigte in we- nigen Tagen die türkische Besatzung, sich und die Festung auf Gnade und Un- gnade zu ergeben. Hierauf griff derselbe Kaposwiwar an, und eroberte die Stadt. Weil aber die Festung, allem Ansehen nach, eine längere Belagerung aushalten konnte, als die Zeit füritzo verstatten wollte: so plünderte er dieselbe, und verließ sie wiederum. Nachdem er sich daselbst einige Tage aufgehalten und frische Verstärkungsvölker bekommen hatte, die ihm Scherfenberg zuführete: so zog er auf Fünfkirchen zu, und langte am acht und zwanzigsten des Monats Ssülkäde2* mit seinen Vördertruppen im Gesichte der Stadt an. Die Be- satzung bildet sich ein, daß das ganze Heer angekommen wäre; sie stecket daher die Stadt in Brand, und ziehet sich in die Festung. Weil das Fußvolk des Prinzen von Baden noch ein Stück Weges zurück war: so lässet derselbe drey hundert seiner besten Reiter absteigen, um das Feuer zu löschen; das auch diese Soldaten, weil sie auf die Beute begierig waren, mit solcher Behendigkeit ver- richten, daß sie noch den größten Theil der Stadt von den Flammen retten. Als die Besatzung merket, daß nur ein Theil leichter Reiterey, und nicht die Hauptschar der Deutschen, angerücket sey: so bemühen sie sich, aus Scham und Reue wegen ihres Verlustes, die Stadt durch einen Ausfall wieder zu ge- winnen; sie werden aber gezwungen, sich mit Verlust wieder zurück zu ziehen. Damit aber doch die Türken die Schande, die sie sich durch ihre Flucht zugezo- gen hatten, wieder austilgen möchten: so entschließen sie sich, eine tapfere Ge- genwehre zu thun, und eher ihr Leben aufzuopfern, als die Festung zu überge- ben; und diesen ihren Entschluß thun sie dem Feinde dadurch zu wissen, daß sie eine schwarze und sechs rothe Fahnen auf einem Thurme der Festung aus- stecken. Nachdem aber ihre stärksten Werke durch das Geschütz darnieder ge- rissen waren: so brachte die Furcht vor dem bevorstehenden Tode ihnen gelin- dere Gedanken bey. Sie nahmen daher nicht nur ihre ausgesteckten Fahnen wieder herunter; sondern sendeten auch Abgeordneten an den Prinzen von Ba- den, und erboten sich gegen denselben, die Festung unter der Bedingung zu über-
geben,
* am funfzehenten September.
2* am fünften October.
3 U 2
19. Muhaͤmmed der IIII
dieſes verließen auch die Beſatzungen von Hatwan und den uͤbrigen umliegenden Feſtungen ihre Poſten, und ergaben ſich fuͤr ſich ſelbſt an die Kaiſerlichen.
139.
Weil es das Anſehen hatte, daß die Tuͤrken aus dieſer Urſache einDie Kaiſerli- chen theilen ſich in zweene Hau- fen, unter Ca- raffa und dem Prinzen von Ba- den. Treffen zu vermeiden trachteten: ſo theilete der Herzog von Lothringen die kai- ſerliche Macht, und ſchickte einen Theil unter Befehlhabung des Prinzen von Baden nach Niederungarn, und einen andern unter Caraffas und Heuslers Anfuͤhrung nach Oberungarn. Der Prinz von Baden belagerte mit ſeinen Truppen Simonthurn am achten des Monats Sſuͤlkaͤde*, und noͤthigte in we- nigen Tagen die tuͤrkiſche Beſatzung, ſich und die Feſtung auf Gnade und Un- gnade zu ergeben. Hierauf griff derſelbe Kaposwiwar an, und eroberte die Stadt. Weil aber die Feſtung, allem Anſehen nach, eine laͤngere Belagerung aushalten konnte, als die Zeit fuͤritzo verſtatten wollte: ſo pluͤnderte er dieſelbe, und verließ ſie wiederum. Nachdem er ſich daſelbſt einige Tage aufgehalten und friſche Verſtaͤrkungsvoͤlker bekommen hatte, die ihm Scherfenberg zufuͤhrete: ſo zog er auf Fuͤnfkirchen zu, und langte am acht und zwanzigſten des Monats Sſuͤlkaͤde2* mit ſeinen Voͤrdertruppen im Geſichte der Stadt an. Die Be- ſatzung bildet ſich ein, daß das ganze Heer angekommen waͤre; ſie ſtecket daher die Stadt in Brand, und ziehet ſich in die Feſtung. Weil das Fußvolk des Prinzen von Baden noch ein Stuͤck Weges zuruͤck war: ſo laͤſſet derſelbe drey hundert ſeiner beſten Reiter abſteigen, um das Feuer zu loͤſchen; das auch dieſe Soldaten, weil ſie auf die Beute begierig waren, mit ſolcher Behendigkeit ver- richten, daß ſie noch den groͤßten Theil der Stadt von den Flammen retten. Als die Beſatzung merket, daß nur ein Theil leichter Reiterey, und nicht die Hauptſchar der Deutſchen, angeruͤcket ſey: ſo bemuͤhen ſie ſich, aus Scham und Reue wegen ihres Verluſtes, die Stadt durch einen Ausfall wieder zu ge- winnen; ſie werden aber gezwungen, ſich mit Verluſt wieder zuruͤck zu ziehen. Damit aber doch die Tuͤrken die Schande, die ſie ſich durch ihre Flucht zugezo- gen hatten, wieder austilgen moͤchten: ſo entſchließen ſie ſich, eine tapfere Ge- genwehre zu thun, und eher ihr Leben aufzuopfern, als die Feſtung zu uͤberge- ben; und dieſen ihren Entſchluß thun ſie dem Feinde dadurch zu wiſſen, daß ſie eine ſchwarze und ſechs rothe Fahnen auf einem Thurme der Feſtung aus- ſtecken. Nachdem aber ihre ſtaͤrkſten Werke durch das Geſchuͤtz darnieder ge- riſſen waren: ſo brachte die Furcht vor dem bevorſtehenden Tode ihnen gelin- dere Gedanken bey. Sie nahmen daher nicht nur ihre ausgeſteckten Fahnen wieder herunter; ſondern ſendeten auch Abgeordneten an den Prinzen von Ba- den, und erboten ſich gegen denſelben, die Feſtung unter der Bedingung zu uͤber-
geben,
* am funfzehenten September.
2* am fuͤnften October.
3 U 2
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19. Muhaͤmmed der IIII
dieſes verließen auch die Beſatzungen von Hatwan und den uͤbrigen umliegenden
Feſtungen ihre Poſten, und ergaben ſich fuͤr ſich ſelbſt an die Kaiſerlichen.
139. Weil es das Anſehen hatte, daß die Tuͤrken aus dieſer Urſache ein
Treffen zu vermeiden trachteten: ſo theilete der Herzog von Lothringen die kai-
ſerliche Macht, und ſchickte einen Theil unter Befehlhabung des Prinzen von
Baden nach Niederungarn, und einen andern unter Caraffas und Heuslers
Anfuͤhrung nach Oberungarn. Der Prinz von Baden belagerte mit ſeinen
Truppen Simonthurn am achten des Monats Sſuͤlkaͤde *, und noͤthigte in we-
nigen Tagen die tuͤrkiſche Beſatzung, ſich und die Feſtung auf Gnade und Un-
gnade zu ergeben. Hierauf griff derſelbe Kaposwiwar an, und eroberte die
Stadt. Weil aber die Feſtung, allem Anſehen nach, eine laͤngere Belagerung
aushalten konnte, als die Zeit fuͤritzo verſtatten wollte: ſo pluͤnderte er dieſelbe,
und verließ ſie wiederum. Nachdem er ſich daſelbſt einige Tage aufgehalten
und friſche Verſtaͤrkungsvoͤlker bekommen hatte, die ihm Scherfenberg zufuͤhrete:
ſo zog er auf Fuͤnfkirchen zu, und langte am acht und zwanzigſten des Monats
Sſuͤlkaͤde 2* mit ſeinen Voͤrdertruppen im Geſichte der Stadt an. Die Be-
ſatzung bildet ſich ein, daß das ganze Heer angekommen waͤre; ſie ſtecket daher
die Stadt in Brand, und ziehet ſich in die Feſtung. Weil das Fußvolk des
Prinzen von Baden noch ein Stuͤck Weges zuruͤck war: ſo laͤſſet derſelbe drey
hundert ſeiner beſten Reiter abſteigen, um das Feuer zu loͤſchen; das auch dieſe
Soldaten, weil ſie auf die Beute begierig waren, mit ſolcher Behendigkeit ver-
richten, daß ſie noch den groͤßten Theil der Stadt von den Flammen retten.
Als die Beſatzung merket, daß nur ein Theil leichter Reiterey, und nicht die
Hauptſchar der Deutſchen, angeruͤcket ſey: ſo bemuͤhen ſie ſich, aus Scham
und Reue wegen ihres Verluſtes, die Stadt durch einen Ausfall wieder zu ge-
winnen; ſie werden aber gezwungen, ſich mit Verluſt wieder zuruͤck zu ziehen.
Damit aber doch die Tuͤrken die Schande, die ſie ſich durch ihre Flucht zugezo-
gen hatten, wieder austilgen moͤchten: ſo entſchließen ſie ſich, eine tapfere Ge-
genwehre zu thun, und eher ihr Leben aufzuopfern, als die Feſtung zu uͤberge-
ben; und dieſen ihren Entſchluß thun ſie dem Feinde dadurch zu wiſſen, daß
ſie eine ſchwarze und ſechs rothe Fahnen auf einem Thurme der Feſtung aus-
ſtecken. Nachdem aber ihre ſtaͤrkſten Werke durch das Geſchuͤtz darnieder ge-
riſſen waren: ſo brachte die Furcht vor dem bevorſtehenden Tode ihnen gelin-
dere Gedanken bey. Sie nahmen daher nicht nur ihre ausgeſteckten Fahnen
wieder herunter; ſondern ſendeten auch Abgeordneten an den Prinzen von Ba-
den, und erboten ſich gegen denſelben, die Feſtung unter der Bedingung zu uͤber-
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Die Kaiſerli-
chen theilen ſich
in zweene Hau-
fen, unter Ca-
raffa und dem
Prinzen von Ba-
den.
* am funfzehenten September.
2* am fuͤnften October.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/631>, abgerufen am 22.11.2024.
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