"Denn sie würden nicht den mindesten Vortheil davon ziehen, gesetzt, sie ver- "wüsteten die Moldau zehen Jahre hinter einander, wenn sie nicht diesen Dorn "sich vorher aus dem Fuße zögen. Wenn es sich begeben sollte, daß sie von "den Türken geschlagen würden: so würde man ihnen alle Rückkehre abschnei- "den; wie sie es im verwichenen Jahre genugsam erfahren haben. Und wenn "sie auch einen oder den andern Sieg erhielten: so würden sie doch keinen Fuß- "breit Landes mehr gewinnen, so lange die Türken diese Festung im Besitze "hätten. Durch diesen Einbruch in Moldau würden sie nur die unglückseligen "Einwohner der Gefangenschaft und Marter der Tatarn und Türken bloß- "stellen. Er selbst könne zwar, wenn sie über den Dnjester gingen, sich ihnen "nicht widersetzen; er sey aber durch Bedrohung der schweresten Strafe genö- "thiget, sich unverzüglich in dem türkischen Lager einzufinden, und sein Für- "stenthum gegen den Feind nach äußersten Kräften zu vertheidigen."
die aber von den polnischen Feldherren hoch- müthiger Weise verworfen wer-den.
121.
Allein, die Feldherren verachten den heilsamen Rath des Fürsten, und geben demselben zur Antwort: "sie haben Befehl von ihrem Könige, "daß sie sich bestreben sollten, sich von Moldau Meister zu machen; und kön- "nen daher ihren vorgeschriebenen Zug nicht ändern. Die Belagerung von "Kamjenjez sey eine schwere und unnöthige Sache; denn die Besatzung werde, "nachdem das Land um sie herum eingenommen worden, ihre Wälle ohne Le- "bensmittel nicht vertheidigen können, und in Ermangelung derselben die Stadt "schon für sich selbst verlassen. Sie haben keine Furcht, von den Türken ge- "schlagen zu werden; denn sie führen ein so zahlreiches und wohlgeübtes Krie- "gesheer unter ihren Fahnen, daß sie glauben, mit demselben gegen die Macht "des gesammten türkischen Reiches gesichert zu seyn. Sie rathen ihm daher "nochmals an, seine Truppen in des Königes Lager zu führen, und mit verei- "nigten Kräften sich zu bemühen, den Feind Christi und der Christen aus sei- "nem Lande zu vertreiben. Wenn er dieses abschlage: so haben sie Befehl, "ihre Waffen, so wie gegen die Türken, also auch gegen ihn, da er ihr Bunds- "genosse sey, zu kehren, und das Land mit Feuer und Schwerte zu verwüsten."
Die Polen ge- hen über den Dnjester, und fallen in Mol-dau ein.
122.
Sie erwarten auch hierauf keine weitere Antwort; sondern schla- gen eine Brücke über den Dnjester, und dringen mit ihrem ganzen Heere in Moldau ein. Sie waren aber noch nicht weit gekommen: so trafen sie schon bey dem Dorfe, Bojan genennet, Ajnadschi Sülejman Pascha mit fünf und zwanzig tausend Türken, und Selim Gjiraj Chan mit funfzig tausend Tatarn an, denen der Fürst von Moldau mit fünf tausend Mann nachfolgte. Als beyde Heere nahe an einander kommen: so halten sie beyderseits stille, und befe- stigen ihr Lager
123. So
Osmaniſche Geſchichte
“Denn ſie wuͤrden nicht den mindeſten Vortheil davon ziehen, geſetzt, ſie ver- “wuͤſteten die Moldau zehen Jahre hinter einander, wenn ſie nicht dieſen Dorn “ſich vorher aus dem Fuße zoͤgen. Wenn es ſich begeben ſollte, daß ſie von “den Tuͤrken geſchlagen wuͤrden: ſo wuͤrde man ihnen alle Ruͤckkehre abſchnei- “den; wie ſie es im verwichenen Jahre genugſam erfahren haben. Und wenn “ſie auch einen oder den andern Sieg erhielten: ſo wuͤrden ſie doch keinen Fuß- “breit Landes mehr gewinnen, ſo lange die Tuͤrken dieſe Feſtung im Beſitze “haͤtten. Durch dieſen Einbruch in Moldau wuͤrden ſie nur die ungluͤckſeligen “Einwohner der Gefangenſchaft und Marter der Tatarn und Tuͤrken bloß- “ſtellen. Er ſelbſt koͤnne zwar, wenn ſie uͤber den Dnjeſter gingen, ſich ihnen “nicht widerſetzen; er ſey aber durch Bedrohung der ſchwereſten Strafe genoͤ- “thiget, ſich unverzuͤglich in dem tuͤrkiſchen Lager einzufinden, und ſein Fuͤr- “ſtenthum gegen den Feind nach aͤußerſten Kraͤften zu vertheidigen.„
die aber von den polniſchen Feldherren hoch- muͤthiger Weiſe verworfen wer-den.
121.
Allein, die Feldherren verachten den heilſamen Rath des Fuͤrſten, und geben demſelben zur Antwort: “ſie haben Befehl von ihrem Koͤnige, “daß ſie ſich beſtreben ſollten, ſich von Moldau Meiſter zu machen; und koͤn- “nen daher ihren vorgeſchriebenen Zug nicht aͤndern. Die Belagerung von “Kamjenjez ſey eine ſchwere und unnoͤthige Sache; denn die Beſatzung werde, “nachdem das Land um ſie herum eingenommen worden, ihre Waͤlle ohne Le- “bensmittel nicht vertheidigen koͤnnen, und in Ermangelung derſelben die Stadt “ſchon fuͤr ſich ſelbſt verlaſſen. Sie haben keine Furcht, von den Tuͤrken ge- “ſchlagen zu werden; denn ſie fuͤhren ein ſo zahlreiches und wohlgeuͤbtes Krie- “gesheer unter ihren Fahnen, daß ſie glauben, mit demſelben gegen die Macht “des geſammten tuͤrkiſchen Reiches geſichert zu ſeyn. Sie rathen ihm daher “nochmals an, ſeine Truppen in des Koͤniges Lager zu fuͤhren, und mit verei- “nigten Kraͤften ſich zu bemuͤhen, den Feind Chriſti und der Chriſten aus ſei- “nem Lande zu vertreiben. Wenn er dieſes abſchlage: ſo haben ſie Befehl, “ihre Waffen, ſo wie gegen die Tuͤrken, alſo auch gegen ihn, da er ihr Bunds- “genoſſe ſey, zu kehren, und das Land mit Feuer und Schwerte zu verwuͤſten.„
Die Polen ge- hen uͤber den Dnjeſter, und fallen in Mol-dau ein.
122.
Sie erwarten auch hierauf keine weitere Antwort; ſondern ſchla- gen eine Bruͤcke uͤber den Dnjeſter, und dringen mit ihrem ganzen Heere in Moldau ein. Sie waren aber noch nicht weit gekommen: ſo trafen ſie ſchon bey dem Dorfe, Bojan genennet, Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha mit fuͤnf und zwanzig tauſend Tuͤrken, und Selim Gjiraj Chan mit funfzig tauſend Tatarn an, denen der Fuͤrſt von Moldau mit fuͤnf tauſend Mann nachfolgte. Als beyde Heere nahe an einander kommen: ſo halten ſie beyderſeits ſtille, und befe- ſtigen ihr Lager
123. So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0618"n="510"/><fwplace="top"type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/>“Denn ſie wuͤrden nicht den mindeſten Vortheil davon ziehen, geſetzt, ſie ver-<lb/>“wuͤſteten die Moldau zehen Jahre hinter einander, wenn ſie nicht dieſen Dorn<lb/>“ſich vorher aus dem Fuße zoͤgen. Wenn es ſich begeben ſollte, daß ſie von<lb/>“den Tuͤrken geſchlagen wuͤrden: ſo wuͤrde man ihnen alle Ruͤckkehre abſchnei-<lb/>“den; wie ſie es im verwichenen Jahre genugſam erfahren haben. Und wenn<lb/>“ſie auch einen oder den andern Sieg erhielten: ſo wuͤrden ſie doch keinen Fuß-<lb/>“breit Landes mehr gewinnen, ſo lange die Tuͤrken dieſe Feſtung im Beſitze<lb/>“haͤtten. Durch dieſen Einbruch in Moldau wuͤrden ſie nur die ungluͤckſeligen<lb/>“Einwohner der Gefangenſchaft und Marter der Tatarn und Tuͤrken bloß-<lb/>“ſtellen. Er ſelbſt koͤnne zwar, wenn ſie uͤber den Dnjeſter gingen, ſich ihnen<lb/>“nicht widerſetzen; er ſey aber durch Bedrohung der ſchwereſten Strafe genoͤ-<lb/>“thiget, ſich unverzuͤglich in dem tuͤrkiſchen Lager einzufinden, und ſein Fuͤr-<lb/>“ſtenthum gegen den Feind nach aͤußerſten Kraͤften zu vertheidigen.„</p><lb/><noteplace="left">die aber von<lb/>
den polniſchen<lb/>
Feldherren hoch-<lb/>
muͤthiger Weiſe<lb/>
verworfen wer-den.</note></div><lb/><divn="3"><head>121.</head><p>Allein, die Feldherren verachten den heilſamen Rath des Fuͤrſten,<lb/>
und geben demſelben zur Antwort: “ſie haben Befehl von ihrem Koͤnige,<lb/>“daß ſie ſich beſtreben ſollten, ſich von Moldau Meiſter zu machen; und koͤn-<lb/>“nen daher ihren vorgeſchriebenen Zug nicht aͤndern. Die Belagerung von<lb/>“Kamjenjez ſey eine ſchwere und unnoͤthige Sache; denn die Beſatzung werde,<lb/>“nachdem das Land um ſie herum eingenommen worden, ihre Waͤlle ohne Le-<lb/>“bensmittel nicht vertheidigen koͤnnen, und in Ermangelung derſelben die Stadt<lb/>“ſchon fuͤr ſich ſelbſt verlaſſen. Sie haben keine Furcht, von den Tuͤrken ge-<lb/>“ſchlagen zu werden; denn ſie fuͤhren ein ſo zahlreiches und wohlgeuͤbtes Krie-<lb/>“gesheer unter ihren Fahnen, daß ſie glauben, mit demſelben gegen die Macht<lb/>“des geſammten tuͤrkiſchen Reiches geſichert zu ſeyn. Sie rathen ihm daher<lb/>“nochmals an, ſeine Truppen in des Koͤniges Lager zu fuͤhren, und mit verei-<lb/>“nigten Kraͤften ſich zu bemuͤhen, den Feind Chriſti und der Chriſten aus ſei-<lb/>“nem Lande zu vertreiben. Wenn er dieſes abſchlage: ſo haben ſie Befehl,<lb/>“ihre Waffen, ſo wie gegen die Tuͤrken, alſo auch gegen ihn, da er ihr Bunds-<lb/>“genoſſe ſey, zu kehren, und das Land mit Feuer und Schwerte zu verwuͤſten.„</p><lb/><noteplace="left">Die Polen ge-<lb/>
hen uͤber den<lb/>
Dnjeſter, und<lb/>
fallen in Mol-dau ein.</note></div><lb/><divn="3"><head>122.</head><p>Sie erwarten auch hierauf keine weitere Antwort; ſondern ſchla-<lb/>
gen eine Bruͤcke uͤber den Dnjeſter, und dringen mit ihrem ganzen Heere in<lb/>
Moldau ein. Sie waren aber noch nicht weit gekommen: ſo trafen ſie ſchon<lb/>
bey dem Dorfe, Bojan genennet, Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha mit fuͤnf und<lb/>
zwanzig tauſend Tuͤrken, und Selim Gjiraj Chan mit funfzig tauſend Tatarn<lb/>
an, denen der Fuͤrſt von Moldau mit fuͤnf tauſend Mann nachfolgte. Als<lb/>
beyde Heere nahe an einander kommen: ſo halten ſie beyderſeits ſtille, und befe-<lb/>ſtigen ihr Lager</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">123. So</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[510/0618]
Osmaniſche Geſchichte
“Denn ſie wuͤrden nicht den mindeſten Vortheil davon ziehen, geſetzt, ſie ver-
“wuͤſteten die Moldau zehen Jahre hinter einander, wenn ſie nicht dieſen Dorn
“ſich vorher aus dem Fuße zoͤgen. Wenn es ſich begeben ſollte, daß ſie von
“den Tuͤrken geſchlagen wuͤrden: ſo wuͤrde man ihnen alle Ruͤckkehre abſchnei-
“den; wie ſie es im verwichenen Jahre genugſam erfahren haben. Und wenn
“ſie auch einen oder den andern Sieg erhielten: ſo wuͤrden ſie doch keinen Fuß-
“breit Landes mehr gewinnen, ſo lange die Tuͤrken dieſe Feſtung im Beſitze
“haͤtten. Durch dieſen Einbruch in Moldau wuͤrden ſie nur die ungluͤckſeligen
“Einwohner der Gefangenſchaft und Marter der Tatarn und Tuͤrken bloß-
“ſtellen. Er ſelbſt koͤnne zwar, wenn ſie uͤber den Dnjeſter gingen, ſich ihnen
“nicht widerſetzen; er ſey aber durch Bedrohung der ſchwereſten Strafe genoͤ-
“thiget, ſich unverzuͤglich in dem tuͤrkiſchen Lager einzufinden, und ſein Fuͤr-
“ſtenthum gegen den Feind nach aͤußerſten Kraͤften zu vertheidigen.„
121. Allein, die Feldherren verachten den heilſamen Rath des Fuͤrſten,
und geben demſelben zur Antwort: “ſie haben Befehl von ihrem Koͤnige,
“daß ſie ſich beſtreben ſollten, ſich von Moldau Meiſter zu machen; und koͤn-
“nen daher ihren vorgeſchriebenen Zug nicht aͤndern. Die Belagerung von
“Kamjenjez ſey eine ſchwere und unnoͤthige Sache; denn die Beſatzung werde,
“nachdem das Land um ſie herum eingenommen worden, ihre Waͤlle ohne Le-
“bensmittel nicht vertheidigen koͤnnen, und in Ermangelung derſelben die Stadt
“ſchon fuͤr ſich ſelbſt verlaſſen. Sie haben keine Furcht, von den Tuͤrken ge-
“ſchlagen zu werden; denn ſie fuͤhren ein ſo zahlreiches und wohlgeuͤbtes Krie-
“gesheer unter ihren Fahnen, daß ſie glauben, mit demſelben gegen die Macht
“des geſammten tuͤrkiſchen Reiches geſichert zu ſeyn. Sie rathen ihm daher
“nochmals an, ſeine Truppen in des Koͤniges Lager zu fuͤhren, und mit verei-
“nigten Kraͤften ſich zu bemuͤhen, den Feind Chriſti und der Chriſten aus ſei-
“nem Lande zu vertreiben. Wenn er dieſes abſchlage: ſo haben ſie Befehl,
“ihre Waffen, ſo wie gegen die Tuͤrken, alſo auch gegen ihn, da er ihr Bunds-
“genoſſe ſey, zu kehren, und das Land mit Feuer und Schwerte zu verwuͤſten.„
122. Sie erwarten auch hierauf keine weitere Antwort; ſondern ſchla-
gen eine Bruͤcke uͤber den Dnjeſter, und dringen mit ihrem ganzen Heere in
Moldau ein. Sie waren aber noch nicht weit gekommen: ſo trafen ſie ſchon
bey dem Dorfe, Bojan genennet, Ajnadſchi Suͤlejman Paſcha mit fuͤnf und
zwanzig tauſend Tuͤrken, und Selim Gjiraj Chan mit funfzig tauſend Tatarn
an, denen der Fuͤrſt von Moldau mit fuͤnf tauſend Mann nachfolgte. Als
beyde Heere nahe an einander kommen: ſo halten ſie beyderſeits ſtille, und befe-
ſtigen ihr Lager
123. So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/618>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.