sich das Schicksal seines Vorfahrers zur Warnung dienen lassen, und dem osma- nischen Reiche mit mehrerer Treue dienen; auch sich bestreben, daß er wegen des Schimpfes, den dasselbe von dem Feinde erlitten, scharfe Rache ausübete. Allein, die unvorsichtige Aufführung Kara Mustäfa Paschas hatte dem osma- nischen Reiche, das nunmehr in seinem Abnehmen war, allzuviele Feinde auf den Hals geladen, mit denen es itzo zu fechten hatte. Es hatte derselbe eine so große Meinung von der Macht der Türken gefasset, daß er zu der Zeit, als er die Unternehmung gegen Wien bey sich beschloß, sich nicht einmal in den Sinn kommen ließe, die andern christlichen Fürsten von des Feindes Partey abzuzie- hen und auf seine Seite zu bringen; sondern dieselben über dieses vielfältig be- leidigte: eben als wenn er noch nöthig hätte sie zu reizen, daß sie den Krieg gegen das osmanische Reich erkläreten.
Gelegenheit zum Friedens- bruche mit der Republik Vene-dig.
97.
Peter Ciurani war als venetianischer Abgesandter oder Bailos mit zweyen Kriegsschiffen und drey Kauffahrteyschiffen zu Constantinopel angelan- get, und hatte, nachdem er an das Land gestiegen war, Befehl gegeben, daß man die Güter, die er mitgebracht hatte, nach seinem Hause führen sollte. Gjümrükjtschi 64 aber, der aus der Menge derselben argwohnete, daß die Wa- ren gewissen Kaufleuten, und nicht dem Gesandten, zugehöreten, durchsuchte die Schiffe; und weil er bey genauer Besichtigung befand, daß ein großer Theil der Ladung an Kaufleute gestellet war, die sich weigerten, den Zoll zu bezahlen: so ließ er dieselben, dem Gesandtenrechte zuwider, wegnehmen, und befahl, sie in des Sultans Packhäuser zu bringen. Der Bailos bemühete sich anfangs, durch Vorstellungen, dasjenige, was man ihm genommen hatte, wieder zu er- langen; und bewiese aus öffentlichen Urkunden, daß nicht allein seine Vorfah- rer, sondern auch alle ausländischen Gesandten, die Freyheit genossen hätten, [Spaltenumbruch]
Durch diese Mittel würde er sich lange in dem Besitze seiner Ehrenstelle erhalten haben: wenn nicht das Glück selbst zur damaligen Zeit sich gegen die türkischen Sachen auf solche Art feindselig erzeiget hätte, daß es dessen Tugen- den verhehlet; seine Fehler aber dem Sultane entdecket hätte, und dieses durch Sülejman Pascha.
64 Gjümrükjtschi] oder Gjümrükj Emi- ni, ist der Zolleinnehmer, von dessen Amte [Spaltenumbruch] bereits im ersten Theile Nachricht gegeben worden ist*. Die Benennung scheinet ihren Ursprung von dem heutigen griechischen Worte [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] zu haben, das, wie ich dafür halte, eine Verderbung des italienischen Wor- tes Commerciario ist.
65 Aerßuhal] Dieses Wort heißet ei- gentlich, die Vorstellung einer Sache. Es ist dieses der Name derjenigen Bittschriften, die dem Weßire in dem Diwan von Rechtssachen
was
* 219 S. 7 Anm.
Osmaniſche Geſchichte
ſich das Schickſal ſeines Vorfahrers zur Warnung dienen laſſen, und dem osma- niſchen Reiche mit mehrerer Treue dienen; auch ſich beſtreben, daß er wegen des Schimpfes, den daſſelbe von dem Feinde erlitten, ſcharfe Rache ausuͤbete. Allein, die unvorſichtige Auffuͤhrung Kara Muſtaͤfa Paſchas hatte dem osma- niſchen Reiche, das nunmehr in ſeinem Abnehmen war, allzuviele Feinde auf den Hals geladen, mit denen es itzo zu fechten hatte. Es hatte derſelbe eine ſo große Meinung von der Macht der Tuͤrken gefaſſet, daß er zu der Zeit, als er die Unternehmung gegen Wien bey ſich beſchloß, ſich nicht einmal in den Sinn kommen ließe, die andern chriſtlichen Fuͤrſten von des Feindes Partey abzuzie- hen und auf ſeine Seite zu bringen; ſondern dieſelben uͤber dieſes vielfaͤltig be- leidigte: eben als wenn er noch noͤthig haͤtte ſie zu reizen, daß ſie den Krieg gegen das osmaniſche Reich erklaͤreten.
Gelegenheit zum Friedens- bruche mit der Republik Vene-dig.
97.
Peter Ciurani war als venetianiſcher Abgeſandter oder Bailos mit zweyen Kriegsſchiffen und drey Kauffahrteyſchiffen zu Conſtantinopel angelan- get, und hatte, nachdem er an das Land geſtiegen war, Befehl gegeben, daß man die Guͤter, die er mitgebracht hatte, nach ſeinem Hauſe fuͤhren ſollte. Gjuͤmruͤkjtſchi 64 aber, der aus der Menge derſelben argwohnete, daß die Wa- ren gewiſſen Kaufleuten, und nicht dem Geſandten, zugehoͤreten, durchſuchte die Schiffe; und weil er bey genauer Beſichtigung befand, daß ein großer Theil der Ladung an Kaufleute geſtellet war, die ſich weigerten, den Zoll zu bezahlen: ſo ließ er dieſelben, dem Geſandtenrechte zuwider, wegnehmen, und befahl, ſie in des Sultans Packhaͤuſer zu bringen. Der Bailos bemuͤhete ſich anfangs, durch Vorſtellungen, dasjenige, was man ihm genommen hatte, wieder zu er- langen; und bewieſe aus oͤffentlichen Urkunden, daß nicht allein ſeine Vorfah- rer, ſondern auch alle auslaͤndiſchen Geſandten, die Freyheit genoſſen haͤtten, [Spaltenumbruch]
Durch dieſe Mittel wuͤrde er ſich lange in dem Beſitze ſeiner Ehrenſtelle erhalten haben: wenn nicht das Gluͤck ſelbſt zur damaligen Zeit ſich gegen die tuͤrkiſchen Sachen auf ſolche Art feindſelig erzeiget haͤtte, daß es deſſen Tugen- den verhehlet; ſeine Fehler aber dem Sultane entdecket haͤtte, und dieſes durch Suͤlejman Paſcha.
64 Gjuͤmruͤkjtſchi] oder Gjuͤmruͤkj Emi- ni, iſt der Zolleinnehmer, von deſſen Amte [Spaltenumbruch] bereits im erſten Theile Nachricht gegeben worden iſt*. Die Benennung ſcheinet ihren Urſprung von dem heutigen griechiſchen Worte [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] zu haben, das, wie ich dafuͤr halte, eine Verderbung des italieniſchen Wor- tes Commerciario iſt.
65 Aerßuhal] Dieſes Wort heißet ei- gentlich, die Vorſtellung einer Sache. Es iſt dieſes der Name derjenigen Bittſchriften, die dem Weßire in dem Diwan von Rechtsſachen
was
* 219 S. 7 Anm.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0602"n="494"/><fwplace="top"type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/>ſich das Schickſal ſeines Vorfahrers zur Warnung dienen laſſen, und dem osma-<lb/>
niſchen Reiche mit mehrerer Treue dienen; auch ſich beſtreben, daß er wegen<lb/>
des Schimpfes, den daſſelbe von dem Feinde erlitten, ſcharfe Rache ausuͤbete.<lb/>
Allein, die unvorſichtige Auffuͤhrung Kara Muſtaͤfa Paſchas hatte dem osma-<lb/>
niſchen Reiche, das nunmehr in ſeinem Abnehmen war, allzuviele Feinde auf<lb/>
den Hals geladen, mit denen es itzo zu fechten hatte. Es hatte derſelbe eine ſo<lb/>
große Meinung von der Macht der Tuͤrken gefaſſet, daß er zu der Zeit, als er<lb/>
die Unternehmung gegen Wien bey ſich beſchloß, ſich nicht einmal in den Sinn<lb/>
kommen ließe, die andern chriſtlichen Fuͤrſten von des Feindes Partey abzuzie-<lb/>
hen und auf ſeine Seite zu bringen; ſondern dieſelben uͤber dieſes vielfaͤltig be-<lb/>
leidigte: eben als wenn er noch noͤthig haͤtte ſie zu reizen, daß ſie den Krieg<lb/>
gegen das osmaniſche Reich erklaͤreten.</p><lb/><noteplace="left">Gelegenheit<lb/>
zum Friedens-<lb/>
bruche mit der<lb/>
Republik Vene-dig.</note></div><lb/><divn="3"><head>97.</head><p>Peter Ciurani war als venetianiſcher Abgeſandter oder Bailos mit<lb/>
zweyen Kriegsſchiffen und drey Kauffahrteyſchiffen zu Conſtantinopel angelan-<lb/>
get, und hatte, nachdem er an das Land geſtiegen war, Befehl gegeben, daß<lb/>
man die Guͤter, die er mitgebracht hatte, nach ſeinem Hauſe fuͤhren ſollte.<lb/>
Gjuͤmruͤkjtſchi <noteplace="end"n="64"/> aber, der aus der Menge derſelben argwohnete, daß die Wa-<lb/>
ren gewiſſen Kaufleuten, und nicht dem Geſandten, zugehoͤreten, durchſuchte<lb/>
die Schiffe; und weil er bey genauer Beſichtigung befand, daß ein großer Theil<lb/>
der Ladung an Kaufleute geſtellet war, die ſich weigerten, den Zoll zu bezahlen:<lb/>ſo ließ er dieſelben, dem Geſandtenrechte zuwider, wegnehmen, und befahl, ſie<lb/>
in des Sultans Packhaͤuſer zu bringen. Der Bailos bemuͤhete ſich anfangs,<lb/>
durch Vorſtellungen, dasjenige, was man ihm genommen hatte, wieder zu er-<lb/>
langen; und bewieſe aus oͤffentlichen Urkunden, daß nicht allein ſeine Vorfah-<lb/>
rer, ſondern auch alle auslaͤndiſchen Geſandten, die Freyheit genoſſen haͤtten,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">was</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><notexml:id="J602"prev="#J601"place="end">Durch dieſe Mittel wuͤrde er ſich lange in dem<lb/>
Beſitze ſeiner Ehrenſtelle erhalten haben:<lb/>
wenn nicht das Gluͤck ſelbſt zur damaligen Zeit<lb/>ſich gegen die tuͤrkiſchen Sachen auf ſolche Art<lb/>
feindſelig erzeiget haͤtte, daß es deſſen Tugen-<lb/>
den verhehlet; ſeine Fehler aber dem Sultane<lb/>
entdecket haͤtte, und dieſes durch Suͤlejman<lb/>
Paſcha.</note><lb/><noteplace="end"n="64">Gjuͤmruͤkjtſchi] oder Gjuͤmruͤkj Emi-<lb/>
ni, iſt der Zolleinnehmer, von deſſen Amte<lb/><cbn="2"/><lb/>
bereits im erſten Theile Nachricht gegeben<lb/>
worden iſt<noteplace="foot"n="*">219 S. 7 Anm.</note>. Die Benennung ſcheinet ihren<lb/>
Urſprung von dem heutigen griechiſchen Worte<lb/><gapreason="fm"unit="chars"/> zu haben, das, wie ich dafuͤr<lb/>
halte, eine Verderbung des italieniſchen Wor-<lb/>
tes <hirendition="#aq">Commerciario</hi> iſt.</note><lb/><notexml:id="K602"next="#K603"place="end"n="65">Aerßuhal] Dieſes Wort heißet ei-<lb/>
gentlich, die Vorſtellung einer Sache. Es iſt<lb/>
dieſes der Name derjenigen Bittſchriften, die<lb/>
dem Weßire in dem Diwan von Rechtsſachen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">uͤber-</fw></note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[494/0602]
Osmaniſche Geſchichte
ſich das Schickſal ſeines Vorfahrers zur Warnung dienen laſſen, und dem osma-
niſchen Reiche mit mehrerer Treue dienen; auch ſich beſtreben, daß er wegen
des Schimpfes, den daſſelbe von dem Feinde erlitten, ſcharfe Rache ausuͤbete.
Allein, die unvorſichtige Auffuͤhrung Kara Muſtaͤfa Paſchas hatte dem osma-
niſchen Reiche, das nunmehr in ſeinem Abnehmen war, allzuviele Feinde auf
den Hals geladen, mit denen es itzo zu fechten hatte. Es hatte derſelbe eine ſo
große Meinung von der Macht der Tuͤrken gefaſſet, daß er zu der Zeit, als er
die Unternehmung gegen Wien bey ſich beſchloß, ſich nicht einmal in den Sinn
kommen ließe, die andern chriſtlichen Fuͤrſten von des Feindes Partey abzuzie-
hen und auf ſeine Seite zu bringen; ſondern dieſelben uͤber dieſes vielfaͤltig be-
leidigte: eben als wenn er noch noͤthig haͤtte ſie zu reizen, daß ſie den Krieg
gegen das osmaniſche Reich erklaͤreten.
97. Peter Ciurani war als venetianiſcher Abgeſandter oder Bailos mit
zweyen Kriegsſchiffen und drey Kauffahrteyſchiffen zu Conſtantinopel angelan-
get, und hatte, nachdem er an das Land geſtiegen war, Befehl gegeben, daß
man die Guͤter, die er mitgebracht hatte, nach ſeinem Hauſe fuͤhren ſollte.
Gjuͤmruͤkjtſchi
⁶⁴
aber, der aus der Menge derſelben argwohnete, daß die Wa-
ren gewiſſen Kaufleuten, und nicht dem Geſandten, zugehoͤreten, durchſuchte
die Schiffe; und weil er bey genauer Beſichtigung befand, daß ein großer Theil
der Ladung an Kaufleute geſtellet war, die ſich weigerten, den Zoll zu bezahlen:
ſo ließ er dieſelben, dem Geſandtenrechte zuwider, wegnehmen, und befahl, ſie
in des Sultans Packhaͤuſer zu bringen. Der Bailos bemuͤhete ſich anfangs,
durch Vorſtellungen, dasjenige, was man ihm genommen hatte, wieder zu er-
langen; und bewieſe aus oͤffentlichen Urkunden, daß nicht allein ſeine Vorfah-
rer, ſondern auch alle auslaͤndiſchen Geſandten, die Freyheit genoſſen haͤtten,
was
Durch dieſe Mittel wuͤrde er ſich lange in dem
Beſitze ſeiner Ehrenſtelle erhalten haben:
wenn nicht das Gluͤck ſelbſt zur damaligen Zeit
ſich gegen die tuͤrkiſchen Sachen auf ſolche Art
feindſelig erzeiget haͤtte, daß es deſſen Tugen-
den verhehlet; ſeine Fehler aber dem Sultane
entdecket haͤtte, und dieſes durch Suͤlejman
Paſcha.
⁶⁴ Gjuͤmruͤkjtſchi] oder Gjuͤmruͤkj Emi-
ni, iſt der Zolleinnehmer, von deſſen Amte
bereits im erſten Theile Nachricht gegeben
worden iſt *. Die Benennung ſcheinet ihren
Urſprung von dem heutigen griechiſchen Worte
_ zu haben, das, wie ich dafuͤr
halte, eine Verderbung des italieniſchen Wor-
tes Commerciario iſt.
⁶⁵ Aerßuhal] Dieſes Wort heißet ei-
gentlich, die Vorſtellung einer Sache. Es iſt
dieſes der Name derjenigen Bittſchriften, die
dem Weßire in dem Diwan von Rechtsſachen
uͤber-
* 219 S. 7 Anm.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/602>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.