daß Schah in der persischen Sprache eine höhere Benennung ist, als Chan, und einen Fürsten bedeutet, dem die Chane unterworfen sind; daher der König in Persien sich den Titel Schah geben lässet. Chan aber ist so viel, als Statt- halter über eine Landschaft, und gleichet am nächsten einem Weßire oder Pascha, der befreyet ist, drey Roßschweife zu führen.) Ob Sülejman diese Würde von seinen Vorfahrern durch das Erbrecht erlanget, oder dieselbe durch seine eigenen Verdienste erworben habe: das will ich, da sonst kein Geschichtschreiber, außer Chalkokondylas, etwas davon deutlich erwähnet, nicht auf mich nehmen zu bestimmen.
9.
Ehe ich weiter fortfahre, wird es nicht undienlich seyn, dasjenige, was kurz vorhin erwähnet worden ist, noch etwas weiter auszuführen; näm- lich, daß nach Dschingjiß Chans Zuge und dem Untergange des persischen Reichs, die meisten Satrapen oder Statthalter der persischen Landschaften zwischen dem Euphrat und dem mittelländischen Meere, sich einer unumschränk- ten Gewalt angemaßet und in ihrem eigenen Namen zu regieren angefangen haben. Dieses scheinet Nicephorus in seinem siebenten Buche 17 zu verstehen zu geben, da derselbe saget: "Allein die Türken" (man merke hiebey, daß er alle die Satrapen, die von dem persischen Könige abfielen, Türken nen- net) "kamen mit einander überein, alle Länder der römischen Herrschaft "durch das Los unter sich zu theilen." Hierauf setzet er die Namen der Satrapen hinzu; allein so verderbt, daß man dieselben ohne Hülfe der Ge- schichte mit den vorhin gedachten Satrapen nicht für einerley halten sollte, deren Namen in den türkischen Jahrbüchern auf folgende Weise vorkommen. Churßem Schah (König in Kaspien; denn Churßem heißet bey den Türken die kaspische See. Ungeachtet sie den Namen desselben nicht nennen: so sagen sie doch, er sey von Dschingjiß Chan bezwungen worden.), Karamanogli, Oßerbedschan, Gjermijanogli, Hamidogli, Kjötürum Bajeßid, Isfendijar- [Spaltenumbruch]
17 1 Hauptst. 1 Abschn.
begj,
g 3
des Verfaſſers
daß Schah in der perſiſchen Sprache eine hoͤhere Benennung iſt, als Chan, und einen Fuͤrſten bedeutet, dem die Chane unterworfen ſind; daher der Koͤnig in Perſien ſich den Titel Schah geben laͤſſet. Chan aber iſt ſo viel, als Statt- halter uͤber eine Landſchaft, und gleichet am naͤchſten einem Weßire oder Paſcha, der befreyet iſt, drey Roßſchweife zu fuͤhren.) Ob Suͤlejman dieſe Wuͤrde von ſeinen Vorfahrern durch das Erbrecht erlanget, oder dieſelbe durch ſeine eigenen Verdienſte erworben habe: das will ich, da ſonſt kein Geſchichtſchreiber, außer Chalkokondylas, etwas davon deutlich erwaͤhnet, nicht auf mich nehmen zu beſtimmen.
9.
Ehe ich weiter fortfahre, wird es nicht undienlich ſeyn, dasjenige, was kurz vorhin erwaͤhnet worden iſt, noch etwas weiter auszufuͤhren; naͤm- lich, daß nach Dſchingjiß Chans Zuge und dem Untergange des perſiſchen Reichs, die meiſten Satrapen oder Statthalter der perſiſchen Landſchaften zwiſchen dem Euphrat und dem mittellaͤndiſchen Meere, ſich einer unumſchraͤnk- ten Gewalt angemaßet und in ihrem eigenen Namen zu regieren angefangen haben. Dieſes ſcheinet Nicephorus in ſeinem ſiebenten Buche 17 zu verſtehen zu geben, da derſelbe ſaget: “Allein die Tuͤrken„ (man merke hiebey, daß er alle die Satrapen, die von dem perſiſchen Koͤnige abfielen, Tuͤrken nen- net) “kamen mit einander uͤberein, alle Laͤnder der roͤmiſchen Herrſchaft “durch das Los unter ſich zu theilen.„ Hierauf ſetzet er die Namen der Satrapen hinzu; allein ſo verderbt, daß man dieſelben ohne Huͤlfe der Ge- ſchichte mit den vorhin gedachten Satrapen nicht fuͤr einerley halten ſollte, deren Namen in den tuͤrkiſchen Jahrbuͤchern auf folgende Weiſe vorkommen. Churßem Schah (Koͤnig in Kaſpien; denn Churßem heißet bey den Tuͤrken die kaſpiſche See. Ungeachtet ſie den Namen deſſelben nicht nennen: ſo ſagen ſie doch, er ſey von Dſchingjiß Chan bezwungen worden.), Karamanogli, Oßerbedſchan, Gjermijanogli, Hamidogli, Kjoͤtuͤrum Bajeßid, Isfendijar- [Spaltenumbruch]
17 1 Hauptſt. 1 Abſchn.
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des Verfaſſers
daß Schah in der perſiſchen Sprache eine hoͤhere Benennung iſt, als Chan,
und einen Fuͤrſten bedeutet, dem die Chane unterworfen ſind; daher der Koͤnig
in Perſien ſich den Titel Schah geben laͤſſet. Chan aber iſt ſo viel, als Statt-
halter uͤber eine Landſchaft, und gleichet am naͤchſten einem Weßire oder Paſcha,
der befreyet iſt, drey Roßſchweife zu fuͤhren.) Ob Suͤlejman dieſe Wuͤrde
von ſeinen Vorfahrern durch das Erbrecht erlanget, oder dieſelbe durch ſeine
eigenen Verdienſte erworben habe: das will ich, da ſonſt kein Geſchichtſchreiber,
außer Chalkokondylas, etwas davon deutlich erwaͤhnet, nicht auf mich nehmen
zu beſtimmen.
9. Ehe ich weiter fortfahre, wird es nicht undienlich ſeyn, dasjenige,
was kurz vorhin erwaͤhnet worden iſt, noch etwas weiter auszufuͤhren; naͤm-
lich, daß nach Dſchingjiß Chans Zuge und dem Untergange des perſiſchen
Reichs, die meiſten Satrapen oder Statthalter der perſiſchen Landſchaften
zwiſchen dem Euphrat und dem mittellaͤndiſchen Meere, ſich einer unumſchraͤnk-
ten Gewalt angemaßet und in ihrem eigenen Namen zu regieren angefangen
haben. Dieſes ſcheinet Nicephorus in ſeinem ſiebenten Buche
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zu geben, da derſelbe ſaget: “Allein die Tuͤrken„ (man merke hiebey,
daß er alle die Satrapen, die von dem perſiſchen Koͤnige abfielen, Tuͤrken nen-
net) “kamen mit einander uͤberein, alle Laͤnder der roͤmiſchen Herrſchaft
“durch das Los unter ſich zu theilen.„ Hierauf ſetzet er die Namen der
Satrapen hinzu; allein ſo verderbt, daß man dieſelben ohne Huͤlfe der Ge-
ſchichte mit den vorhin gedachten Satrapen nicht fuͤr einerley halten ſollte,
deren Namen in den tuͤrkiſchen Jahrbuͤchern auf folgende Weiſe vorkommen.
Churßem Schah (Koͤnig in Kaſpien; denn Churßem heißet bey den Tuͤrken
die kaſpiſche See. Ungeachtet ſie den Namen deſſelben nicht nennen: ſo ſagen
ſie doch, er ſey von Dſchingjiß Chan bezwungen worden.), Karamanogli,
Oßerbedſchan, Gjermijanogli, Hamidogli, Kjoͤtuͤrum Bajeßid, Isfendijar-
begj,
¹⁷ 1 Hauptſt. 1 Abſchn.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/59>, abgerufen am 23.11.2024.
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