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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
unternommen, oder bis auf das folgende Jahr verschoben werden sollte. Die-
ses that derselbe in folgender Rede. "Unüberwindlichster Weßir! Wer sich
"in wichtige Unternehmungen einlassen will: der brauchet zur Ausführung
"derselben unumgänglich drey Stücke; Geld, Mannschaft, und vor allen Din-
"gen Klugheit, als die Regiererinn aller Handlungen. Das erste ist nöthig,
"den Soldaten Muth zu machen, und die Auswärtigen zu bestechen: das an-
"dere, den Feind aus dem Felde zu schlagen, und alle Hindernisse aus dem
"Wege zu räumen: und das letzte, die allzugroße Hitze, die heldenmäßige
"Gemüther anzukommen pfleget, zu mäßigen. Ohne Klugheit sind öfters
"die größten Schätze und die stärkste Macht ohne allen guten Erfolg verschwen-
"det worden: mit derselben aber haben manchmal kleine Kriegesheere weit-
"läuftige Königreiche über einen Haufen geworfen; wie dieses an dem olios -
"manischen Reiche genugsam zu ersehen ist. Bey derjenigen Sache, die wir
"gegenwärtig zu überlegen haben, ist uns diese noch allein nöthig; denn das
"osmanische Reich hat einen so großen Schatz und so viele Truppen zusammen
"gebracht, daß es das Gerüchte selbst zu übertreffen scheinet, als das hierbey
"seiner sonst gewöhnlichen Eigenschaft vergessen hat, und hierinnen allerdings
"Glauben verdienet. Es stehen dem osmanischen Kriegesheere zwo Unter-
"nehmungen vor, die beyde zwar gleich ruhmwürdig; aber nicht gleich leicht
"auszuführen und dem Reiche vorträglich sind: nämlich die Belagerung von
"Wien, und die Eroberung des ganzen Königreichs Ungarn. Wenn ich die
"erstere verwerfe, oder vielmehr sage, daß sie dem Besten der Osmanen höchst
"nachtheilig sey: so wird es zwar vielleicht den Allermeisten ungereimt vor-
"kommen; nicht aber denen, die eine völlige Einsicht in die Beschaffenheit
"der europäischen Sachen haben; und noch viel weniger dieser durchlauchtigen
"und weisen Rathsversammlung, vor der ich itzo, in Gehorsam gegen den un-
"überwindlichsten Weßir und dessen Befehl, meine Meinung von mir gebe.
"Wien ist allzuweit von den Grenzen eures Reiches entlegen; und ob es gleich
[Spaltenumbruch]
Jahre lang das Amt des Weßirs mit Ruhme
verwaltet, einem Aufrührer, wie Teökeöli,
so leicht Gehör geben können; der einem Rei-
che nicht mehr, als dem andern, günstig ge-
wesen sey. Denn sein Absehen sey, aller Ver-
muthung nach, kein anderes gewesen, als
unter dem Scheine der Freundschaft und
Dienste den osmanischen Hof zu hintergehen,
und ihn gegen die Deutschen aufzuhetzen; in
[Spaltenumbruch]
der Absicht, wann beyde Theile ihre Kräfte
würden erschöpfet haben, die unumschränkte
Herrschaft von Ungarn an sich zu ziehen.
Ibrahim Pascha fing hierauf an, mit einem
türkischen Sprichworte zu antworten, und
sagte: Egjer Dinümüß ajrü, ise Allahümüß
bir dür; das ist: "Ungeachtet wir ein
"unterschiedenes Gesetz haben: so haben
"wir doch nur einen und denselben Gott;

"nicht

Osmaniſche Geſchichte
unternommen, oder bis auf das folgende Jahr verſchoben werden ſollte. Die-
ſes that derſelbe in folgender Rede. “Unuͤberwindlichſter Weßir! Wer ſich
“in wichtige Unternehmungen einlaſſen will: der brauchet zur Ausfuͤhrung
“derſelben unumgaͤnglich drey Stuͤcke; Geld, Mannſchaft, und vor allen Din-
“gen Klugheit, als die Regiererinn aller Handlungen. Das erſte iſt noͤthig,
“den Soldaten Muth zu machen, und die Auswaͤrtigen zu beſtechen: das an-
“dere, den Feind aus dem Felde zu ſchlagen, und alle Hinderniſſe aus dem
“Wege zu raͤumen: und das letzte, die allzugroße Hitze, die heldenmaͤßige
“Gemuͤther anzukommen pfleget, zu maͤßigen. Ohne Klugheit ſind oͤfters
“die groͤßten Schaͤtze und die ſtaͤrkſte Macht ohne allen guten Erfolg verſchwen-
“det worden: mit derſelben aber haben manchmal kleine Kriegesheere weit-
“laͤuftige Koͤnigreiche uͤber einen Haufen geworfen; wie dieſes an dem olios -
“maniſchen Reiche genugſam zu erſehen iſt. Bey derjenigen Sache, die wir
“gegenwaͤrtig zu uͤberlegen haben, iſt uns dieſe noch allein noͤthig; denn das
“osmaniſche Reich hat einen ſo großen Schatz und ſo viele Truppen zuſammen
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“ſeiner ſonſt gewoͤhnlichen Eigenſchaft vergeſſen hat, und hierinnen allerdings
“Glauben verdienet. Es ſtehen dem osmaniſchen Kriegesheere zwo Unter-
“nehmungen vor, die beyde zwar gleich ruhmwuͤrdig; aber nicht gleich leicht
“auszufuͤhren und dem Reiche vortraͤglich ſind: naͤmlich die Belagerung von
“Wien, und die Eroberung des ganzen Koͤnigreichs Ungarn. Wenn ich die
“erſtere verwerfe, oder vielmehr ſage, daß ſie dem Beſten der Osmanen hoͤchſt
“nachtheilig ſey: ſo wird es zwar vielleicht den Allermeiſten ungereimt vor-
“kommen; nicht aber denen, die eine voͤllige Einſicht in die Beſchaffenheit
“der europaͤiſchen Sachen haben; und noch viel weniger dieſer durchlauchtigen
“und weiſen Rathsverſammlung, vor der ich itzo, in Gehorſam gegen den un-
“uͤberwindlichſten Weßir und deſſen Befehl, meine Meinung von mir gebe.
“Wien iſt allzuweit von den Grenzen eures Reiches entlegen; und ob es gleich
[Spaltenumbruch]
Jahre lang das Amt des Weßirs mit Ruhme
verwaltet, einem Aufruͤhrer, wie Teoͤkeoͤli,
ſo leicht Gehoͤr geben koͤnnen; der einem Rei-
che nicht mehr, als dem andern, guͤnſtig ge-
weſen ſey. Denn ſein Abſehen ſey, aller Ver-
muthung nach, kein anderes geweſen, als
unter dem Scheine der Freundſchaft und
Dienſte den osmaniſchen Hof zu hintergehen,
und ihn gegen die Deutſchen aufzuhetzen; in
[Spaltenumbruch]
der Abſicht, wann beyde Theile ihre Kraͤfte
wuͤrden erſchoͤpfet haben, die unumſchraͤnkte
Herrſchaft von Ungarn an ſich zu ziehen.
Ibrahim Paſcha fing hierauf an, mit einem
tuͤrkiſchen Sprichworte zu antworten, und
ſagte: Egjer Dinuͤmuͤß ajruͤ, iſe Allahuͤmuͤß
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[462/0570] Osmaniſche Geſchichte unternommen, oder bis auf das folgende Jahr verſchoben werden ſollte. Die- ſes that derſelbe in folgender Rede. “Unuͤberwindlichſter Weßir! Wer ſich “in wichtige Unternehmungen einlaſſen will: der brauchet zur Ausfuͤhrung “derſelben unumgaͤnglich drey Stuͤcke; Geld, Mannſchaft, und vor allen Din- “gen Klugheit, als die Regiererinn aller Handlungen. Das erſte iſt noͤthig, “den Soldaten Muth zu machen, und die Auswaͤrtigen zu beſtechen: das an- “dere, den Feind aus dem Felde zu ſchlagen, und alle Hinderniſſe aus dem “Wege zu raͤumen: und das letzte, die allzugroße Hitze, die heldenmaͤßige “Gemuͤther anzukommen pfleget, zu maͤßigen. Ohne Klugheit ſind oͤfters “die groͤßten Schaͤtze und die ſtaͤrkſte Macht ohne allen guten Erfolg verſchwen- “det worden: mit derſelben aber haben manchmal kleine Kriegesheere weit- “laͤuftige Koͤnigreiche uͤber einen Haufen geworfen; wie dieſes an dem olios - “maniſchen Reiche genugſam zu erſehen iſt. Bey derjenigen Sache, die wir “gegenwaͤrtig zu uͤberlegen haben, iſt uns dieſe noch allein noͤthig; denn das “osmaniſche Reich hat einen ſo großen Schatz und ſo viele Truppen zuſammen “gebracht, daß es das Geruͤchte ſelbſt zu uͤbertreffen ſcheinet, als das hierbey “ſeiner ſonſt gewoͤhnlichen Eigenſchaft vergeſſen hat, und hierinnen allerdings “Glauben verdienet. Es ſtehen dem osmaniſchen Kriegesheere zwo Unter- “nehmungen vor, die beyde zwar gleich ruhmwuͤrdig; aber nicht gleich leicht “auszufuͤhren und dem Reiche vortraͤglich ſind: naͤmlich die Belagerung von “Wien, und die Eroberung des ganzen Koͤnigreichs Ungarn. Wenn ich die “erſtere verwerfe, oder vielmehr ſage, daß ſie dem Beſten der Osmanen hoͤchſt “nachtheilig ſey: ſo wird es zwar vielleicht den Allermeiſten ungereimt vor- “kommen; nicht aber denen, die eine voͤllige Einſicht in die Beſchaffenheit “der europaͤiſchen Sachen haben; und noch viel weniger dieſer durchlauchtigen “und weiſen Rathsverſammlung, vor der ich itzo, in Gehorſam gegen den un- “uͤberwindlichſten Weßir und deſſen Befehl, meine Meinung von mir gebe. “Wien iſt allzuweit von den Grenzen eures Reiches entlegen; und ob es gleich “nicht Jahre lang das Amt des Weßirs mit Ruhme verwaltet, einem Aufruͤhrer, wie Teoͤkeoͤli, ſo leicht Gehoͤr geben koͤnnen; der einem Rei- che nicht mehr, als dem andern, guͤnſtig ge- weſen ſey. Denn ſein Abſehen ſey, aller Ver- muthung nach, kein anderes geweſen, als unter dem Scheine der Freundſchaft und Dienſte den osmaniſchen Hof zu hintergehen, und ihn gegen die Deutſchen aufzuhetzen; in der Abſicht, wann beyde Theile ihre Kraͤfte wuͤrden erſchoͤpfet haben, die unumſchraͤnkte Herrſchaft von Ungarn an ſich zu ziehen. Ibrahim Paſcha fing hierauf an, mit einem tuͤrkiſchen Sprichworte zu antworten, und ſagte: Egjer Dinuͤmuͤß ajruͤ, iſe Allahuͤmuͤß bir duͤr; das iſt: “Ungeachtet wir ein “unterſchiedenes Geſetz haben: ſo haben “wir doch nur einen und denſelben Gott; “und

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/570>, abgerufen am 25.11.2024.