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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
dieselbe an: man müsse das Eisen schmieden, weil es warm sey; es werde sich
keine so schöne Gelegenheit mehr eräugen, den muhämmedischen Glauben aus-
zubreiten; Ungarn, das bisher die stärkste Vormauer der Christen gewesen,
biete sich freywillig zur Unterwerfung an; Deutschland sey durch die französi-
schen und schwedischen Kriege erschöpfet, und kaum im Stande, den ersten An-
griff des osmanischen Kriegesheeres auszuhalten; wann dieses Land unter den
Fuß gebracht sey: so stehe hernach keine Hinderniß mehr im Wege, daß nicht
auch die übrigen Völker, die vor diesem zu dem römischen Reiche gehöret hätten,
unter die Botmäßigkeit der osmanischen Macht gebracht werden könnten. Da-
mit man aber nicht sagen möchte, daß der Krieg für die Unterthanen eine allzu-
große Last wäre: so erklärete der Sultan, er habe zu dieser Absicht siebenzig tau-
send Beutel in seinem Schatze, ein vollständiges Kriegesheer und alle andere
Nothwendigkeiten zu etlichen Feldzügen, schon in Bereitschaft, und verspreche,
daß er dieses alles gerne anwenden wolle, die Christen zur Annehmung der mu-
hämmedischen Religion zu bewegen, die Grenzen des Reichs zu erweitern, und
diejenigen, die sich unter seinen Schutz begeben hätten, zu vertheidigen. Die
Jeng-itscheri, die von dem Weßire 35 angehetzet waren, nebst ihren Befehlhabern
von dessen Partey, verlangeten Krieg, und erkläreten öffentlich: sie wollten
[Spaltenumbruch]
Sie stehen bey dem Volke in sehr großem An-
sehen; weil man durchgehends glaubet, sie
thäten nichts, als was vorher durch ein Fetwa
gebilliget worden sey. Wann man also siehet,
daß sie sich mit dem Kriegesheere vereinigen,
um mit ihnen gemeinschaftlich sich einer Sache
zu widersetzen: so kann man sicherlich glau-
ben, daß niemals etwas daraus werden
wird.
35 von dem Weßire] Diejenigen, die
von den Rathschlägen des osmanischen Hofes
zur selbigen Zeit am besten unterrichtet sind,
sagen, daß niemand, außer dem Sultan und
dem Weßire, Kara Mustäfa Pascha, den Krieg
mit dem Kaiser von Deutschland begehret habe.
Als aber der Sultan gemerket, daß seine Mut-
ter und alle die Ulema dagegen seyen: so habe
er dem Weßire befohlen, den Aga der Jeng-
itscheri und die übrigen von Odschak Agalari
durch Versprechungen und andere Künste
[Spaltenumbruch]
zu gewinnen und zu seiner Meinung zu brin-
gen. Denn dieser Satz: Kul Sefer ister,
die Soldaten verlangen den Krieg; ist schon
eine hinlängliche Ursache, den Krieg gegen
iemanden zu erklären. Denn ungeachtet die
Macht des Sultans und Weßirs in allen Sa-
chen sehr groß ist; dennoch, wenn die Jeng-
itscheri und Ulema vereiniget sich den Absich-
ten des Sultans entgegen setzen: so ist der-
selbe genöthiget, ihnen nachzugeben; und
wenn er auf seinem Entschlusse beharret: so
erfolget gleich darauf ein Aufruhr. Wenn
aber die Jeng-itscheri ohne der Ulema Bey-
stimmung des Sultans Vorhaben gutheißen;
oder die Ulema dieses thun ohne die Jeng-
itscheri: so erhält der Sultan gar leicht,
was er verlanget. Die Jeng-itscheri und
Ulema, mit einander vereiniget, haben eine
solche große Macht, daß sie so gar den Sultan
absetzen und den Weßir oder einen ieden an-
dern Großen aus dem Wege räumen können;

lieber
3 L 3

19. Muhaͤmmed der IIII
dieſelbe an: man muͤſſe das Eiſen ſchmieden, weil es warm ſey; es werde ſich
keine ſo ſchoͤne Gelegenheit mehr eraͤugen, den muhaͤmmediſchen Glauben aus-
zubreiten; Ungarn, das bisher die ſtaͤrkſte Vormauer der Chriſten geweſen,
biete ſich freywillig zur Unterwerfung an; Deutſchland ſey durch die franzoͤſi-
ſchen und ſchwediſchen Kriege erſchoͤpfet, und kaum im Stande, den erſten An-
griff des osmaniſchen Kriegesheeres auszuhalten; wann dieſes Land unter den
Fuß gebracht ſey: ſo ſtehe hernach keine Hinderniß mehr im Wege, daß nicht
auch die uͤbrigen Voͤlker, die vor dieſem zu dem roͤmiſchen Reiche gehoͤret haͤtten,
unter die Botmaͤßigkeit der osmaniſchen Macht gebracht werden koͤnnten. Da-
mit man aber nicht ſagen moͤchte, daß der Krieg fuͤr die Unterthanen eine allzu-
große Laſt waͤre: ſo erklaͤrete der Sultan, er habe zu dieſer Abſicht ſiebenzig tau-
ſend Beutel in ſeinem Schatze, ein vollſtaͤndiges Kriegesheer und alle andere
Nothwendigkeiten zu etlichen Feldzuͤgen, ſchon in Bereitſchaft, und verſpreche,
daß er dieſes alles gerne anwenden wolle, die Chriſten zur Annehmung der mu-
haͤmmediſchen Religion zu bewegen, die Grenzen des Reichs zu erweitern, und
diejenigen, die ſich unter ſeinen Schutz begeben haͤtten, zu vertheidigen. Die
Jeng-itſcheri, die von dem Weßire 35 angehetzet waren, nebſt ihren Befehlhabern
von deſſen Partey, verlangeten Krieg, und erklaͤreten oͤffentlich: ſie wollten
[Spaltenumbruch]
Sie ſtehen bey dem Volke in ſehr großem An-
ſehen; weil man durchgehends glaubet, ſie
thaͤten nichts, als was vorher durch ein Fetwa
gebilliget worden ſey. Wann man alſo ſiehet,
daß ſie ſich mit dem Kriegesheere vereinigen,
um mit ihnen gemeinſchaftlich ſich einer Sache
zu widerſetzen: ſo kann man ſicherlich glau-
ben, daß niemals etwas daraus werden
wird.
35 von dem Weßire] Diejenigen, die
von den Rathſchlaͤgen des osmaniſchen Hofes
zur ſelbigen Zeit am beſten unterrichtet ſind,
ſagen, daß niemand, außer dem Sultan und
dem Weßire, Kara Muſtaͤfa Paſcha, den Krieg
mit dem Kaiſer von Deutſchland begehret habe.
Als aber der Sultan gemerket, daß ſeine Mut-
ter und alle die Ulema dagegen ſeyen: ſo habe
er dem Weßire befohlen, den Aga der Jeng-
itſcheri und die uͤbrigen von Odſchak Agalari
durch Verſprechungen und andere Kuͤnſte
[Spaltenumbruch]
zu gewinnen und zu ſeiner Meinung zu brin-
gen. Denn dieſer Satz: Kul Sefer iſter,
die Soldaten verlangen den Krieg; iſt ſchon
eine hinlaͤngliche Urſache, den Krieg gegen
iemanden zu erklaͤren. Denn ungeachtet die
Macht des Sultans und Weßirs in allen Sa-
chen ſehr groß iſt; dennoch, wenn die Jeng-
itſcheri und Ulema vereiniget ſich den Abſich-
ten des Sultans entgegen ſetzen: ſo iſt der-
ſelbe genoͤthiget, ihnen nachzugeben; und
wenn er auf ſeinem Entſchluſſe beharret: ſo
erfolget gleich darauf ein Aufruhr. Wenn
aber die Jeng-itſcheri ohne der Ulema Bey-
ſtimmung des Sultans Vorhaben gutheißen;
oder die Ulema dieſes thun ohne die Jeng-
itſcheri: ſo erhaͤlt der Sultan gar leicht,
was er verlanget. Die Jeng-itſcheri und
Ulema, mit einander vereiniget, haben eine
ſolche große Macht, daß ſie ſo gar den Sultan
abſetzen und den Weßir oder einen ieden an-
dern Großen aus dem Wege raͤumen koͤnnen;

lieber
3 L 3
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[453/0561] 19. Muhaͤmmed der IIII dieſelbe an: man muͤſſe das Eiſen ſchmieden, weil es warm ſey; es werde ſich keine ſo ſchoͤne Gelegenheit mehr eraͤugen, den muhaͤmmediſchen Glauben aus- zubreiten; Ungarn, das bisher die ſtaͤrkſte Vormauer der Chriſten geweſen, biete ſich freywillig zur Unterwerfung an; Deutſchland ſey durch die franzoͤſi- ſchen und ſchwediſchen Kriege erſchoͤpfet, und kaum im Stande, den erſten An- griff des osmaniſchen Kriegesheeres auszuhalten; wann dieſes Land unter den Fuß gebracht ſey: ſo ſtehe hernach keine Hinderniß mehr im Wege, daß nicht auch die uͤbrigen Voͤlker, die vor dieſem zu dem roͤmiſchen Reiche gehoͤret haͤtten, unter die Botmaͤßigkeit der osmaniſchen Macht gebracht werden koͤnnten. Da- mit man aber nicht ſagen moͤchte, daß der Krieg fuͤr die Unterthanen eine allzu- große Laſt waͤre: ſo erklaͤrete der Sultan, er habe zu dieſer Abſicht ſiebenzig tau- ſend Beutel in ſeinem Schatze, ein vollſtaͤndiges Kriegesheer und alle andere Nothwendigkeiten zu etlichen Feldzuͤgen, ſchon in Bereitſchaft, und verſpreche, daß er dieſes alles gerne anwenden wolle, die Chriſten zur Annehmung der mu- haͤmmediſchen Religion zu bewegen, die Grenzen des Reichs zu erweitern, und diejenigen, die ſich unter ſeinen Schutz begeben haͤtten, zu vertheidigen. Die Jeng-itſcheri, die von dem Weßire ³⁵ angehetzet waren, nebſt ihren Befehlhabern von deſſen Partey, verlangeten Krieg, und erklaͤreten oͤffentlich: ſie wollten lieber Sie ſtehen bey dem Volke in ſehr großem An- ſehen; weil man durchgehends glaubet, ſie thaͤten nichts, als was vorher durch ein Fetwa gebilliget worden ſey. Wann man alſo ſiehet, daß ſie ſich mit dem Kriegesheere vereinigen, um mit ihnen gemeinſchaftlich ſich einer Sache zu widerſetzen: ſo kann man ſicherlich glau- ben, daß niemals etwas daraus werden wird. ³⁵ von dem Weßire] Diejenigen, die von den Rathſchlaͤgen des osmaniſchen Hofes zur ſelbigen Zeit am beſten unterrichtet ſind, ſagen, daß niemand, außer dem Sultan und dem Weßire, Kara Muſtaͤfa Paſcha, den Krieg mit dem Kaiſer von Deutſchland begehret habe. Als aber der Sultan gemerket, daß ſeine Mut- ter und alle die Ulema dagegen ſeyen: ſo habe er dem Weßire befohlen, den Aga der Jeng- itſcheri und die uͤbrigen von Odſchak Agalari durch Verſprechungen und andere Kuͤnſte zu gewinnen und zu ſeiner Meinung zu brin- gen. Denn dieſer Satz: Kul Sefer iſter, die Soldaten verlangen den Krieg; iſt ſchon eine hinlaͤngliche Urſache, den Krieg gegen iemanden zu erklaͤren. Denn ungeachtet die Macht des Sultans und Weßirs in allen Sa- chen ſehr groß iſt; dennoch, wenn die Jeng- itſcheri und Ulema vereiniget ſich den Abſich- ten des Sultans entgegen ſetzen: ſo iſt der- ſelbe genoͤthiget, ihnen nachzugeben; und wenn er auf ſeinem Entſchluſſe beharret: ſo erfolget gleich darauf ein Aufruhr. Wenn aber die Jeng-itſcheri ohne der Ulema Bey- ſtimmung des Sultans Vorhaben gutheißen; oder die Ulema dieſes thun ohne die Jeng- itſcheri: ſo erhaͤlt der Sultan gar leicht, was er verlanget. Die Jeng-itſcheri und Ulema, mit einander vereiniget, haben eine ſolche große Macht, daß ſie ſo gar den Sultan abſetzen und den Weßir oder einen ieden an- dern Großen aus dem Wege raͤumen koͤnnen; wie 3 L 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/561>, abgerufen am 22.11.2024.