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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Monaten bey nahe alles Volk in demjenigen Theile von Ungarn, das dem Kai-
ser noch übrig geblieben war, zu seinem Abfalle beweget. Weil er aber befand,
daß er ohne auswärtigen Beystand nicht im Stande sey, den kaiserlichen Waf-
fen zu widerstehen (indem der Kaiser mit Frankreich Friede gemacht und seine
ganze Macht versammelt hatte, dieses Feuer zu dämpfen): so rief derselbe
die Türken um Hülfe an, und versprach, jährlich vierzig tausend Reichsthaler
als einen Tribut zu bezahlen, und ihnen, so oft es nöthig seyn würde, mit dreyßig
tausend Ungarn beyzustehen.

Parteyen für
und gegen denKrieg.
43.

Der osmanische Hof stund lange bey sich an, ob man den verlang-
ten Beystand Teökeöli itzo gleich öffentlich leisten, oder denselben so lange auf-
schieben sollte, bis der zwanzigjährige Stillstand, den Kjüprili Aehmed Pascha
im Jahre 1075 geschlossen hatte, erloschen wäre; bis dahin man die Aufrührer
ingeheim unterstützen müßte. Der letztern Meinung waren alle Ulema 34 und
des Sultans Mutter zugethan, die da behaupteten: es sey unrecht, einen Krieg
mit einem Fürsten anzufangen, der keine Gelegenheit zu Beschwerden gegeben;
sondern bisher die Bedingungen des Stillstandes genau beobachtet habe. Der
Sultan aber und der Weßir waren für die erstere Meinung, und führeten für
[Spaltenumbruch]

in großen Ehren gehalten. Wann der Sul-
tan Mustäfa mit im Felde war: so führete
er denselben als seinen Gefährten beständig
mit sich, und bedienete sich durchgehends sei-
nes Rathes. Nach geschlossenem Frieden
zu Carlowitsch, darinnen dieser Vergleich mit
enthalten war, daß man denjenigen Personen,
die zu Unruhen geneigt seyen, weder von der
einen noch von der andern Seite Gehör geben
sollte; wurde er von eben dem Sultane
nach Nikomedien geschicket, da er ein Land-
haus geschenkt bekam. Und weil er sehr stark
mit dem Zipperleine behaftet war: so starb er
bald hierauf an dem gedachten Orte. Er be-
fahl selbst, daß man ihn in der Vorstadt Pera,
außen vor dem Kirchhofe der Griechen, begra-
ben sollte, da die christlichen Abgesandten und
ihre Bedienten ordentlicher Weise pflegen
begraben zu werden. Als ich zu Constanti-
nopel wohnete: so hatte ich vielfältigen Um-
[Spaltenumbruch]
gang mit demselben; und habe öfters aus
seinem Munde gehöret, daß er zu mir sagte:
Was können wir thun, mein Bruder? Es
hat Gott gefallen, uns einem Herrn unter-
würfig zu machen, der durch seine Thaten sich
seinem Wapenschilde, nämlich dem Monde,
sehr ähnlich bezeiget. Ich habe befunden,
daß ihr falscher Prophet fast in allen Stücken
geirret hat: allein ich glaube, daß derselbe
aus einem prophetischen Geiste geredet, da er
seinen Nachfolgern den Mond zu ihrem Wa-
pen ertheilet hat; denn dieser stellet ihre Un-
beständigkeit sehr wohl vor.
34 Ulema] Dieses ist ein allgemeiner
Name, damit man alle diejenigen zu benennen
pfleget, die sich durch ein gewisses geistliches
Amt von den übrigen unterscheiden. Was
dieses für Aemter sind: das ist in einer An-
merkung des ersten Theils*
angeführet worden.

dieselbe
Sie
* 44 S. 10 Anm.

Osmaniſche Geſchichte
Monaten bey nahe alles Volk in demjenigen Theile von Ungarn, das dem Kai-
ſer noch uͤbrig geblieben war, zu ſeinem Abfalle beweget. Weil er aber befand,
daß er ohne auswaͤrtigen Beyſtand nicht im Stande ſey, den kaiſerlichen Waf-
fen zu widerſtehen (indem der Kaiſer mit Frankreich Friede gemacht und ſeine
ganze Macht verſammelt hatte, dieſes Feuer zu daͤmpfen): ſo rief derſelbe
die Tuͤrken um Huͤlfe an, und verſprach, jaͤhrlich vierzig tauſend Reichsthaler
als einen Tribut zu bezahlen, und ihnen, ſo oft es noͤthig ſeyn wuͤrde, mit dreyßig
tauſend Ungarn beyzuſtehen.

Parteyen fuͤr
und gegen denKrieg.
43.

Der osmaniſche Hof ſtund lange bey ſich an, ob man den verlang-
ten Beyſtand Teoͤkeoͤli itzo gleich oͤffentlich leiſten, oder denſelben ſo lange auf-
ſchieben ſollte, bis der zwanzigjaͤhrige Stillſtand, den Kjuͤprili Aehmed Paſcha
im Jahre 1075 geſchloſſen hatte, erloſchen waͤre; bis dahin man die Aufruͤhrer
ingeheim unterſtuͤtzen muͤßte. Der letztern Meinung waren alle Ulema 34 und
des Sultans Mutter zugethan, die da behaupteten: es ſey unrecht, einen Krieg
mit einem Fuͤrſten anzufangen, der keine Gelegenheit zu Beſchwerden gegeben;
ſondern bisher die Bedingungen des Stillſtandes genau beobachtet habe. Der
Sultan aber und der Weßir waren fuͤr die erſtere Meinung, und fuͤhreten fuͤr
[Spaltenumbruch]

in großen Ehren gehalten. Wann der Sul-
tan Muſtaͤfa mit im Felde war: ſo fuͤhrete
er denſelben als ſeinen Gefaͤhrten beſtaͤndig
mit ſich, und bedienete ſich durchgehends ſei-
nes Rathes. Nach geſchloſſenem Frieden
zu Carlowitſch, darinnen dieſer Vergleich mit
enthalten war, daß man denjenigen Perſonen,
die zu Unruhen geneigt ſeyen, weder von der
einen noch von der andern Seite Gehoͤr geben
ſollte; wurde er von eben dem Sultane
nach Nikomedien geſchicket, da er ein Land-
haus geſchenkt bekam. Und weil er ſehr ſtark
mit dem Zipperleine behaftet war: ſo ſtarb er
bald hierauf an dem gedachten Orte. Er be-
fahl ſelbſt, daß man ihn in der Vorſtadt Pera,
außen vor dem Kirchhofe der Griechen, begra-
ben ſollte, da die chriſtlichen Abgeſandten und
ihre Bedienten ordentlicher Weiſe pflegen
begraben zu werden. Als ich zu Conſtanti-
nopel wohnete: ſo hatte ich vielfaͤltigen Um-
[Spaltenumbruch]
gang mit demſelben; und habe oͤfters aus
ſeinem Munde gehoͤret, daß er zu mir ſagte:
Was koͤnnen wir thun, mein Bruder? Es
hat Gott gefallen, uns einem Herrn unter-
wuͤrfig zu machen, der durch ſeine Thaten ſich
ſeinem Wapenſchilde, naͤmlich dem Monde,
ſehr aͤhnlich bezeiget. Ich habe befunden,
daß ihr falſcher Prophet faſt in allen Stuͤcken
geirret hat: allein ich glaube, daß derſelbe
aus einem prophetiſchen Geiſte geredet, da er
ſeinen Nachfolgern den Mond zu ihrem Wa-
pen ertheilet hat; denn dieſer ſtellet ihre Un-
beſtaͤndigkeit ſehr wohl vor.
34 Ulema] Dieſes iſt ein allgemeiner
Name, damit man alle diejenigen zu benennen
pfleget, die ſich durch ein gewiſſes geiſtliches
Amt von den uͤbrigen unterſcheiden. Was
dieſes fuͤr Aemter ſind: das iſt in einer An-
merkung des erſten Theils*
angefuͤhret worden.

dieſelbe
Sie
* 44 S. 10 Anm.
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[452/0560] Osmaniſche Geſchichte Monaten bey nahe alles Volk in demjenigen Theile von Ungarn, das dem Kai- ſer noch uͤbrig geblieben war, zu ſeinem Abfalle beweget. Weil er aber befand, daß er ohne auswaͤrtigen Beyſtand nicht im Stande ſey, den kaiſerlichen Waf- fen zu widerſtehen (indem der Kaiſer mit Frankreich Friede gemacht und ſeine ganze Macht verſammelt hatte, dieſes Feuer zu daͤmpfen): ſo rief derſelbe die Tuͤrken um Huͤlfe an, und verſprach, jaͤhrlich vierzig tauſend Reichsthaler als einen Tribut zu bezahlen, und ihnen, ſo oft es noͤthig ſeyn wuͤrde, mit dreyßig tauſend Ungarn beyzuſtehen. 43.Der osmaniſche Hof ſtund lange bey ſich an, ob man den verlang- ten Beyſtand Teoͤkeoͤli itzo gleich oͤffentlich leiſten, oder denſelben ſo lange auf- ſchieben ſollte, bis der zwanzigjaͤhrige Stillſtand, den Kjuͤprili Aehmed Paſcha im Jahre 1075 geſchloſſen hatte, erloſchen waͤre; bis dahin man die Aufruͤhrer ingeheim unterſtuͤtzen muͤßte. Der letztern Meinung waren alle Ulema ³⁴ und des Sultans Mutter zugethan, die da behaupteten: es ſey unrecht, einen Krieg mit einem Fuͤrſten anzufangen, der keine Gelegenheit zu Beſchwerden gegeben; ſondern bisher die Bedingungen des Stillſtandes genau beobachtet habe. Der Sultan aber und der Weßir waren fuͤr die erſtere Meinung, und fuͤhreten fuͤr dieſelbe in großen Ehren gehalten. Wann der Sul- tan Muſtaͤfa mit im Felde war: ſo fuͤhrete er denſelben als ſeinen Gefaͤhrten beſtaͤndig mit ſich, und bedienete ſich durchgehends ſei- nes Rathes. Nach geſchloſſenem Frieden zu Carlowitſch, darinnen dieſer Vergleich mit enthalten war, daß man denjenigen Perſonen, die zu Unruhen geneigt ſeyen, weder von der einen noch von der andern Seite Gehoͤr geben ſollte; wurde er von eben dem Sultane nach Nikomedien geſchicket, da er ein Land- haus geſchenkt bekam. Und weil er ſehr ſtark mit dem Zipperleine behaftet war: ſo ſtarb er bald hierauf an dem gedachten Orte. Er be- fahl ſelbſt, daß man ihn in der Vorſtadt Pera, außen vor dem Kirchhofe der Griechen, begra- ben ſollte, da die chriſtlichen Abgeſandten und ihre Bedienten ordentlicher Weiſe pflegen begraben zu werden. Als ich zu Conſtanti- nopel wohnete: ſo hatte ich vielfaͤltigen Um- gang mit demſelben; und habe oͤfters aus ſeinem Munde gehoͤret, daß er zu mir ſagte: Was koͤnnen wir thun, mein Bruder? Es hat Gott gefallen, uns einem Herrn unter- wuͤrfig zu machen, der durch ſeine Thaten ſich ſeinem Wapenſchilde, naͤmlich dem Monde, ſehr aͤhnlich bezeiget. Ich habe befunden, daß ihr falſcher Prophet faſt in allen Stuͤcken geirret hat: allein ich glaube, daß derſelbe aus einem prophetiſchen Geiſte geredet, da er ſeinen Nachfolgern den Mond zu ihrem Wa- pen ertheilet hat; denn dieſer ſtellet ihre Un- beſtaͤndigkeit ſehr wohl vor. ³⁴ Ulema] Dieſes iſt ein allgemeiner Name, damit man alle diejenigen zu benennen pfleget, die ſich durch ein gewiſſes geiſtliches Amt von den uͤbrigen unterſcheiden. Was dieſes fuͤr Aemter ſind: das iſt in einer An- merkung des erſten Theils * angefuͤhret worden. Sie * 44 S. 10 Anm.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/560>, abgerufen am 25.11.2024.