zwischen der Stadt und dem Feinde zu lagern. So bald die Russen gewahr werden, daß ihnen alle Gemeinschaft mit der Stadt abgeschnitten sey: so grei- fen sie, am zwey und zwanzigsten des Monats Dschemaßiül ochir, Kaplan Pa- schas Truppen mit solcher Tapferkeit an, daß die vördersten Glieder gleich bey dem ersten Anfalle getrennet werden, und die andern die Flucht nehmen, und, um ihr Leben zu retten, mitten durch den Morast setzen. Als Kaplan Pascha siehet, daß weder Bitten noch Drohen bey seinen erschrockenen Soldaten etwas helfen will, und alle Hoffnung verloren ist: so zündet er die über den Morast gebaueten Brücken an, um zu verhindern, daß der Feind sie nicht verfolgete, und das ganze osmanische Heer zu Grunde richtete.
Tschehrin wird von den Türkenerobert.
36.
Endlich, da der Weßir merket, daß der Winter herannahet; und daher gezwungen ist, entweder zu siegen, oder wieder abzuziehen: so lässet er drey Minen unter den Mauren der Festung verfertigen, und selbige am ein und zwanzigsten desselben Monats springen; stellet auch Befehl, daß seine Soldaten die Stadt umringen, und durch die gemachten Oeffnungen Sturm laufen soll- ten. Die von der Besatzung sehen, daß keine Hoffnung zur Vertheidigung der Stadt mehr übrig ist; weil die Mauren umgeworfen waren: sie fliehen daher durch das Thor heraus gegen den Dnjeper zu, und lassen den Türken mehr einen verfallenen Haufen, als eine mit Mauren versehene Festung, zurück. Sie hatten aber doch vorher unter der Pulverkammer einen Weg von Pulver gestreuet; dadurch viele tausend gemeine Soldaten, die dahin gelaufen waren, um zu plündern, in die Luft gesprenget wurden.
Beyde Krieges- heere kehrennach Hause.
37.
Tages darauf besichtiget der Weßir die Stadt, in Begleitung der vornehmsten Befehlhaber seines Heeres; und da man befindet, daß dieselbe sehr schwer sowol wieder herzustellen als zu vertheidigen sey: so befiehlet er, die Festungswerke samt den Häusern dem Boden gleich zu machen. Hernach giebt er den Soldaten einige Tage zu ihrer Erquickung, und versuchet, ob er die Russen nicht noch zu einem Treffen bewegen könne. Weil aber diese auf keine Weise aus ihren Verschanzungen heraus zu bringen waren, und sich zum Abzuge anschickten: so sendet er Kaplan Pascha mit einem Trupp leichter Rei- terey ihnen nach, mit Befehle, sie auf ihrem Zuge oder in den engen Pässen anzugreifen. Aber auch dieser Anschlag wollte nichts verfangen. Denn die Russen zogen sich mit geschlossenen Gliedern zurück, und hatten hinter sich eine Wagenburg zu ihrer Beschützung geschlossen; daher schlugen sie die anfallenden [Spaltenumbruch]
dem Ansehen einer Mutter über ihren Sohn nachtheilig zu seyn. Daher wurde eine mitt- lere Benennung erfunden und nur allein sei- [Spaltenumbruch] ner Mutter verstattet, nämlich daß sie densel- ben Löw nennet.
Türken
Osmaniſche Geſchichte
zwiſchen der Stadt und dem Feinde zu lagern. So bald die Ruſſen gewahr werden, daß ihnen alle Gemeinſchaft mit der Stadt abgeſchnitten ſey: ſo grei- fen ſie, am zwey und zwanzigſten des Monats Dſchemaßiuͤl ochir, Kaplan Pa- ſchas Truppen mit ſolcher Tapferkeit an, daß die voͤrderſten Glieder gleich bey dem erſten Anfalle getrennet werden, und die andern die Flucht nehmen, und, um ihr Leben zu retten, mitten durch den Moraſt ſetzen. Als Kaplan Paſcha ſiehet, daß weder Bitten noch Drohen bey ſeinen erſchrockenen Soldaten etwas helfen will, und alle Hoffnung verloren iſt: ſo zuͤndet er die uͤber den Moraſt gebaueten Bruͤcken an, um zu verhindern, daß der Feind ſie nicht verfolgete, und das ganze osmaniſche Heer zu Grunde richtete.
Tſchehrin wird von den Tuͤrkenerobert.
36.
Endlich, da der Weßir merket, daß der Winter herannahet; und daher gezwungen iſt, entweder zu ſiegen, oder wieder abzuziehen: ſo laͤſſet er drey Minen unter den Mauren der Feſtung verfertigen, und ſelbige am ein und zwanzigſten deſſelben Monats ſpringen; ſtellet auch Befehl, daß ſeine Soldaten die Stadt umringen, und durch die gemachten Oeffnungen Sturm laufen ſoll- ten. Die von der Beſatzung ſehen, daß keine Hoffnung zur Vertheidigung der Stadt mehr uͤbrig iſt; weil die Mauren umgeworfen waren: ſie fliehen daher durch das Thor heraus gegen den Dnjeper zu, und laſſen den Tuͤrken mehr einen verfallenen Haufen, als eine mit Mauren verſehene Feſtung, zuruͤck. Sie hatten aber doch vorher unter der Pulverkammer einen Weg von Pulver geſtreuet; dadurch viele tauſend gemeine Soldaten, die dahin gelaufen waren, um zu pluͤndern, in die Luft geſprenget wurden.
Beyde Krieges- heere kehrennach Hauſe.
37.
Tages darauf beſichtiget der Weßir die Stadt, in Begleitung der vornehmſten Befehlhaber ſeines Heeres; und da man befindet, daß dieſelbe ſehr ſchwer ſowol wieder herzuſtellen als zu vertheidigen ſey: ſo befiehlet er, die Feſtungswerke ſamt den Haͤuſern dem Boden gleich zu machen. Hernach giebt er den Soldaten einige Tage zu ihrer Erquickung, und verſuchet, ob er die Ruſſen nicht noch zu einem Treffen bewegen koͤnne. Weil aber dieſe auf keine Weiſe aus ihren Verſchanzungen heraus zu bringen waren, und ſich zum Abzuge anſchickten: ſo ſendet er Kaplan Paſcha mit einem Trupp leichter Rei- terey ihnen nach, mit Befehle, ſie auf ihrem Zuge oder in den engen Paͤſſen anzugreifen. Aber auch dieſer Anſchlag wollte nichts verfangen. Denn die Ruſſen zogen ſich mit geſchloſſenen Gliedern zuruͤck, und hatten hinter ſich eine Wagenburg zu ihrer Beſchuͤtzung geſchloſſen; daher ſchlugen ſie die anfallenden [Spaltenumbruch]
dem Anſehen einer Mutter uͤber ihren Sohn nachtheilig zu ſeyn. Daher wurde eine mitt- lere Benennung erfunden und nur allein ſei- [Spaltenumbruch] ner Mutter verſtattet, naͤmlich daß ſie denſel- ben Loͤw nennet.
Tuͤrken
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Osmaniſche Geſchichte
zwiſchen der Stadt und dem Feinde zu lagern. So bald die Ruſſen gewahr
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fen ſie, am zwey und zwanzigſten des Monats Dſchemaßiuͤl ochir, Kaplan Pa-
ſchas Truppen mit ſolcher Tapferkeit an, daß die voͤrderſten Glieder gleich bey
dem erſten Anfalle getrennet werden, und die andern die Flucht nehmen, und,
um ihr Leben zu retten, mitten durch den Moraſt ſetzen. Als Kaplan Paſcha
ſiehet, daß weder Bitten noch Drohen bey ſeinen erſchrockenen Soldaten etwas
helfen will, und alle Hoffnung verloren iſt: ſo zuͤndet er die uͤber den Moraſt
gebaueten Bruͤcken an, um zu verhindern, daß der Feind ſie nicht verfolgete,
und das ganze osmaniſche Heer zu Grunde richtete.
36. Endlich, da der Weßir merket, daß der Winter herannahet; und
daher gezwungen iſt, entweder zu ſiegen, oder wieder abzuziehen: ſo laͤſſet er
drey Minen unter den Mauren der Feſtung verfertigen, und ſelbige am ein und
zwanzigſten deſſelben Monats ſpringen; ſtellet auch Befehl, daß ſeine Soldaten
die Stadt umringen, und durch die gemachten Oeffnungen Sturm laufen ſoll-
ten. Die von der Beſatzung ſehen, daß keine Hoffnung zur Vertheidigung
der Stadt mehr uͤbrig iſt; weil die Mauren umgeworfen waren: ſie fliehen
daher durch das Thor heraus gegen den Dnjeper zu, und laſſen den Tuͤrken
mehr einen verfallenen Haufen, als eine mit Mauren verſehene Feſtung, zuruͤck.
Sie hatten aber doch vorher unter der Pulverkammer einen Weg von Pulver
geſtreuet; dadurch viele tauſend gemeine Soldaten, die dahin gelaufen waren,
um zu pluͤndern, in die Luft geſprenget wurden.
37. Tages darauf beſichtiget der Weßir die Stadt, in Begleitung der
vornehmſten Befehlhaber ſeines Heeres; und da man befindet, daß dieſelbe
ſehr ſchwer ſowol wieder herzuſtellen als zu vertheidigen ſey: ſo befiehlet er,
die Feſtungswerke ſamt den Haͤuſern dem Boden gleich zu machen. Hernach
giebt er den Soldaten einige Tage zu ihrer Erquickung, und verſuchet, ob er
die Ruſſen nicht noch zu einem Treffen bewegen koͤnne. Weil aber dieſe auf
keine Weiſe aus ihren Verſchanzungen heraus zu bringen waren, und ſich zum
Abzuge anſchickten: ſo ſendet er Kaplan Paſcha mit einem Trupp leichter Rei-
terey ihnen nach, mit Befehle, ſie auf ihrem Zuge oder in den engen Paͤſſen
anzugreifen. Aber auch dieſer Anſchlag wollte nichts verfangen. Denn die
Ruſſen zogen ſich mit geſchloſſenen Gliedern zuruͤck, und hatten hinter ſich eine
Wagenburg zu ihrer Beſchuͤtzung geſchloſſen; daher ſchlugen ſie die anfallenden
Tuͤrken
dem Anſehen einer Mutter uͤber ihren Sohn
nachtheilig zu ſeyn. Daher wurde eine mitt-
lere Benennung erfunden und nur allein ſei-
ner Mutter verſtattet, naͤmlich daß ſie denſel-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/556>, abgerufen am 25.11.2024.
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