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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
von der Ukraina, das seinen Vorfahrern unrechtmäßiger Weise entrissen wor-
den, bis an den Dnjester und nach Aßow hin, wieder erobert habe.

32.

Nachdem der Weßir dieses Schreiben gelesen hatte: so ließ er denDie Türken er-
klären nochmals
den Krieg gegen
Rußland.

Müfti, den Kaimmäkam, die Kaßijüläskjer und den Aga der Jeng-itscheri zu
sich berufen, und wollte von ihnen wissen, was nach dem Gesetze und den Re-
geln der Vernunft hiebey zu thun sey. Die meisten erkläreten sich für den Frie-
den, weil wenig Hoffnung vorhanden sey, daß in diesen beschwerlichen und ent-
fernten Gegenden zum Vortheile und Besten der Osmanen etwas ausgerichtet
werden könne. Der Weßir Kara Mustäfa Pascha 28 allein setzte sich diesen
friedfertigen Rathschlägen entgegen, und sagte: eine so große Niederlage, die
die Russen unter den Tatarn angerichtet hätten, müßte nicht ungerochen hinge-
hen. Die übrigen gaben aus Gefälligkeit gegen den Weßir ihre Einwilligung
dazu, und es wurde daher der Schluß gefasset, daß man den Krieg aus äußer-
sten Kräften erneuren, und zu dem Ende ein mächtigeres Kriegesheer aufrichten
sollte. Der russische Abgesandte bekam also eine Antwort zurück, die nichts als
Feuer und Schwert drohete.

33.

Als nun die Zeit, die zur Erquickung der Soldaten ausgesetzetDer Weßir zie-
het mit dem
Kriegesheere zu
Felde:

wird, verstrichen war: so begiebt sich der Kaiser gegen das Ende des Monats
Rebiül ewwel im Jahre 1089, in Begleitung des Weßirs, mit seinem Krieges-
heere nach Tatar Baßardschikj 29, daselbst er dem Weßire die völlige Befehlha-H. 1089.



J. C. 1678.
bung über die Kriegesheere aufträget, und ihm befiehlet, den Zug weiter fortzu-
[Spaltenumbruch]
nicht weniger tapfer, als klug, kriegerisch, ehr-
geizig, und erfand täglich tausend Kunstgriffe,
seinen Nachbarn neue Kriege zu erregen.
Man kann keine andere Ursache von seinem
Falle angeben, als daß er durch seinen Reich-
thum und seine Macht sich so sehr verblenden
ließe, daß er ein neues Reich in Westen auf-
richten wollte. Nach seinem Tode fand man
drey tausend Beutel* im Grunde seines Ba-
des, das er im Hause hatte, und davon er
die Bauleute (deren einige albanische Chri-
sten waren, die die Aufsicht über diejenigen
Werke haben, dadurch das Wasser in die
Stadt geleitet wird) alle ums Leben bringen
[Spaltenumbruch]
ließe, so bald der Bau fertig war. Er hin-
terließ nicht mehr als einen Sohn, Ibrahim,
der ein elendes Leben führete, bis sein Anver-
wandter, Aemidsche Ogli Husejn Pascha,
zu der Würde des Weßirs gelangte. Dieser
erinnerte sich der Gewogenhet, die er von
Kara Mustäfa Pascha empfangen hatte, und
sendete daher Ibrahim nicht allein mit dreyen
Tugen nach Aleppo; sondern erstattete ihm
auch alles wieder, was er verloren hatte,
und bauete ihm auf seine eigenen Kosten einen
prächtigen Palast zu Constantinopel.
29 Tatar Baßardschikj] Eine ziem-

setzen.
* Dieses sind 1500000 Löwenthaler, oder 1384615 Reichsthaler, 9 Gr. 2 Pf.
3 K 3

19. Muhaͤmmed der IIII
von der Ukraina, das ſeinen Vorfahrern unrechtmaͤßiger Weiſe entriſſen wor-
den, bis an den Dnjeſter und nach Aßow hin, wieder erobert habe.

32.

Nachdem der Weßir dieſes Schreiben geleſen hatte: ſo ließ er denDie Tuͤrken er-
klaͤren nochmals
den Krieg gegen
Rußland.

Muͤfti, den Kaimmaͤkam, die Kaßijuͤlaͤskjer und den Aga der Jeng-itſcheri zu
ſich berufen, und wollte von ihnen wiſſen, was nach dem Geſetze und den Re-
geln der Vernunft hiebey zu thun ſey. Die meiſten erklaͤreten ſich fuͤr den Frie-
den, weil wenig Hoffnung vorhanden ſey, daß in dieſen beſchwerlichen und ent-
fernten Gegenden zum Vortheile und Beſten der Osmanen etwas ausgerichtet
werden koͤnne. Der Weßir Kara Muſtaͤfa Paſcha 28 allein ſetzte ſich dieſen
friedfertigen Rathſchlaͤgen entgegen, und ſagte: eine ſo große Niederlage, die
die Ruſſen unter den Tatarn angerichtet haͤtten, muͤßte nicht ungerochen hinge-
hen. Die uͤbrigen gaben aus Gefaͤlligkeit gegen den Weßir ihre Einwilligung
dazu, und es wurde daher der Schluß gefaſſet, daß man den Krieg aus aͤußer-
ſten Kraͤften erneuren, und zu dem Ende ein maͤchtigeres Kriegesheer aufrichten
ſollte. Der ruſſiſche Abgeſandte bekam alſo eine Antwort zuruͤck, die nichts als
Feuer und Schwert drohete.

33.

Als nun die Zeit, die zur Erquickung der Soldaten ausgeſetzetDer Weßir zie-
het mit dem
Kriegesheere zu
Felde:

wird, verſtrichen war: ſo begiebt ſich der Kaiſer gegen das Ende des Monats
Rebiuͤl ewwel im Jahre 1089, in Begleitung des Weßirs, mit ſeinem Krieges-
heere nach Tatar Baßardſchikj 29, daſelbſt er dem Weßire die voͤllige Befehlha-H. 1089.



J. C. 1678.
bung uͤber die Kriegesheere auftraͤget, und ihm befiehlet, den Zug weiter fortzu-
[Spaltenumbruch]
nicht weniger tapfer, als klug, kriegeriſch, ehr-
geizig, und erfand taͤglich tauſend Kunſtgriffe,
ſeinen Nachbarn neue Kriege zu erregen.
Man kann keine andere Urſache von ſeinem
Falle angeben, als daß er durch ſeinen Reich-
thum und ſeine Macht ſich ſo ſehr verblenden
ließe, daß er ein neues Reich in Weſten auf-
richten wollte. Nach ſeinem Tode fand man
drey tauſend Beutel* im Grunde ſeines Ba-
des, das er im Hauſe hatte, und davon er
die Bauleute (deren einige albaniſche Chri-
ſten waren, die die Aufſicht uͤber diejenigen
Werke haben, dadurch das Waſſer in die
Stadt geleitet wird) alle ums Leben bringen
[Spaltenumbruch]
ließe, ſo bald der Bau fertig war. Er hin-
terließ nicht mehr als einen Sohn, Ibrahim,
der ein elendes Leben fuͤhrete, bis ſein Anver-
wandter, Aemidſche Ogli Huſejn Paſcha,
zu der Wuͤrde des Weßirs gelangte. Dieſer
erinnerte ſich der Gewogenhet, die er von
Kara Muſtaͤfa Paſcha empfangen hatte, und
ſendete daher Ibrahim nicht allein mit dreyen
Tugen nach Aleppo; ſondern erſtattete ihm
auch alles wieder, was er verloren hatte,
und bauete ihm auf ſeine eigenen Koſten einen
praͤchtigen Palaſt zu Conſtantinopel.
29 Tatar Baßardſchikj] Eine ziem-

ſetzen.
* Dieſes ſind 1500000 Loͤwenthaler, oder 1384615 Reichsthaler, 9 Gr. 2 Pf.
3 K 3
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[445/0553] 19. Muhaͤmmed der IIII von der Ukraina, das ſeinen Vorfahrern unrechtmaͤßiger Weiſe entriſſen wor- den, bis an den Dnjeſter und nach Aßow hin, wieder erobert habe. 32. Nachdem der Weßir dieſes Schreiben geleſen hatte: ſo ließ er den Muͤfti, den Kaimmaͤkam, die Kaßijuͤlaͤskjer und den Aga der Jeng-itſcheri zu ſich berufen, und wollte von ihnen wiſſen, was nach dem Geſetze und den Re- geln der Vernunft hiebey zu thun ſey. Die meiſten erklaͤreten ſich fuͤr den Frie- den, weil wenig Hoffnung vorhanden ſey, daß in dieſen beſchwerlichen und ent- fernten Gegenden zum Vortheile und Beſten der Osmanen etwas ausgerichtet werden koͤnne. Der Weßir Kara Muſtaͤfa Paſcha ²⁸ allein ſetzte ſich dieſen friedfertigen Rathſchlaͤgen entgegen, und ſagte: eine ſo große Niederlage, die die Ruſſen unter den Tatarn angerichtet haͤtten, muͤßte nicht ungerochen hinge- hen. Die uͤbrigen gaben aus Gefaͤlligkeit gegen den Weßir ihre Einwilligung dazu, und es wurde daher der Schluß gefaſſet, daß man den Krieg aus aͤußer- ſten Kraͤften erneuren, und zu dem Ende ein maͤchtigeres Kriegesheer aufrichten ſollte. Der ruſſiſche Abgeſandte bekam alſo eine Antwort zuruͤck, die nichts als Feuer und Schwert drohete. Die Tuͤrken er- klaͤren nochmals den Krieg gegen Rußland. 33. Als nun die Zeit, die zur Erquickung der Soldaten ausgeſetzet wird, verſtrichen war: ſo begiebt ſich der Kaiſer gegen das Ende des Monats Rebiuͤl ewwel im Jahre 1089, in Begleitung des Weßirs, mit ſeinem Krieges- heere nach Tatar Baßardſchikj ²⁹ , daſelbſt er dem Weßire die voͤllige Befehlha- bung uͤber die Kriegesheere auftraͤget, und ihm befiehlet, den Zug weiter fortzu- ſetzen. nicht weniger tapfer, als klug, kriegeriſch, ehr- geizig, und erfand taͤglich tauſend Kunſtgriffe, ſeinen Nachbarn neue Kriege zu erregen. Man kann keine andere Urſache von ſeinem Falle angeben, als daß er durch ſeinen Reich- thum und ſeine Macht ſich ſo ſehr verblenden ließe, daß er ein neues Reich in Weſten auf- richten wollte. Nach ſeinem Tode fand man drey tauſend Beutel * im Grunde ſeines Ba- des, das er im Hauſe hatte, und davon er die Bauleute (deren einige albaniſche Chri- ſten waren, die die Aufſicht uͤber diejenigen Werke haben, dadurch das Waſſer in die Stadt geleitet wird) alle ums Leben bringen ließe, ſo bald der Bau fertig war. Er hin- terließ nicht mehr als einen Sohn, Ibrahim, der ein elendes Leben fuͤhrete, bis ſein Anver- wandter, Aemidſche Ogli Huſejn Paſcha, zu der Wuͤrde des Weßirs gelangte. Dieſer erinnerte ſich der Gewogenhet, die er von Kara Muſtaͤfa Paſcha empfangen hatte, und ſendete daher Ibrahim nicht allein mit dreyen Tugen nach Aleppo; ſondern erſtattete ihm auch alles wieder, was er verloren hatte, und bauete ihm auf ſeine eigenen Koſten einen praͤchtigen Palaſt zu Conſtantinopel. ²⁹ Tatar Baßardſchikj] Eine ziem- lich Der Weßir zie- het mit dem Kriegesheere zu Felde: H. 1089. J. C. 1678. * Dieſes ſind 1500000 Loͤwenthaler, oder 1384615 Reichsthaler, 9 Gr. 2[FORMEL] Pf. 3 K 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/553>, abgerufen am 25.11.2024.