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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
Der Sultan ver-
langet mit dem
Zar Frieden zumachen.
30.

Dieser unglückliche Erfolg verursachte, daß den Kaiser noch mehr
nach dem Frieden verlangte. Um aber doch zu verhüten, daß seine Ehre dabey
nicht Noth litte: so schickte er einen Abgesandten nach Rußland, nicht in seinem
eigenen Namen, sondern in dem Namen des Chans von der Tatarey, der den
Zar durch freundliche Worte bereden sollte, mit dem Sultan Frieden zu machen,
Tschehrin wieder heraus zu geben, als das unleugbar den Türken zugehöre,
und die Kosaken ihrem eigenen bösen Sinne zu überlassen; denn er sey gewiß
versichert, der Sultan werde eher zwanzig Jahre lang Krieg führen, der Aus-
gang möge auch kommen, wie er wolle, als einen einzigen Fußbreit Landes,
zu dem er ein Recht habe, zurücklassen.

Der Zar sendet
ein nachdrückli-
ches Schreibenan den Sultan.
31.

Allein, der Zar von Rußland, dem nicht unbekannt war, von wem
der Abgesandte eigentlich sein Geschäffte empfangen hatte, sendete iemanden von
seinem Hofe bloß unter dem Titel eines Tschawsch nach Constantinopel, und
gab ihm Schreiben an den Kaiser und Weßir mit, in denen er denselben mel-
dete: sie möchten sich nur nicht schmeicheln, daß sie ihn durch eben solche Kunst-
griffe hintergehen würden, als die Polen; dieser ihr Beyspiel habe ihn vorsich-
tiger gemacht, und gelehret, wie man mit ihnen umgehen müsse. Sie sollten
daher von einem so ungerechten Kriege abstehen, und die Ukraina im Friede
lassen, als darauf er durch Bogdan Kjemjelniskis Uebergebung, die letzthin von
Doroschensko bestätiget worden, ein unstreitiges Recht erlanget habe. Wenn
sie aber darauf beharreten, den Krieg fortzusetzen: so sollten sie versichert seyn,
daß er nicht eher in einen Frieden einwilligen würde, als bis er das Uebrige
[Spaltenumbruch]

der Stadt Oßi, insgemein Otschakow und
von den Griechen Obbiopolis genennet, in
das schwarze Meer ergießet. Er hat sehr
viele Wasserfälle, und kann aus dieser Ursache
nicht beschiffet werden; ungeachtet er so tief
ist, daß man nicht aller Orten durchsetzen
kann. Dieser Bug muß nicht verwechselt
werden mit einem andern Flusse dieses Na-
mens in Pokutien, der nicht weit von Lem-
berg entspringet, und bey Warschaw in die
Weichsel fället.
28 Kara Mustäfa] Ist eben derselbe,
der hernach durch die Belagerung von Wien
so berühmt geworden ist. Er war aus einem
[Spaltenumbruch]
unbekannten Geschlechte in Karamanien ent-
sprossen; nachdem er aber an dem Hofe der
zweenen Kjüprili, Vaters und Sohnes, aufer-
zogen worden und ihnen beyden gedienet hatte:
so wurde er erstlich Pascha von Silistria und
Damaskus, hernach Admiral, hierauf Kaim-
mäkam, und endlich wurde er nach dem Tode
Kjüprili Aehmed Paschas zu der Würde des
obersten Weßirs erhoben. Er war der gei-
zigste unter allen Weßiren, die iemals in
dem osmanischen Reiche gewesen sind, und
dieses Laster verursachte, daß viele von seinen
Absichten unglücklich abliefen, die sonst einen
guten Erfolg würden gehabt haben. Sonst
war er ein Mann von großer Geschicklichkeit,

von
Osmaniſche Geſchichte
Der Sultan ver-
langet mit dem
Zar Frieden zumachen.
30.

Dieſer ungluͤckliche Erfolg verurſachte, daß den Kaiſer noch mehr
nach dem Frieden verlangte. Um aber doch zu verhuͤten, daß ſeine Ehre dabey
nicht Noth litte: ſo ſchickte er einen Abgeſandten nach Rußland, nicht in ſeinem
eigenen Namen, ſondern in dem Namen des Chans von der Tatarey, der den
Zar durch freundliche Worte bereden ſollte, mit dem Sultan Frieden zu machen,
Tſchehrin wieder heraus zu geben, als das unleugbar den Tuͤrken zugehoͤre,
und die Koſaken ihrem eigenen boͤſen Sinne zu uͤberlaſſen; denn er ſey gewiß
verſichert, der Sultan werde eher zwanzig Jahre lang Krieg fuͤhren, der Aus-
gang moͤge auch kommen, wie er wolle, als einen einzigen Fußbreit Landes,
zu dem er ein Recht habe, zuruͤcklaſſen.

Der Zar ſendet
ein nachdruͤckli-
ches Schreibenan den Sultan.
31.

Allein, der Zar von Rußland, dem nicht unbekannt war, von wem
der Abgeſandte eigentlich ſein Geſchaͤffte empfangen hatte, ſendete iemanden von
ſeinem Hofe bloß unter dem Titel eines Tſchawſch nach Conſtantinopel, und
gab ihm Schreiben an den Kaiſer und Weßir mit, in denen er denſelben mel-
dete: ſie moͤchten ſich nur nicht ſchmeicheln, daß ſie ihn durch eben ſolche Kunſt-
griffe hintergehen wuͤrden, als die Polen; dieſer ihr Beyſpiel habe ihn vorſich-
tiger gemacht, und gelehret, wie man mit ihnen umgehen muͤſſe. Sie ſollten
daher von einem ſo ungerechten Kriege abſtehen, und die Ukraina im Friede
laſſen, als darauf er durch Bogdan Kjemjelniſkis Uebergebung, die letzthin von
Doroſchenſko beſtaͤtiget worden, ein unſtreitiges Recht erlanget habe. Wenn
ſie aber darauf beharreten, den Krieg fortzuſetzen: ſo ſollten ſie verſichert ſeyn,
daß er nicht eher in einen Frieden einwilligen wuͤrde, als bis er das Uebrige
[Spaltenumbruch]

der Stadt Oßi, insgemein Otſchakow und
von den Griechen Obbiopolis genennet, in
das ſchwarze Meer ergießet. Er hat ſehr
viele Waſſerfaͤlle, und kann aus dieſer Urſache
nicht beſchiffet werden; ungeachtet er ſo tief
iſt, daß man nicht aller Orten durchſetzen
kann. Dieſer Bug muß nicht verwechſelt
werden mit einem andern Fluſſe dieſes Na-
mens in Pokutien, der nicht weit von Lem-
berg entſpringet, und bey Warſchaw in die
Weichſel faͤllet.
28 Kara Muſtaͤfa] Iſt eben derſelbe,
der hernach durch die Belagerung von Wien
ſo beruͤhmt geworden iſt. Er war aus einem
[Spaltenumbruch]
unbekannten Geſchlechte in Karamanien ent-
ſproſſen; nachdem er aber an dem Hofe der
zweenen Kjuͤprili, Vaters und Sohnes, aufer-
zogen worden und ihnen beyden gedienet hatte:
ſo wurde er erſtlich Paſcha von Siliſtria und
Damaskus, hernach Admiral, hierauf Kaim-
maͤkam, und endlich wurde er nach dem Tode
Kjuͤprili Aehmed Paſchas zu der Wuͤrde des
oberſten Weßirs erhoben. Er war der gei-
zigſte unter allen Weßiren, die iemals in
dem osmaniſchen Reiche geweſen ſind, und
dieſes Laſter verurſachte, daß viele von ſeinen
Abſichten ungluͤcklich abliefen, die ſonſt einen
guten Erfolg wuͤrden gehabt haben. Sonſt
war er ein Mann von großer Geſchicklichkeit,

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[444/0552] Osmaniſche Geſchichte 30. Dieſer ungluͤckliche Erfolg verurſachte, daß den Kaiſer noch mehr nach dem Frieden verlangte. Um aber doch zu verhuͤten, daß ſeine Ehre dabey nicht Noth litte: ſo ſchickte er einen Abgeſandten nach Rußland, nicht in ſeinem eigenen Namen, ſondern in dem Namen des Chans von der Tatarey, der den Zar durch freundliche Worte bereden ſollte, mit dem Sultan Frieden zu machen, Tſchehrin wieder heraus zu geben, als das unleugbar den Tuͤrken zugehoͤre, und die Koſaken ihrem eigenen boͤſen Sinne zu uͤberlaſſen; denn er ſey gewiß verſichert, der Sultan werde eher zwanzig Jahre lang Krieg fuͤhren, der Aus- gang moͤge auch kommen, wie er wolle, als einen einzigen Fußbreit Landes, zu dem er ein Recht habe, zuruͤcklaſſen. 31. Allein, der Zar von Rußland, dem nicht unbekannt war, von wem der Abgeſandte eigentlich ſein Geſchaͤffte empfangen hatte, ſendete iemanden von ſeinem Hofe bloß unter dem Titel eines Tſchawſch nach Conſtantinopel, und gab ihm Schreiben an den Kaiſer und Weßir mit, in denen er denſelben mel- dete: ſie moͤchten ſich nur nicht ſchmeicheln, daß ſie ihn durch eben ſolche Kunſt- griffe hintergehen wuͤrden, als die Polen; dieſer ihr Beyſpiel habe ihn vorſich- tiger gemacht, und gelehret, wie man mit ihnen umgehen muͤſſe. Sie ſollten daher von einem ſo ungerechten Kriege abſtehen, und die Ukraina im Friede laſſen, als darauf er durch Bogdan Kjemjelniſkis Uebergebung, die letzthin von Doroſchenſko beſtaͤtiget worden, ein unſtreitiges Recht erlanget habe. Wenn ſie aber darauf beharreten, den Krieg fortzuſetzen: ſo ſollten ſie verſichert ſeyn, daß er nicht eher in einen Frieden einwilligen wuͤrde, als bis er das Uebrige von der Stadt Oßi, insgemein Otſchakow und von den Griechen Obbiopolis genennet, in das ſchwarze Meer ergießet. Er hat ſehr viele Waſſerfaͤlle, und kann aus dieſer Urſache nicht beſchiffet werden; ungeachtet er ſo tief iſt, daß man nicht aller Orten durchſetzen kann. Dieſer Bug muß nicht verwechſelt werden mit einem andern Fluſſe dieſes Na- mens in Pokutien, der nicht weit von Lem- berg entſpringet, und bey Warſchaw in die Weichſel faͤllet. ²⁸ Kara Muſtaͤfa] Iſt eben derſelbe, der hernach durch die Belagerung von Wien ſo beruͤhmt geworden iſt. Er war aus einem unbekannten Geſchlechte in Karamanien ent- ſproſſen; nachdem er aber an dem Hofe der zweenen Kjuͤprili, Vaters und Sohnes, aufer- zogen worden und ihnen beyden gedienet hatte: ſo wurde er erſtlich Paſcha von Siliſtria und Damaskus, hernach Admiral, hierauf Kaim- maͤkam, und endlich wurde er nach dem Tode Kjuͤprili Aehmed Paſchas zu der Wuͤrde des oberſten Weßirs erhoben. Er war der gei- zigſte unter allen Weßiren, die iemals in dem osmaniſchen Reiche geweſen ſind, und dieſes Laſter verurſachte, daß viele von ſeinen Abſichten ungluͤcklich abliefen, die ſonſt einen guten Erfolg wuͤrden gehabt haben. Sonſt war er ein Mann von großer Geſchicklichkeit, nicht

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/552>, abgerufen am 25.11.2024.