gen der Türken im verwichenen Jahre den Weg gebahnet hatten, beygeleget. Sie hatten alle ihre Völker zusammen gezogen, und waren mit denselben, ehe noch der Kaiser mit seinem Heere zu ihnen gelangen konnte, unter Anführung Johann Sobjeskis bey Chotin über den Dnjester gegangen; weil sie es für rathsamer hielten, ihre Feinde anzugreifen, als dieselben von ihren eigenen Mau- ren zu vertreiben.
5.
Wenige Tage hernach kommt der Kaiser mit seinem KriegesheereEs erfolget ein hartnäckiges Treffen bey Cho- tin. gleichfals daselbst an, und findet den Ort, da er über den Fluß zu gehen gedachte, von dem Feinde besetzt. Er erstaunet über die Verwegenheit eines Volkes, das nur kürzlich überwunden worden war; und glaubet, es hätte sich durch sei- nen bösen Geist zum Untergange verleiten lassen, und sich zwischen dem Dnjester und der Donau selbst eingeschlossen. Er erinnert daher seine gesammten Trup- pen an ihre vorhergehenden Siege, hält denselben den Ruhm des osmanischen Namens vor, und befiehlet ihnen, den Feind beherzt anzugreifen. Die Polen hingegen sind entschlossen, den Schimpf, den sie sich im vorigen Jahre zugezogen hatten, auszutilgen. Nachdem also ihre Feldhauptleute die Soldaten sowol durch ihr Zureden als Beyspiel angefrischet hatten: so stelleten sie dieselben in Schlachtordnung. Hierauf gehen beyderseitige Kriegesheere auf einander los, und halten ein hartnäckiges und blutiges Treffen mit einander, das bis auf den Abend währete, so daß der Ausgang noch zweifelhaft blieb.
6.
Mittlerweile, da beyde Theile in dem hitzigsten Gefechte mit einanderDie Fürsten von der Moldau und Walachey gehen zu den Po- len über; und diese erhalten den Sieg. begriffen sind, gehen der Fürst von Moldau, Petretschejkus 3, und der Fürst von der Walachey, Gregorius 4, Gikas 5 Sohn, von den Türken zu den Po- [Spaltenumbruch]
ein, und ließ ihm einen jährlichen Gehalt von hundert tausend Soloten* reichen; welches beydes er bis an seinen Tod genossen hat. Weil er ohne Erben verstarb: so ließ man seiner hinterlassenen Witwe gleiche Gnade wiederfahren, bis sie sich zum andernmale an einen Polaken vermälete.
4 Gregorius] Fürst in der Walachey, Georg Gikas, Despots dieses Landes, Sohn. Er war in der That ein großer Mann, und besaß viele vortreffliche Tugenden; wenn er [Spaltenumbruch] nur dieselben nicht durch Verrath gegen seinen Vater beflecket hätte. Er wurde zweymal von den Türken abfällig; und wurde auch beydemale von ihnen wieder zu Gnaden auf- genommen. Das erstemal ging er zu den Deutschen über; und dieses war bey der Schlacht von St. Gotthart, unter dem Weßire Kjüprili Aehmed Pascha: das anderemal geschahe sein Abfall zu den Polen, bey der Schlacht von Chotin. Bey diesem letztern Abfalle suchten die Türken sich seiner Treue dadurch zu versichern, daß sie seine Gemalinn
len
* polnischen Gulden.
19. Muhaͤmmed der IIII
gen der Tuͤrken im verwichenen Jahre den Weg gebahnet hatten, beygeleget. Sie hatten alle ihre Voͤlker zuſammen gezogen, und waren mit denſelben, ehe noch der Kaiſer mit ſeinem Heere zu ihnen gelangen konnte, unter Anfuͤhrung Johann Sobjeſkis bey Chotin uͤber den Dnjeſter gegangen; weil ſie es fuͤr rathſamer hielten, ihre Feinde anzugreifen, als dieſelben von ihren eigenen Mau- ren zu vertreiben.
5.
Wenige Tage hernach kommt der Kaiſer mit ſeinem KriegesheereEs erfolget ein hartnaͤckiges Treffen bey Cho- tin. gleichfals daſelbſt an, und findet den Ort, da er uͤber den Fluß zu gehen gedachte, von dem Feinde beſetzt. Er erſtaunet uͤber die Verwegenheit eines Volkes, das nur kuͤrzlich uͤberwunden worden war; und glaubet, es haͤtte ſich durch ſei- nen boͤſen Geiſt zum Untergange verleiten laſſen, und ſich zwiſchen dem Dnjeſter und der Donau ſelbſt eingeſchloſſen. Er erinnert daher ſeine geſammten Trup- pen an ihre vorhergehenden Siege, haͤlt denſelben den Ruhm des osmaniſchen Namens vor, und befiehlet ihnen, den Feind beherzt anzugreifen. Die Polen hingegen ſind entſchloſſen, den Schimpf, den ſie ſich im vorigen Jahre zugezogen hatten, auszutilgen. Nachdem alſo ihre Feldhauptleute die Soldaten ſowol durch ihr Zureden als Beyſpiel angefriſchet hatten: ſo ſtelleten ſie dieſelben in Schlachtordnung. Hierauf gehen beyderſeitige Kriegesheere auf einander los, und halten ein hartnaͤckiges und blutiges Treffen mit einander, das bis auf den Abend waͤhrete, ſo daß der Ausgang noch zweifelhaft blieb.
6.
Mittlerweile, da beyde Theile in dem hitzigſten Gefechte mit einanderDie Fuͤrſten von der Moldau und Walachey gehen zu den Po- len uͤber; und dieſe erhalten den Sieg. begriffen ſind, gehen der Fuͤrſt von Moldau, Petretſchejkus 3, und der Fuͤrſt von der Walachey, Gregorius 4, Gikas 5 Sohn, von den Tuͤrken zu den Po- [Spaltenumbruch]
ein, und ließ ihm einen jaͤhrlichen Gehalt von hundert tauſend Soloten* reichen; welches beydes er bis an ſeinen Tod genoſſen hat. Weil er ohne Erben verſtarb: ſo ließ man ſeiner hinterlaſſenen Witwe gleiche Gnade wiederfahren, bis ſie ſich zum andernmale an einen Polaken vermaͤlete.
4 Gregorius] Fuͤrſt in der Walachey, Georg Gikas, Deſpots dieſes Landes, Sohn. Er war in der That ein großer Mann, und beſaß viele vortreffliche Tugenden; wenn er [Spaltenumbruch] nur dieſelben nicht durch Verrath gegen ſeinen Vater beflecket haͤtte. Er wurde zweymal von den Tuͤrken abfaͤllig; und wurde auch beydemale von ihnen wieder zu Gnaden auf- genommen. Das erſtemal ging er zu den Deutſchen uͤber; und dieſes war bey der Schlacht von St. Gotthart, unter dem Weßire Kjuͤprili Aehmed Paſcha: das anderemal geſchahe ſein Abfall zu den Polen, bey der Schlacht von Chotin. Bey dieſem letztern Abfalle ſuchten die Tuͤrken ſich ſeiner Treue dadurch zu verſichern, daß ſie ſeine Gemalinn
len
* polniſchen Gulden.
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19. Muhaͤmmed der IIII
gen der Tuͤrken im verwichenen Jahre den Weg gebahnet hatten, beygeleget.
Sie hatten alle ihre Voͤlker zuſammen gezogen, und waren mit denſelben, ehe
noch der Kaiſer mit ſeinem Heere zu ihnen gelangen konnte, unter Anfuͤhrung
Johann Sobjeſkis bey Chotin uͤber den Dnjeſter gegangen; weil ſie es fuͤr
rathſamer hielten, ihre Feinde anzugreifen, als dieſelben von ihren eigenen Mau-
ren zu vertreiben.
5. Wenige Tage hernach kommt der Kaiſer mit ſeinem Kriegesheere
gleichfals daſelbſt an, und findet den Ort, da er uͤber den Fluß zu gehen gedachte,
von dem Feinde beſetzt. Er erſtaunet uͤber die Verwegenheit eines Volkes,
das nur kuͤrzlich uͤberwunden worden war; und glaubet, es haͤtte ſich durch ſei-
nen boͤſen Geiſt zum Untergange verleiten laſſen, und ſich zwiſchen dem Dnjeſter
und der Donau ſelbſt eingeſchloſſen. Er erinnert daher ſeine geſammten Trup-
pen an ihre vorhergehenden Siege, haͤlt denſelben den Ruhm des osmaniſchen
Namens vor, und befiehlet ihnen, den Feind beherzt anzugreifen. Die Polen
hingegen ſind entſchloſſen, den Schimpf, den ſie ſich im vorigen Jahre zugezogen
hatten, auszutilgen. Nachdem alſo ihre Feldhauptleute die Soldaten ſowol
durch ihr Zureden als Beyſpiel angefriſchet hatten: ſo ſtelleten ſie dieſelben in
Schlachtordnung. Hierauf gehen beyderſeitige Kriegesheere auf einander los,
und halten ein hartnaͤckiges und blutiges Treffen mit einander, das bis auf den
Abend waͤhrete, ſo daß der Ausgang noch zweifelhaft blieb.
Es erfolget ein
hartnaͤckiges
Treffen bey Cho-
tin.
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begriffen ſind, gehen der Fuͤrſt von Moldau, Petretſchejkus
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, und der Fuͤrſt
von der Walachey, Gregorius
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Sohn, von den Tuͤrken zu den Po-
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ein, und ließ ihm einen jaͤhrlichen Gehalt von
hundert tauſend Soloten * reichen; welches
beydes er bis an ſeinen Tod genoſſen hat.
Weil er ohne Erben verſtarb: ſo ließ man
ſeiner hinterlaſſenen Witwe gleiche Gnade
wiederfahren, bis ſie ſich zum andernmale
an einen Polaken vermaͤlete.
⁴ Gregorius] Fuͤrſt in der Walachey,
Georg Gikas, Deſpots dieſes Landes, Sohn.
Er war in der That ein großer Mann, und
beſaß viele vortreffliche Tugenden; wenn er
nur dieſelben nicht durch Verrath gegen ſeinen
Vater beflecket haͤtte. Er wurde zweymal
von den Tuͤrken abfaͤllig; und wurde auch
beydemale von ihnen wieder zu Gnaden auf-
genommen. Das erſtemal ging er zu den
Deutſchen uͤber; und dieſes war bey der
Schlacht von St. Gotthart, unter dem Weßire
Kjuͤprili Aehmed Paſcha: das anderemal
geſchahe ſein Abfall zu den Polen, bey der
Schlacht von Chotin. Bey dieſem letztern
Abfalle ſuchten die Tuͤrken ſich ſeiner Treue
dadurch zu verſichern, daß ſie ſeine Gemalinn
und
Die Fuͤrſten
von der Moldau
und Walachey
gehen zu den Po-
len uͤber; und
dieſe erhalten
den Sieg.
* polniſchen Gulden.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/523>, abgerufen am 16.02.2025.
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