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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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19. Muhämmed der IIII
[Spaltenumbruch]
wegen seiner Geschicklichkeit in der Sterndeu-
tung und seiner Wissenschaft zukünftiger Din-
ge. Als der Weßir noch mit der Belagerung
von Kandia beschäfftiget war: so kommt an
einem gewissen Tage Panagiotes zu ihm ge-
laufen, und bittet ihn, sein Zelt unverzüglich
zu verlassen; denn sein Leben werde den Au-
genblick in Gefahr kommen, wenn er an die-
sem Orte verweile. Der Weßir gehorchet
ihm; lässet aber seine Uhr auf dem Küssen
liegen, darauf er saß, und gehet, ungeachtet
es sehr stark regnete, in ein anderes Zelt.
Kaum ist er dahin gekommen: so fähret eine
Stückkugel von den Wällen der Stadt durch
des Weßirs Zelt, trifft auf den Ort, da der-
selbe gesessen, zertrümmert die Uhr und das
Küssen, und bewähret solchergestalt Panagio-
tes Vorhersagung. Bey dem Feldzuge nach
Kamjenjez verkündigte er die Eroberung der
Stadt auf den zehenten Tag voraus; ob-
gleich iedermann, dem die Lage des Ortes
bekannt war, es für ungereimt hielte. Der
Erfolg aber bestätigte es. So merkwürdig
sein Leben gewesen: eben so merkwürdig war
auch sein Tod. Denn als der Weßir Kjü-
prili Aehmed Pascha mit seinem Lager bey
Saktsche stunde: so fragte er denselben im
Scherze; da alle seine Vorhersagungen ein-
getroffen, und keine davon irrig ausgefallen
sey: ob er dann nicht auch etwas von sich
selbst vorherwissen oder vorhersagen könne?
Panagiotes gab darauf zur Antwort; "wenn
"der Weßir geruhen wolle, heute in der
"sechsten Stunde der Nacht in sein Zelt
"zu kommen: so solle er eine seltsame Be-
"gebenheit sehen; wiewol nicht ohne Be-
"trübniß und Schrecken." Der Weßir
wundert sich, was doch dieses seyn werde;
und gehet um Mitternacht in Panagiotes Zelt.
Gleich bey dem Eintritte höret er das Geschrey
und Weheklagen seiner Bedienten; und als
er näher kommt: so trifft er seinen Ulysses
an, daß er in den letzten Zügen lieget. Einer
von den Dienern sagte: Panagiotes habe ihm
[Spaltenumbruch]
vor seinem Tode befohlen, den Weßir zu bit-
ten, daß er ihm für alle seine dem osmani-
schen Hofe erwiesenen Dienste die Gnade er-
zeigen möchte, seinen Leichnam nach Constan-
tinopel führen und daselbst begraben zu lassen
(eine Ehre, die dem Sultan allein vorbehal-
ten ist, und sonst niemandem, auch dem
Weßire selbst nicht, vergönnet wird). Hier-
auf soll der Weßir geantwortet haben:
"Ich beklage Panagiotes nur in einem
"Stücke; nämlich, da er sonst das Beste
"der Osmanen mit größerer Redlichkeit
"zu Herzen genommen, als man es von einem
"Christen hätte erfordern können, und sol-
"chergestalt alle die Müsülmanen an Treue
"und Statsklugheit übertroffen hat: daß er
"bey seinem Tode nicht noch zu dem gehöri-
"gen Gehorsame gegen Gott und den Pro-
"pheten hat können gebracht werden; sonst
"hätte er verdienet, daß ich seinen Sarg
"eine ganze Meile Weges weit auf meinen
"eigenen Schultern trüge. Ungeachtet er
"nun zwar vielleicht wegen seines Unglau-
"bens von dem Paradiese wird ausgeschlos-
"sen werden: so halte ich es doch für billig,
"damit ihm doch einige Belohnung für seine
"geleisteten Dienste wiederfahren möge, ihn
"seiner letzten Bitte zu gewähren, und ihm
"das verlangte Begräbniß nicht zu verwei-
"gern." Er lässet also den Leichnam
durch seine Bedienten nach Constantinopel
führen, und giebt ihnen ein Chättischerif an
den Kaimmäkam mit, nach welchem dieser
dem constantinopelischen Patriarchen befehlen
solle, den Verstorbenen mit völligem Gepränge
an demjenigen Orte zu begraben, da er es in
seinem letzten Willen verlanget hatte. Es
versammeln sich also alle Griechen und Frem-
den, die sich zu Constantinopel aufhalten,
und bringen den Leichnam auf ein Eyland
in dem Meere von Marmora, daselbst derselbe
in dem Kloster zur heiligen Dreyeinigkeit, das
er hatte ausbessern lassen, beygesetzet wurde.

3 E

19. Muhaͤmmed der IIII
[Spaltenumbruch]
wegen ſeiner Geſchicklichkeit in der Sterndeu-
tung und ſeiner Wiſſenſchaft zukuͤnftiger Din-
ge. Als der Weßir noch mit der Belagerung
von Kandia beſchaͤfftiget war: ſo kommt an
einem gewiſſen Tage Panagiotes zu ihm ge-
laufen, und bittet ihn, ſein Zelt unverzuͤglich
zu verlaſſen; denn ſein Leben werde den Au-
genblick in Gefahr kommen, wenn er an die-
ſem Orte verweile. Der Weßir gehorchet
ihm; laͤſſet aber ſeine Uhr auf dem Kuͤſſen
liegen, darauf er ſaß, und gehet, ungeachtet
es ſehr ſtark regnete, in ein anderes Zelt.
Kaum iſt er dahin gekommen: ſo faͤhret eine
Stuͤckkugel von den Waͤllen der Stadt durch
des Weßirs Zelt, trifft auf den Ort, da der-
ſelbe geſeſſen, zertruͤmmert die Uhr und das
Kuͤſſen, und bewaͤhret ſolchergeſtalt Panagio-
tes Vorherſagung. Bey dem Feldzuge nach
Kamjenjez verkuͤndigte er die Eroberung der
Stadt auf den zehenten Tag voraus; ob-
gleich iedermann, dem die Lage des Ortes
bekannt war, es fuͤr ungereimt hielte. Der
Erfolg aber beſtaͤtigte es. So merkwuͤrdig
ſein Leben geweſen: eben ſo merkwuͤrdig war
auch ſein Tod. Denn als der Weßir Kjuͤ-
prili Aehmed Paſcha mit ſeinem Lager bey
Saktſche ſtunde: ſo fragte er denſelben im
Scherze; da alle ſeine Vorherſagungen ein-
getroffen, und keine davon irrig ausgefallen
ſey: ob er dann nicht auch etwas von ſich
ſelbſt vorherwiſſen oder vorherſagen koͤnne?
Panagiotes gab darauf zur Antwort; “wenn
“der Weßir geruhen wolle, heute in der
“ſechsten Stunde der Nacht in ſein Zelt
“zu kommen: ſo ſolle er eine ſeltſame Be-
“gebenheit ſehen; wiewol nicht ohne Be-
“truͤbniß und Schrecken.„ Der Weßir
wundert ſich, was doch dieſes ſeyn werde;
und gehet um Mitternacht in Panagiotes Zelt.
Gleich bey dem Eintritte hoͤret er das Geſchrey
und Weheklagen ſeiner Bedienten; und als
er naͤher kommt: ſo trifft er ſeinen Ulyſſes
an, daß er in den letzten Zuͤgen lieget. Einer
von den Dienern ſagte: Panagiotes habe ihm
[Spaltenumbruch]
vor ſeinem Tode befohlen, den Weßir zu bit-
ten, daß er ihm fuͤr alle ſeine dem osmani-
ſchen Hofe erwieſenen Dienſte die Gnade er-
zeigen moͤchte, ſeinen Leichnam nach Conſtan-
tinopel fuͤhren und daſelbſt begraben zu laſſen
(eine Ehre, die dem Sultan allein vorbehal-
ten iſt, und ſonſt niemandem, auch dem
Weßire ſelbſt nicht, vergoͤnnet wird). Hier-
auf ſoll der Weßir geantwortet haben:
“Ich beklage Panagiotes nur in einem
“Stuͤcke; naͤmlich, da er ſonſt das Beſte
“der Osmanen mit groͤßerer Redlichkeit
“zu Herzen genommen, als man es von einem
“Chriſten haͤtte erfordern koͤnnen, und ſol-
“chergeſtalt alle die Muͤſuͤlmanen an Treue
“und Statsklugheit uͤbertroffen hat: daß er
“bey ſeinem Tode nicht noch zu dem gehoͤri-
“gen Gehorſame gegen Gott und den Pro-
“pheten hat koͤnnen gebracht werden; ſonſt
“haͤtte er verdienet, daß ich ſeinen Sarg
“eine ganze Meile Weges weit auf meinen
“eigenen Schultern truͤge. Ungeachtet er
“nun zwar vielleicht wegen ſeines Unglau-
“bens von dem Paradieſe wird ausgeſchloſ-
“ſen werden: ſo halte ich es doch fuͤr billig,
“damit ihm doch einige Belohnung fuͤr ſeine
“geleiſteten Dienſte wiederfahren moͤge, ihn
“ſeiner letzten Bitte zu gewaͤhren, und ihm
“das verlangte Begraͤbniß nicht zu verwei-
“gern.„ Er laͤſſet alſo den Leichnam
durch ſeine Bedienten nach Conſtantinopel
fuͤhren, und giebt ihnen ein Chaͤttiſcherif an
den Kaimmaͤkam mit, nach welchem dieſer
dem conſtantinopeliſchen Patriarchen befehlen
ſolle, den Verſtorbenen mit voͤlligem Gepraͤnge
an demjenigen Orte zu begraben, da er es in
ſeinem letzten Willen verlanget hatte. Es
verſammeln ſich alſo alle Griechen und Frem-
den, die ſich zu Conſtantinopel aufhalten,
und bringen den Leichnam auf ein Eyland
in dem Meere von Marmora, daſelbſt derſelbe
in dem Kloſter zur heiligen Dreyeinigkeit, das
er hatte ausbeſſern laſſen, beygeſetzet wurde.

3 E
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[401/0509] 19. Muhaͤmmed der IIII wegen ſeiner Geſchicklichkeit in der Sterndeu- tung und ſeiner Wiſſenſchaft zukuͤnftiger Din- ge. Als der Weßir noch mit der Belagerung von Kandia beſchaͤfftiget war: ſo kommt an einem gewiſſen Tage Panagiotes zu ihm ge- laufen, und bittet ihn, ſein Zelt unverzuͤglich zu verlaſſen; denn ſein Leben werde den Au- genblick in Gefahr kommen, wenn er an die- ſem Orte verweile. Der Weßir gehorchet ihm; laͤſſet aber ſeine Uhr auf dem Kuͤſſen liegen, darauf er ſaß, und gehet, ungeachtet es ſehr ſtark regnete, in ein anderes Zelt. Kaum iſt er dahin gekommen: ſo faͤhret eine Stuͤckkugel von den Waͤllen der Stadt durch des Weßirs Zelt, trifft auf den Ort, da der- ſelbe geſeſſen, zertruͤmmert die Uhr und das Kuͤſſen, und bewaͤhret ſolchergeſtalt Panagio- tes Vorherſagung. Bey dem Feldzuge nach Kamjenjez verkuͤndigte er die Eroberung der Stadt auf den zehenten Tag voraus; ob- gleich iedermann, dem die Lage des Ortes bekannt war, es fuͤr ungereimt hielte. Der Erfolg aber beſtaͤtigte es. So merkwuͤrdig ſein Leben geweſen: eben ſo merkwuͤrdig war auch ſein Tod. Denn als der Weßir Kjuͤ- prili Aehmed Paſcha mit ſeinem Lager bey Saktſche ſtunde: ſo fragte er denſelben im Scherze; da alle ſeine Vorherſagungen ein- getroffen, und keine davon irrig ausgefallen ſey: ob er dann nicht auch etwas von ſich ſelbſt vorherwiſſen oder vorherſagen koͤnne? Panagiotes gab darauf zur Antwort; “wenn “der Weßir geruhen wolle, heute in der “ſechsten Stunde der Nacht in ſein Zelt “zu kommen: ſo ſolle er eine ſeltſame Be- “gebenheit ſehen; wiewol nicht ohne Be- “truͤbniß und Schrecken.„ Der Weßir wundert ſich, was doch dieſes ſeyn werde; und gehet um Mitternacht in Panagiotes Zelt. Gleich bey dem Eintritte hoͤret er das Geſchrey und Weheklagen ſeiner Bedienten; und als er naͤher kommt: ſo trifft er ſeinen Ulyſſes an, daß er in den letzten Zuͤgen lieget. Einer von den Dienern ſagte: Panagiotes habe ihm vor ſeinem Tode befohlen, den Weßir zu bit- ten, daß er ihm fuͤr alle ſeine dem osmani- ſchen Hofe erwieſenen Dienſte die Gnade er- zeigen moͤchte, ſeinen Leichnam nach Conſtan- tinopel fuͤhren und daſelbſt begraben zu laſſen (eine Ehre, die dem Sultan allein vorbehal- ten iſt, und ſonſt niemandem, auch dem Weßire ſelbſt nicht, vergoͤnnet wird). Hier- auf ſoll der Weßir geantwortet haben: “Ich beklage Panagiotes nur in einem “Stuͤcke; naͤmlich, da er ſonſt das Beſte “der Osmanen mit groͤßerer Redlichkeit “zu Herzen genommen, als man es von einem “Chriſten haͤtte erfordern koͤnnen, und ſol- “chergeſtalt alle die Muͤſuͤlmanen an Treue “und Statsklugheit uͤbertroffen hat: daß er “bey ſeinem Tode nicht noch zu dem gehoͤri- “gen Gehorſame gegen Gott und den Pro- “pheten hat koͤnnen gebracht werden; ſonſt “haͤtte er verdienet, daß ich ſeinen Sarg “eine ganze Meile Weges weit auf meinen “eigenen Schultern truͤge. Ungeachtet er “nun zwar vielleicht wegen ſeines Unglau- “bens von dem Paradieſe wird ausgeſchloſ- “ſen werden: ſo halte ich es doch fuͤr billig, “damit ihm doch einige Belohnung fuͤr ſeine “geleiſteten Dienſte wiederfahren moͤge, ihn “ſeiner letzten Bitte zu gewaͤhren, und ihm “das verlangte Begraͤbniß nicht zu verwei- “gern.„ Er laͤſſet alſo den Leichnam durch ſeine Bedienten nach Conſtantinopel fuͤhren, und giebt ihnen ein Chaͤttiſcherif an den Kaimmaͤkam mit, nach welchem dieſer dem conſtantinopeliſchen Patriarchen befehlen ſolle, den Verſtorbenen mit voͤlligem Gepraͤnge an demjenigen Orte zu begraben, da er es in ſeinem letzten Willen verlanget hatte. Es verſammeln ſich alſo alle Griechen und Frem- den, die ſich zu Conſtantinopel aufhalten, und bringen den Leichnam auf ein Eyland in dem Meere von Marmora, daſelbſt derſelbe in dem Kloſter zur heiligen Dreyeinigkeit, das er hatte ausbeſſern laſſen, beygeſetzet wurde. 3 E

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/509>, abgerufen am 22.11.2024.