brief wegen seiner Freylassung 2 erhalten hatte, segelte in Gesellschaft des Kaßi von Mekka und des Mewla von Prusa, Mehemmed Efendi, nach Aegypten zu. Als sie nahe an Krete vorbeykommen: so werden sie plötzlich von sechs maltesi- schen Galeen angefallen. Die Türken thun eine tapfere Gegenwehre. Der Kißlar Aga, Kaßi und Befehlhaber des Schiffes, bleiben in dem Treffen; und die übrigen werden von der Menge überwältiget, und samt ihren Gütern von den Feinden gefangen. Die Malteser laufen gleich mit ihrem Raube in einen kre- tischen Hafen ein, geben dem Statthalter etwas von ihrem genommenen Gute ab; und man verstattet ihnen daselbst, mit allen ihren Gefangenen und ihrer Beute sicher abzureisen.
Ibrahim fänget deswegen mit den VenetianernKrieg an:
4.
Hätte man nun diese Beschimpfung ungeahndet hingehen lassen: so wäre es eben so viel gewesen, als wenn man das osmanische Reich der Ver- achtung seiner Feinde bloß geben wollte. Im Gegentheile, wollte man dieselbe rächen: so gab sie eine schöne Gelegenheit an die Hand, dieses Eyland, nach dem man seit langer Zeit gestrebet hatte, unter seine Gewalt zu bringen. Nachdem also Ibrahim durch die Beystimmung seiner Räthe hierzu noch mehr aufgemuntert wurde: so brach er den Frieden mit den Venetianern, und erklä- rete den Krieg gegen dieselben, als Räuber und Beschützer der Seeräuber. Um nun diesen Krieg mit desto besserem Fortgange zu führen: brachte derselbe ein Kriegesheer zusammen, unter der Befehlhabung Musa Paschas und Mu- rad Agas, Kulkjetchudasi oder Generalleutenants der Jeng-itscheri, und rüstete eine Flote aus, unter Veranstaltung des Kapudan Jusüf Paschas, der bereits Proben seiner Herzhaftigkeit abgeleget hatte, als er noch das Amt eines Schwert- trägers verwaltete.
[Spaltenumbruch]
dieser Macht dringet er in das Meer von Mar- mora ein, und leget sich der Stadt gegen über vor Anker, bey einem Dorfe, das gegenwär- tig Kaßikjöj heißet. Als der Kaiser Alexius gewahr wird, daß man ihn überraschet habe, und daß es ihm unmöglich sey, ein Krieges- heer so zeitig zusammen zu bringen, daß er mit demselben Widerstand thun könnte: so machet er sich heimlich aus Constantinopel weg, in Besorgung, man möchte mit ihm eben so verfahren, als er mit Isaak umge- gangen war. Alexius, Isaaks Sohn, nahm [Spaltenumbruch] also die Stadt, die keinen Vertheidiger hatte, in Besitz; und nachdem er auf dem Throne befestiget war: so schenkte er dem Fürsten von Spanien wegen seiner ihm geleisteten Dienste das Eyland Krete auf ewig. Im Jahre der Hidschret 520 kauften es die Ve- netianer den Nachkommen desselben um eine große Summe Geldes ab, und besaßen sel- biges bis auf Ibrahims Zeiten.
2 Freylassung] So lange als Kißlar Agasi oder der oberste Verschnittene dieses
5. Nach-
Osmaniſche Geſchichte
brief wegen ſeiner Freylaſſung 2 erhalten hatte, ſegelte in Geſellſchaft des Kaßi von Mekka und des Mewla von Pruſa, Mehemmed Efendi, nach Aegypten zu. Als ſie nahe an Krete vorbeykommen: ſo werden ſie ploͤtzlich von ſechs malteſi- ſchen Galeen angefallen. Die Tuͤrken thun eine tapfere Gegenwehre. Der Kißlar Aga, Kaßi und Befehlhaber des Schiffes, bleiben in dem Treffen; und die uͤbrigen werden von der Menge uͤberwaͤltiget, und ſamt ihren Guͤtern von den Feinden gefangen. Die Malteſer laufen gleich mit ihrem Raube in einen kre- tiſchen Hafen ein, geben dem Statthalter etwas von ihrem genommenen Gute ab; und man verſtattet ihnen daſelbſt, mit allen ihren Gefangenen und ihrer Beute ſicher abzureiſen.
Ibrahim faͤnget deswegen mit den VenetianernKrieg an:
4.
Haͤtte man nun dieſe Beſchimpfung ungeahndet hingehen laſſen: ſo waͤre es eben ſo viel geweſen, als wenn man das osmaniſche Reich der Ver- achtung ſeiner Feinde bloß geben wollte. Im Gegentheile, wollte man dieſelbe raͤchen: ſo gab ſie eine ſchoͤne Gelegenheit an die Hand, dieſes Eyland, nach dem man ſeit langer Zeit geſtrebet hatte, unter ſeine Gewalt zu bringen. Nachdem alſo Ibrahim durch die Beyſtimmung ſeiner Raͤthe hierzu noch mehr aufgemuntert wurde: ſo brach er den Frieden mit den Venetianern, und erklaͤ- rete den Krieg gegen dieſelben, als Raͤuber und Beſchuͤtzer der Seeraͤuber. Um nun dieſen Krieg mit deſto beſſerem Fortgange zu fuͤhren: brachte derſelbe ein Kriegesheer zuſammen, unter der Befehlhabung Muſa Paſchas und Mu- rad Agas, Kulkjetchudaſi oder Generalleutenants der Jeng-itſcheri, und ruͤſtete eine Flote aus, unter Veranſtaltung des Kapudan Juſuͤf Paſchas, der bereits Proben ſeiner Herzhaftigkeit abgeleget hatte, als er noch das Amt eines Schwert- traͤgers verwaltete.
[Spaltenumbruch]
dieſer Macht dringet er in das Meer von Mar- mora ein, und leget ſich der Stadt gegen uͤber vor Anker, bey einem Dorfe, das gegenwaͤr- tig Kaßikjoͤj heißet. Als der Kaiſer Alexius gewahr wird, daß man ihn uͤberraſchet habe, und daß es ihm unmoͤglich ſey, ein Krieges- heer ſo zeitig zuſammen zu bringen, daß er mit demſelben Widerſtand thun koͤnnte: ſo machet er ſich heimlich aus Conſtantinopel weg, in Beſorgung, man moͤchte mit ihm eben ſo verfahren, als er mit Iſaak umge- gangen war. Alexius, Iſaaks Sohn, nahm [Spaltenumbruch] alſo die Stadt, die keinen Vertheidiger hatte, in Beſitz; und nachdem er auf dem Throne befeſtiget war: ſo ſchenkte er dem Fuͤrſten von Spanien wegen ſeiner ihm geleiſteten Dienſte das Eyland Krete auf ewig. Im Jahre der Hidſchret 520 kauften es die Ve- netianer den Nachkommen deſſelben um eine große Summe Geldes ab, und beſaßen ſel- biges bis auf Ibrahims Zeiten.
2 Freylaſſung] So lange als Kißlar Agaſi oder der oberſte Verſchnittene dieſes
5. Nach-
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Osmaniſche Geſchichte
brief wegen ſeiner Freylaſſung
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erhalten hatte, ſegelte in Geſellſchaft des Kaßi
von Mekka und des Mewla von Pruſa, Mehemmed Efendi, nach Aegypten zu.
Als ſie nahe an Krete vorbeykommen: ſo werden ſie ploͤtzlich von ſechs malteſi-
ſchen Galeen angefallen. Die Tuͤrken thun eine tapfere Gegenwehre. Der
Kißlar Aga, Kaßi und Befehlhaber des Schiffes, bleiben in dem Treffen; und
die uͤbrigen werden von der Menge uͤberwaͤltiget, und ſamt ihren Guͤtern von den
Feinden gefangen. Die Malteſer laufen gleich mit ihrem Raube in einen kre-
tiſchen Hafen ein, geben dem Statthalter etwas von ihrem genommenen Gute
ab; und man verſtattet ihnen daſelbſt, mit allen ihren Gefangenen und ihrer
Beute ſicher abzureiſen.
4. Haͤtte man nun dieſe Beſchimpfung ungeahndet hingehen laſſen: ſo
waͤre es eben ſo viel geweſen, als wenn man das osmaniſche Reich der Ver-
achtung ſeiner Feinde bloß geben wollte. Im Gegentheile, wollte man dieſelbe
raͤchen: ſo gab ſie eine ſchoͤne Gelegenheit an die Hand, dieſes Eyland, nach
dem man ſeit langer Zeit geſtrebet hatte, unter ſeine Gewalt zu bringen.
Nachdem alſo Ibrahim durch die Beyſtimmung ſeiner Raͤthe hierzu noch mehr
aufgemuntert wurde: ſo brach er den Frieden mit den Venetianern, und erklaͤ-
rete den Krieg gegen dieſelben, als Raͤuber und Beſchuͤtzer der Seeraͤuber.
Um nun dieſen Krieg mit deſto beſſerem Fortgange zu fuͤhren: brachte derſelbe
ein Kriegesheer zuſammen, unter der Befehlhabung Muſa Paſchas und Mu-
rad Agas, Kulkjetchudaſi oder Generalleutenants der Jeng-itſcheri, und ruͤſtete
eine Flote aus, unter Veranſtaltung des Kapudan Juſuͤf Paſchas, der bereits
Proben ſeiner Herzhaftigkeit abgeleget hatte, als er noch das Amt eines Schwert-
traͤgers verwaltete.
5. Nach-
dieſer Macht dringet er in das Meer von Mar-
mora ein, und leget ſich der Stadt gegen uͤber
vor Anker, bey einem Dorfe, das gegenwaͤr-
tig Kaßikjoͤj heißet. Als der Kaiſer Alexius
gewahr wird, daß man ihn uͤberraſchet habe,
und daß es ihm unmoͤglich ſey, ein Krieges-
heer ſo zeitig zuſammen zu bringen, daß er
mit demſelben Widerſtand thun koͤnnte: ſo
machet er ſich heimlich aus Conſtantinopel
weg, in Beſorgung, man moͤchte mit ihm
eben ſo verfahren, als er mit Iſaak umge-
gangen war. Alexius, Iſaaks Sohn, nahm
alſo die Stadt, die keinen Vertheidiger hatte,
in Beſitz; und nachdem er auf dem Throne
befeſtiget war: ſo ſchenkte er dem Fuͤrſten
von Spanien wegen ſeiner ihm geleiſteten
Dienſte das Eyland Krete auf ewig. Im
Jahre der Hidſchret 520 kauften es die Ve-
netianer den Nachkommen deſſelben um eine
große Summe Geldes ab, und beſaßen ſel-
biges bis auf Ibrahims Zeiten.
² Freylaſſung] So lange als Kißlar
Agaſi oder der oberſte Verſchnittene dieſes
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/490>, abgerufen am 16.02.2025.
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