und anderem Kriegesvorrathe reichlich versehen hatte. Halil Pascha nimmt dieses für eine Flucht auf, und lässet, in der Meinung, die verzagten Feinde, wie er sie dafür hielte, gänzlich aufzureiben, den persischen Feldzug unterwegen, ziehet vor Erßirum, und belagert diese Stadt.
5.
Indem aber derselbe hoffet, mit geringer Mühe Ruhm zu erlangen:wird aber von demselben ge- schlagen. so erwirbet er sich Schande und unendlichen Verdruß. Denn Abaßa verthei- diget den Ort auf das tapferste; wie er dann von iedermann für den besten Soldaten und klügsten Feldherrn auf der Welt gehalten wurde. Er begnügte sich nicht damit, die Feinde abgetrieben zu haben; sondern er fiel mit einer klei- nen, aber auserlesenen Rotte unversehens in das osmanische Lager ein, machte gleich die Wachten darnieder, und verursachte in dem ganzen Heere einen solchen Schrecken, daß die Niederlage desselben gar leicht erfolgete. Es wurde also eine große Anzahl Truppen von einer Handvoll Leute überwunden, eine Menge derselben erschlagen, und sehr viele lebendig gefangen genommen. Der Weßir selbst warf sein Gewehr von sich, und entkam nebst wenigen Gefährten mit großer Mühe.
6.
Die Nachricht von dieser Niederlage setzte Murad in zwiefache Be-Chosrew Pascha erobert Erßi- rum, und be- kommt Abaßa gefangen. kümmerniß; denn er erkennete daraus sowol seinen eigenen Fehler, als auch den Fehler seines Weßirs. Seinen eigenen; daß er Abaßa zur Unzeit verach- tet hatte: und seines Weßirs; daß derselbe die wichtigern Geschäffte unterlassen, und die Waffen des Reiches bey einer Sache gebrauchet, die weniger zu bedeu- ten hatte. Um nun beyderley Fehlern abzuhelfen, setzte er Halil Pascha ab, und bestellete Chosrew Pascha zu seinem Weßire und Feldherrn, sendete auch denselben mit Ergänzungsvölkern zu dem Kriegesheere, das in Dijarbekjir das [Spaltenumbruch]
Verzierungen vermehret hatte. Wie ich ver- nehme: so soll des gegenwärtigen Kaisers Tochter, Gemalinn des obersten Weßirs Ali Pascha, selbigen itzo im Besitz haben*.
2 Abaßa] Diesen Namen führete er von seinem Vaterlande Abaßa, dessen Ein- wohner in ihren Sitten und in ihrer Sprache den Tscherkassiern sehr gleichen: daher die Gefangenen aus Abaßa, dem Werthe nach, gleich nach denen aus Tscherkassien gesetzet [Spaltenumbruch] werden. Abaßa Pascha selbst war ein Feld- herr von dem größten Ansehen unter den Tür- ken, und wurde nach seinem Aufruhre ein rechtes Muster der Treue gegen seinen Kaiser.
3 Hafiß] ist ein Beyname, der insge- mein ehrenthalben denjenigen beygeleget wird, die von sich rühmen können, daß sie den gan- zen Kuron auswendig wissen. Er hat seinen Ursprung von dem arabischen Worte Hifß, Gedächtniß, Bewahrung.
Winter-
* Man sehe den hinten befindlichen Grundriß von Constantinopel.
3 A
17. Murad der IIII
und anderem Kriegesvorrathe reichlich verſehen hatte. Halil Paſcha nimmt dieſes fuͤr eine Flucht auf, und laͤſſet, in der Meinung, die verzagten Feinde, wie er ſie dafuͤr hielte, gaͤnzlich aufzureiben, den perſiſchen Feldzug unterwegen, ziehet vor Erßirum, und belagert dieſe Stadt.
5.
Indem aber derſelbe hoffet, mit geringer Muͤhe Ruhm zu erlangen:wird aber von demſelben ge- ſchlagen. ſo erwirbet er ſich Schande und unendlichen Verdruß. Denn Abaßa verthei- diget den Ort auf das tapferſte; wie er dann von iedermann fuͤr den beſten Soldaten und kluͤgſten Feldherrn auf der Welt gehalten wurde. Er begnuͤgte ſich nicht damit, die Feinde abgetrieben zu haben; ſondern er fiel mit einer klei- nen, aber auserleſenen Rotte unverſehens in das osmaniſche Lager ein, machte gleich die Wachten darnieder, und verurſachte in dem ganzen Heere einen ſolchen Schrecken, daß die Niederlage deſſelben gar leicht erfolgete. Es wurde alſo eine große Anzahl Truppen von einer Handvoll Leute uͤberwunden, eine Menge derſelben erſchlagen, und ſehr viele lebendig gefangen genommen. Der Weßir ſelbſt warf ſein Gewehr von ſich, und entkam nebſt wenigen Gefaͤhrten mit großer Muͤhe.
6.
Die Nachricht von dieſer Niederlage ſetzte Murad in zwiefache Be-Chosrew Paſcha erobert Erßi- rum, und be- kommt Abaßa gefangen. kuͤmmerniß; denn er erkennete daraus ſowol ſeinen eigenen Fehler, als auch den Fehler ſeines Weßirs. Seinen eigenen; daß er Abaßa zur Unzeit verach- tet hatte: und ſeines Weßirs; daß derſelbe die wichtigern Geſchaͤffte unterlaſſen, und die Waffen des Reiches bey einer Sache gebrauchet, die weniger zu bedeu- ten hatte. Um nun beyderley Fehlern abzuhelfen, ſetzte er Halil Paſcha ab, und beſtellete Chosrew Paſcha zu ſeinem Weßire und Feldherrn, ſendete auch denſelben mit Ergaͤnzungsvoͤlkern zu dem Kriegesheere, das in Dijarbekjir das [Spaltenumbruch]
Verzierungen vermehret hatte. Wie ich ver- nehme: ſo ſoll des gegenwaͤrtigen Kaiſers Tochter, Gemalinn des oberſten Weßirs Ali Paſcha, ſelbigen itzo im Beſitz haben*.
2 Abaßa] Dieſen Namen fuͤhrete er von ſeinem Vaterlande Abaßa, deſſen Ein- wohner in ihren Sitten und in ihrer Sprache den Tſcherkaſſiern ſehr gleichen: daher die Gefangenen aus Abaßa, dem Werthe nach, gleich nach denen aus Tſcherkaſſien geſetzet [Spaltenumbruch] werden. Abaßa Paſcha ſelbſt war ein Feld- herr von dem groͤßten Anſehen unter den Tuͤr- ken, und wurde nach ſeinem Aufruhre ein rechtes Muſter der Treue gegen ſeinen Kaiſer.
3 Hafiß] iſt ein Beyname, der insge- mein ehrenthalben denjenigen beygeleget wird, die von ſich ruͤhmen koͤnnen, daß ſie den gan- zen Kuron auswendig wiſſen. Er hat ſeinen Urſprung von dem arabiſchen Worte Hifß, Gedaͤchtniß, Bewahrung.
Winter-
* Man ſehe den hinten befindlichen Grundriß von Conſtantinopel.
3 A
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17. Murad der IIII
und anderem Kriegesvorrathe reichlich verſehen hatte. Halil Paſcha nimmt
dieſes fuͤr eine Flucht auf, und laͤſſet, in der Meinung, die verzagten Feinde,
wie er ſie dafuͤr hielte, gaͤnzlich aufzureiben, den perſiſchen Feldzug unterwegen,
ziehet vor Erßirum, und belagert dieſe Stadt.
5. Indem aber derſelbe hoffet, mit geringer Muͤhe Ruhm zu erlangen:
ſo erwirbet er ſich Schande und unendlichen Verdruß. Denn Abaßa verthei-
diget den Ort auf das tapferſte; wie er dann von iedermann fuͤr den beſten
Soldaten und kluͤgſten Feldherrn auf der Welt gehalten wurde. Er begnuͤgte
ſich nicht damit, die Feinde abgetrieben zu haben; ſondern er fiel mit einer klei-
nen, aber auserleſenen Rotte unverſehens in das osmaniſche Lager ein, machte
gleich die Wachten darnieder, und verurſachte in dem ganzen Heere einen ſolchen
Schrecken, daß die Niederlage deſſelben gar leicht erfolgete. Es wurde alſo
eine große Anzahl Truppen von einer Handvoll Leute uͤberwunden, eine Menge
derſelben erſchlagen, und ſehr viele lebendig gefangen genommen. Der Weßir
ſelbſt warf ſein Gewehr von ſich, und entkam nebſt wenigen Gefaͤhrten mit
großer Muͤhe.
wird aber von
demſelben ge-
ſchlagen.
6. Die Nachricht von dieſer Niederlage ſetzte Murad in zwiefache Be-
kuͤmmerniß; denn er erkennete daraus ſowol ſeinen eigenen Fehler, als auch
den Fehler ſeines Weßirs. Seinen eigenen; daß er Abaßa zur Unzeit verach-
tet hatte: und ſeines Weßirs; daß derſelbe die wichtigern Geſchaͤffte unterlaſſen,
und die Waffen des Reiches bey einer Sache gebrauchet, die weniger zu bedeu-
ten hatte. Um nun beyderley Fehlern abzuhelfen, ſetzte er Halil Paſcha ab,
und beſtellete Chosrew Paſcha zu ſeinem Weßire und Feldherrn, ſendete auch
denſelben mit Ergaͤnzungsvoͤlkern zu dem Kriegesheere, das in Dijarbekjir das
Winter-
Verzierungen vermehret hatte. Wie ich ver-
nehme: ſo ſoll des gegenwaͤrtigen Kaiſers
Tochter, Gemalinn des oberſten Weßirs Ali
Paſcha, ſelbigen itzo im Beſitz haben *.
² Abaßa] Dieſen Namen fuͤhrete er
von ſeinem Vaterlande Abaßa, deſſen Ein-
wohner in ihren Sitten und in ihrer Sprache
den Tſcherkaſſiern ſehr gleichen: daher die
Gefangenen aus Abaßa, dem Werthe nach,
gleich nach denen aus Tſcherkaſſien geſetzet
werden. Abaßa Paſcha ſelbſt war ein Feld-
herr von dem groͤßten Anſehen unter den Tuͤr-
ken, und wurde nach ſeinem Aufruhre ein
rechtes Muſter der Treue gegen ſeinen Kaiſer.
³ Hafiß] iſt ein Beyname, der insge-
mein ehrenthalben denjenigen beygeleget wird,
die von ſich ruͤhmen koͤnnen, daß ſie den gan-
zen Kuron auswendig wiſſen. Er hat ſeinen
Urſprung von dem arabiſchen Worte Hifß,
Gedaͤchtniß, Bewahrung.
Chosrew Paſcha
erobert Erßi-
rum, und be-
kommt Abaßa
gefangen.
* Man ſehe den hinten befindlichen Grundriß von Conſtantinopel.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/473>, abgerufen am 22.11.2024.
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