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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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11. Selim der II
eben dieselbe Zeit nahm der Statthalter zu Dscheßair, Kilidsch Ali Pascha 17,
den Arabern Tuneß* ab, und brachte dasselbe an das osmanische Reich.

10.

Indessen, da die Grenzen des osmanischen Reiches solchergestaltEinfall der Ta-
tarn in Rußland.

gegen Süden ausgebreitet werden, haben die Waffen der Tatarn gegen Norden
nicht weniger Glück. Der Fürst derselben, Dewlet Gjiraj Chan, lässet alle die
seythischen Ordi, die unter seiner Botmäßigkeit stehen, zusammen kommen, und
thut damit einen Einfall in Rußland. Weil er nun keinen Widerstand findet:
so dringet er bis an die Hauptstadt 18 desselben, plündert und verwüstet das Land,
und führet alle die Einwohner, die sich nicht mit der Flucht gerettet hatten, ent-
weder mit sich hinweg, oder bringet sie ums Leben; darauf derselbe mit reicher
Beute wieder nach der Krim zurück kehret.

11.

Auf diese Siege folgte der größte Unglücksfall, den die OsmanenNiederlage der
Türken bey Le-
panto.

seit der Niederlage Jildirim Bajeßids erlebet hatten; dadurch das Glück zeigete,
daß kein Reich, es möge gleich noch so groß und noch so gut befestiget seyn, sei-
ner Gewalt entgehen könne. Nachdem der Admiral Ali Pascha Cypern erobert
hatte: so legte er den Kern des Kriegesheeres in die festen Städte zur Be-
satzung, ließ die europäischen Soldaten, die durch zwölfmonatliche Arbeit von
Aufwerfung der Schanzen und anderer Werke abgemattet waren, aus einander
[Spaltenumbruch]

derjenigen, die auf die Galeen zum Rudern
verdammet sind, ein solches Werk zu Stande
bringen kann: was lässet sich nicht von den
vereinigten Kräften der Osmanen erwarten,
wenn sie dieselben gegen ihre Feinde gebrau-
chen? Durch diese Rede, saget man, habe
sich derselbe bey Selim in so große Gnade
gesetzet, daß er ihn, nebst der Würde von dreyen
Roßschweifen, zum Admirale des ganzen See-
wesens und Statthalter in Afrika erhoben
habe.
18 Hauptstadt] Es scheinet gänzlich,
daß die Türken hier Moskow meinen. Allein,
[Spaltenumbruch]
die russischen Jahrbücher melden, die Tatarn
seyen nicht so weit eingedrungen, sondern nur
bis nach Tula gekommen (hundert und neun-
zig italienische Meilen* von Moskow), das
man wegen der großen Anzahl Schmiede mit
Rechte Vulkansburg nennen könnte. Eben
dieselben berichten auch, daß zwar die Tatarn
bey ihrem plötzlichen Einfalle viele von den
Einwohnern überraschet und umgebracht ha-
ben; sie seyen aber gleich darauf nicht weit
von Kurska von dem russischen Kriegesheere
überfallen worden, das sie fast allesammt nie-
dergehauen, und ihnen die gemachte Beute
wieder abgenommen habe.

gehen,
* [Vor Alters Tremisia genennet.]
* 471/2 deutsche Meilen.
2 U

11. Selim der II
eben dieſelbe Zeit nahm der Statthalter zu Dſcheßair, Kilidſch Ali Paſcha 17,
den Arabern Tuneß* ab, und brachte daſſelbe an das osmaniſche Reich.

10.

Indeſſen, da die Grenzen des osmaniſchen Reiches ſolchergeſtaltEinfall der Ta-
tarn in Rußland.

gegen Suͤden ausgebreitet werden, haben die Waffen der Tatarn gegen Norden
nicht weniger Gluͤck. Der Fuͤrſt derſelben, Dewlet Gjiraj Chan, laͤſſet alle die
ſeythiſchen Ordi, die unter ſeiner Botmaͤßigkeit ſtehen, zuſammen kommen, und
thut damit einen Einfall in Rußland. Weil er nun keinen Widerſtand findet:
ſo dringet er bis an die Hauptſtadt 18 deſſelben, pluͤndert und verwuͤſtet das Land,
und fuͤhret alle die Einwohner, die ſich nicht mit der Flucht gerettet hatten, ent-
weder mit ſich hinweg, oder bringet ſie ums Leben; darauf derſelbe mit reicher
Beute wieder nach der Krim zuruͤck kehret.

11.

Auf dieſe Siege folgte der groͤßte Ungluͤcksfall, den die OsmanenNiederlage der
Tuͤrken bey Le-
panto.

ſeit der Niederlage Jildirim Bajeßids erlebet hatten; dadurch das Gluͤck zeigete,
daß kein Reich, es moͤge gleich noch ſo groß und noch ſo gut befeſtiget ſeyn, ſei-
ner Gewalt entgehen koͤnne. Nachdem der Admiral Ali Paſcha Cypern erobert
hatte: ſo legte er den Kern des Kriegesheeres in die feſten Staͤdte zur Be-
ſatzung, ließ die europaͤiſchen Soldaten, die durch zwoͤlfmonatliche Arbeit von
Aufwerfung der Schanzen und anderer Werke abgemattet waren, aus einander
[Spaltenumbruch]

derjenigen, die auf die Galeen zum Rudern
verdammet ſind, ein ſolches Werk zu Stande
bringen kann: was laͤſſet ſich nicht von den
vereinigten Kraͤften der Osmanen erwarten,
wenn ſie dieſelben gegen ihre Feinde gebrau-
chen? Durch dieſe Rede, ſaget man, habe
ſich derſelbe bey Selim in ſo große Gnade
geſetzet, daß er ihn, nebſt der Wuͤrde von dreyen
Roßſchweifen, zum Admirale des ganzen See-
weſens und Statthalter in Afrika erhoben
habe.
18 Hauptſtadt] Es ſcheinet gaͤnzlich,
daß die Tuͤrken hier Moskow meinen. Allein,
[Spaltenumbruch]
die ruſſiſchen Jahrbuͤcher melden, die Tatarn
ſeyen nicht ſo weit eingedrungen, ſondern nur
bis nach Tula gekommen (hundert und neun-
zig italieniſche Meilen* von Moskow), das
man wegen der großen Anzahl Schmiede mit
Rechte Vulkansburg nennen koͤnnte. Eben
dieſelben berichten auch, daß zwar die Tatarn
bey ihrem ploͤtzlichen Einfalle viele von den
Einwohnern uͤberraſchet und umgebracht ha-
ben; ſie ſeyen aber gleich darauf nicht weit
von Kurſka von dem ruſſiſchen Kriegesheere
uͤberfallen worden, das ſie faſt alleſammt nie-
dergehauen, und ihnen die gemachte Beute
wieder abgenommen habe.

gehen,
* [Vor Alters Tremiſia genennet.]
* 47½ deutſche Meilen.
2 U
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[337/0429] 11. Selim der II eben dieſelbe Zeit nahm der Statthalter zu Dſcheßair, Kilidſch Ali Paſcha ¹⁷ , den Arabern Tuneß * ab, und brachte daſſelbe an das osmaniſche Reich. 10. Indeſſen, da die Grenzen des osmaniſchen Reiches ſolchergeſtalt gegen Suͤden ausgebreitet werden, haben die Waffen der Tatarn gegen Norden nicht weniger Gluͤck. Der Fuͤrſt derſelben, Dewlet Gjiraj Chan, laͤſſet alle die ſeythiſchen Ordi, die unter ſeiner Botmaͤßigkeit ſtehen, zuſammen kommen, und thut damit einen Einfall in Rußland. Weil er nun keinen Widerſtand findet: ſo dringet er bis an die Hauptſtadt ¹⁸ deſſelben, pluͤndert und verwuͤſtet das Land, und fuͤhret alle die Einwohner, die ſich nicht mit der Flucht gerettet hatten, ent- weder mit ſich hinweg, oder bringet ſie ums Leben; darauf derſelbe mit reicher Beute wieder nach der Krim zuruͤck kehret. Einfall der Ta- tarn in Rußland. 11. Auf dieſe Siege folgte der groͤßte Ungluͤcksfall, den die Osmanen ſeit der Niederlage Jildirim Bajeßids erlebet hatten; dadurch das Gluͤck zeigete, daß kein Reich, es moͤge gleich noch ſo groß und noch ſo gut befeſtiget ſeyn, ſei- ner Gewalt entgehen koͤnne. Nachdem der Admiral Ali Paſcha Cypern erobert hatte: ſo legte er den Kern des Kriegesheeres in die feſten Staͤdte zur Be- ſatzung, ließ die europaͤiſchen Soldaten, die durch zwoͤlfmonatliche Arbeit von Aufwerfung der Schanzen und anderer Werke abgemattet waren, aus einander gehen, derjenigen, die auf die Galeen zum Rudern verdammet ſind, ein ſolches Werk zu Stande bringen kann: was laͤſſet ſich nicht von den vereinigten Kraͤften der Osmanen erwarten, wenn ſie dieſelben gegen ihre Feinde gebrau- chen? Durch dieſe Rede, ſaget man, habe ſich derſelbe bey Selim in ſo große Gnade geſetzet, daß er ihn, nebſt der Wuͤrde von dreyen Roßſchweifen, zum Admirale des ganzen See- weſens und Statthalter in Afrika erhoben habe. ¹⁸ Hauptſtadt] Es ſcheinet gaͤnzlich, daß die Tuͤrken hier Moskow meinen. Allein, die ruſſiſchen Jahrbuͤcher melden, die Tatarn ſeyen nicht ſo weit eingedrungen, ſondern nur bis nach Tula gekommen (hundert und neun- zig italieniſche Meilen * von Moskow), das man wegen der großen Anzahl Schmiede mit Rechte Vulkansburg nennen koͤnnte. Eben dieſelben berichten auch, daß zwar die Tatarn bey ihrem ploͤtzlichen Einfalle viele von den Einwohnern uͤberraſchet und umgebracht ha- ben; ſie ſeyen aber gleich darauf nicht weit von Kurſka von dem ruſſiſchen Kriegesheere uͤberfallen worden, das ſie faſt alleſammt nie- dergehauen, und ihnen die gemachte Beute wieder abgenommen habe. Niederlage der Tuͤrken bey Le- panto. * [Vor Alters Tremiſia genennet.] * 47½ deutſche Meilen. 2 U

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/429>, abgerufen am 22.11.2024.