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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
und verwüstetdie Moldau.
36.

Indessen, da seine Feldherren diese Thaten verrichten, ziehet er selbst
mit einer großen Anzahl Truppen, als Freund 66, in die Moldau ein; dabey
aber verheret er, gegen alles Vermuthen der Einwohner, von der Donau an
bis nach Sotschawa, als damaliger Hauptstadt, alles mit Feuer und Schwerte.
Hierauf lagert er sich mit seinen Gezelten nicht weit von dieser Stadt, und for-
dert noch dazu den jährlichen Tribut. Weil nun die Moldauer keinen Weg
vor sich sehen, einen so großen Sturm von sich abzuwenden: so flehen sie ganz
demüthig um Frieden, und bitten nur allein dieses, daß es wegen der Wahl
eines Fürsten in dem bisherigen Stande 67 bleiben, und dieser, wie vorhin, mit
königlicher unumschränkten Gewalt 68 versehen werden möge. Sülejman gestat-
tet ihnen ihre Bitte, bestätiget den Fürsten 69, den sie erwählet hatten, und giebt
ihnen die Gefangenen wieder zurück. Des andern Tages lässet er die Edelleute
des Landes zusammen kommen, und giebt ihnen einen scharfen Verweis, des
Inhalts: daß sie der von den müsülmanischen Kaisern empfangenen Wohltha-
[Spaltenumbruch]

Benennung veranlasset. Es ist aber, mei-
nes Erachtens, nicht viel daran gelegen, daß
man wisse, welche unter diesen streitigen Mei-
nungen der Wahrheit am nächsten komme.
Genug ist es, daß dieses Volk einstimmig
Indianer, und nicht Araber, genennet wird;
und daß folglich Jemen eigentlich kein Theil
von Arabien, sondern von Indien, ist.
66 als Freund] Die moldauischen Jahr-
bücher sagen: die Türken haben unter dem
Vorwande, einen Feldzug nach Polen zu thun,
von den Moldauern bloß den Durchzug ver-
langet; nachher aber haben sie ihre Waffen
gegen sie gekehret, und ganz Moldau ver-
wüstet.
67 in dem bisherigen Stande] Die
Türken gestatteten den Moldauern bey nahe
ein ganzes Jahrhundert hindurch, daß sie,
dem gemachten Vergleiche gemäß, ihren Für-
sten selbst wählen durften. Mit der Zeit aber
fingen sie an, ihnen einen Fürsten aus eigener
Macht zu geben, und nahmen dazu gemei-
niglich einen von den Söhnen des vorigen
[Spaltenumbruch]
Fürsten, den sie als Geißel zu Constantinopel
hielten. Endlich verliehen sie diese Würde
einem Griechen von Constantinopel, wie vor
vierzig Jahren Demetrie Kantakuzenus,
vor dreyßig Jahren Anton Rosseta, und zu
meiner Zeit Dukas Rameliota, und Nikolaus
Maurokordatus, Sohne des berühmten Alex-
ander Maurokordatus, ersten Dolmetschers
des osmanischen Hofes und Mitgesandten
Rami Mehemmeds, Rejs Efendi bey dem
Frieden zu Carlowitsch. Jedoch, von diesen
Dingen werde ich in meiner Beschreibung
von Moldau ausführlicher handeln, die ich
in kurzem der Welt vorzulegen gedenke.
68 königlicher ... Gewalt] Diese
ist den Fürsten von Moldau und Walachey
bisher noch unversehret übrig geblieben.
Sie theilen nach Belieben alle die hohen Be-
dienungen aus, machen neue Verordnungen,
und haben gegen iedermann die völlige Gewalt
über Leben und Tod. Denn, wenn der Fürst
einmal in seine Würde eingesetzet ist: so wird
keine Klage wegen Hinrichtung einer Person,
es sey ein Baron oder ein anderer, wenn sie

ten
Osmaniſche Geſchichte
und verwuͤſtetdie Moldau.
36.

Indeſſen, da ſeine Feldherren dieſe Thaten verrichten, ziehet er ſelbſt
mit einer großen Anzahl Truppen, als Freund 66, in die Moldau ein; dabey
aber verheret er, gegen alles Vermuthen der Einwohner, von der Donau an
bis nach Sotſchawa, als damaliger Hauptſtadt, alles mit Feuer und Schwerte.
Hierauf lagert er ſich mit ſeinen Gezelten nicht weit von dieſer Stadt, und for-
dert noch dazu den jaͤhrlichen Tribut. Weil nun die Moldauer keinen Weg
vor ſich ſehen, einen ſo großen Sturm von ſich abzuwenden: ſo flehen ſie ganz
demuͤthig um Frieden, und bitten nur allein dieſes, daß es wegen der Wahl
eines Fuͤrſten in dem bisherigen Stande 67 bleiben, und dieſer, wie vorhin, mit
koͤniglicher unumſchraͤnkten Gewalt 68 verſehen werden moͤge. Suͤlejman geſtat-
tet ihnen ihre Bitte, beſtaͤtiget den Fuͤrſten 69, den ſie erwaͤhlet hatten, und giebt
ihnen die Gefangenen wieder zuruͤck. Des andern Tages laͤſſet er die Edelleute
des Landes zuſammen kommen, und giebt ihnen einen ſcharfen Verweis, des
Inhalts: daß ſie der von den muͤſuͤlmaniſchen Kaiſern empfangenen Wohltha-
[Spaltenumbruch]

Benennung veranlaſſet. Es iſt aber, mei-
nes Erachtens, nicht viel daran gelegen, daß
man wiſſe, welche unter dieſen ſtreitigen Mei-
nungen der Wahrheit am naͤchſten komme.
Genug iſt es, daß dieſes Volk einſtimmig
Indianer, und nicht Araber, genennet wird;
und daß folglich Jemen eigentlich kein Theil
von Arabien, ſondern von Indien, iſt.
66 als Freund] Die moldauiſchen Jahr-
buͤcher ſagen: die Tuͤrken haben unter dem
Vorwande, einen Feldzug nach Polen zu thun,
von den Moldauern bloß den Durchzug ver-
langet; nachher aber haben ſie ihre Waffen
gegen ſie gekehret, und ganz Moldau ver-
wuͤſtet.
67 in dem bisherigen Stande] Die
Tuͤrken geſtatteten den Moldauern bey nahe
ein ganzes Jahrhundert hindurch, daß ſie,
dem gemachten Vergleiche gemaͤß, ihren Fuͤr-
ſten ſelbſt waͤhlen durften. Mit der Zeit aber
fingen ſie an, ihnen einen Fuͤrſten aus eigener
Macht zu geben, und nahmen dazu gemei-
niglich einen von den Soͤhnen des vorigen
[Spaltenumbruch]
Fuͤrſten, den ſie als Geißel zu Conſtantinopel
hielten. Endlich verliehen ſie dieſe Wuͤrde
einem Griechen von Conſtantinopel, wie vor
vierzig Jahren Demetrie Kantakuzenus,
vor dreyßig Jahren Anton Roſſeta, und zu
meiner Zeit Dukas Rameliota, und Nikolaus
Maurokordatus, Sohne des beruͤhmten Alex-
ander Maurokordatus, erſten Dolmetſchers
des osmaniſchen Hofes und Mitgeſandten
Rami Mehemmeds, Rejs Efendi bey dem
Frieden zu Carlowitſch. Jedoch, von dieſen
Dingen werde ich in meiner Beſchreibung
von Moldau ausfuͤhrlicher handeln, die ich
in kurzem der Welt vorzulegen gedenke.
68 koͤniglicher ... Gewalt] Dieſe
iſt den Fuͤrſten von Moldau und Walachey
bisher noch unverſehret uͤbrig geblieben.
Sie theilen nach Belieben alle die hohen Be-
dienungen aus, machen neue Verordnungen,
und haben gegen iedermann die voͤllige Gewalt
uͤber Leben und Tod. Denn, wenn der Fuͤrſt
einmal in ſeine Wuͤrde eingeſetzet iſt: ſo wird
keine Klage wegen Hinrichtung einer Perſon,
es ſey ein Baron oder ein anderer, wenn ſie

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[304/0394] Osmaniſche Geſchichte 36. Indeſſen, da ſeine Feldherren dieſe Thaten verrichten, ziehet er ſelbſt mit einer großen Anzahl Truppen, als Freund ⁶⁶ , in die Moldau ein; dabey aber verheret er, gegen alles Vermuthen der Einwohner, von der Donau an bis nach Sotſchawa, als damaliger Hauptſtadt, alles mit Feuer und Schwerte. Hierauf lagert er ſich mit ſeinen Gezelten nicht weit von dieſer Stadt, und for- dert noch dazu den jaͤhrlichen Tribut. Weil nun die Moldauer keinen Weg vor ſich ſehen, einen ſo großen Sturm von ſich abzuwenden: ſo flehen ſie ganz demuͤthig um Frieden, und bitten nur allein dieſes, daß es wegen der Wahl eines Fuͤrſten in dem bisherigen Stande ⁶⁷ bleiben, und dieſer, wie vorhin, mit koͤniglicher unumſchraͤnkten Gewalt ⁶⁸ verſehen werden moͤge. Suͤlejman geſtat- tet ihnen ihre Bitte, beſtaͤtiget den Fuͤrſten ⁶⁹ , den ſie erwaͤhlet hatten, und giebt ihnen die Gefangenen wieder zuruͤck. Des andern Tages laͤſſet er die Edelleute des Landes zuſammen kommen, und giebt ihnen einen ſcharfen Verweis, des Inhalts: daß ſie der von den muͤſuͤlmaniſchen Kaiſern empfangenen Wohltha- ten Benennung veranlaſſet. Es iſt aber, mei- nes Erachtens, nicht viel daran gelegen, daß man wiſſe, welche unter dieſen ſtreitigen Mei- nungen der Wahrheit am naͤchſten komme. Genug iſt es, daß dieſes Volk einſtimmig Indianer, und nicht Araber, genennet wird; und daß folglich Jemen eigentlich kein Theil von Arabien, ſondern von Indien, iſt. ⁶⁶ als Freund] Die moldauiſchen Jahr- buͤcher ſagen: die Tuͤrken haben unter dem Vorwande, einen Feldzug nach Polen zu thun, von den Moldauern bloß den Durchzug ver- langet; nachher aber haben ſie ihre Waffen gegen ſie gekehret, und ganz Moldau ver- wuͤſtet. ⁶⁷ in dem bisherigen Stande] Die Tuͤrken geſtatteten den Moldauern bey nahe ein ganzes Jahrhundert hindurch, daß ſie, dem gemachten Vergleiche gemaͤß, ihren Fuͤr- ſten ſelbſt waͤhlen durften. Mit der Zeit aber fingen ſie an, ihnen einen Fuͤrſten aus eigener Macht zu geben, und nahmen dazu gemei- niglich einen von den Soͤhnen des vorigen Fuͤrſten, den ſie als Geißel zu Conſtantinopel hielten. Endlich verliehen ſie dieſe Wuͤrde einem Griechen von Conſtantinopel, wie vor vierzig Jahren Demetrie Kantakuzenus, vor dreyßig Jahren Anton Roſſeta, und zu meiner Zeit Dukas Rameliota, und Nikolaus Maurokordatus, Sohne des beruͤhmten Alex- ander Maurokordatus, erſten Dolmetſchers des osmaniſchen Hofes und Mitgeſandten Rami Mehemmeds, Rejs Efendi bey dem Frieden zu Carlowitſch. Jedoch, von dieſen Dingen werde ich in meiner Beſchreibung von Moldau ausfuͤhrlicher handeln, die ich in kurzem der Welt vorzulegen gedenke. ⁶⁸ koͤniglicher ... Gewalt] Dieſe iſt den Fuͤrſten von Moldau und Walachey bisher noch unverſehret uͤbrig geblieben. Sie theilen nach Belieben alle die hohen Be- dienungen aus, machen neue Verordnungen, und haben gegen iedermann die voͤllige Gewalt uͤber Leben und Tod. Denn, wenn der Fuͤrſt einmal in ſeine Wuͤrde eingeſetzet iſt: ſo wird keine Klage wegen Hinrichtung einer Perſon, es ſey ein Baron oder ein anderer, wenn ſie auch

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/394>, abgerufen am 22.11.2024.