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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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10. Sülejman der I
gesheere in das Königreich desselben ein; und wo nur seine Parteyen hindrin-
gen konnten, da ließ er alles mit Feuer und Schwerte verwüsten. Auf erhal-
tene Zeitung von diesem Einfalle kommt Firindos eiligst mit keinem geringen
Kriegesheere heran, liefert ihm eine Schlacht, und setzet dieselbe einige Zeit mit
großer Herzhaftigkeit fort. Endlich aber muß er der Tapferkeit der Osmanen
weichen, da dann sein Heer aus einander getrieben, und genöthiget wird, die
Flucht zu nehmen, und, um vor den nachsetzenden Türken sich zu bergen, sich
nach dessen Residenz Gradisca 43 zu ziehen. Dieser Sieg brachte dem türkischen
Reiche nicht allein einen Zuwachs von mehr als zwanzig großen und kleinen
Städten; sondern setzte auch die kleinen Fürsten der Slawen und Chirwaten 44 in ein solches Schrecken, daß sie sich Sülejman freywillig unterwarfen.

23.

Mittlerweile, und ehe noch durch diesen Sieg der Friede an denDie Italiener
werden aus Mo-
rea vertrieben.

Grenzen des osmanischen Reiches hergestellet war, thaten die Italiener 45, un-
ter dem Beystande noch anderer Fürsten, mittelst einer großen Flote, einen Ein-
fall in Morea, eroberten die Stadt Koron, und verheereten die ganze Halb-
insel erbärmlicher Weise. Als Sülejman hievon Nachricht bekam: so machte er
den Statthalter von Semendria, Mehemmed Begj, Jähja Paschas Sohn (der
letzthin durch den Entsatz von Ofen eine herrliche Probe seiner Klugheit und Tap-
ferkeit abgeleget hatte), zum Begjlerbegj von Morea, übergab ihm einen guten
Theil des Kriegesheeres, mit dem Befehle, einen Zug dahin vorzunehmen,
und die Stadt den Feinden wieder aus den Händen zu reißen; nebst der ange-
hängten Ermahnung, dieselben mit einem müsülmanischen Vorsatze 46 anzugreifen
und sich an ihnen zu rächen. Die Ruhmbegierde sowol, als diese Worte seines
[Spaltenumbruch]

disca ist eine bekannte Stadt in Slawonien.
Die Türken sind aber wol irrig daran, wenn
sie dieselbe für Ferdinands Residenz halten:
weil kein christlicher Schriftsteller etwas davon
gedenket, daß Ferdinand iemals daselbst sei-
nen Sitz gehabt habe.
44 Slawen und Chirwaten] Sie sind
beyde einerley Volk. Die Türken nennen die-
jenigen von ihnen Chirwaten, welche unter
christlicher Botmäßigkeit stehen: diejenigen
hingegen, welche den muhämmedischen Glau-
ben angenommen haben oder die osmanische
Oberherrschaft erkennen, heißen bey ihnen
[Spaltenumbruch]
insgemein Serhädlü, das ist, Angrenzende.
45 Italiener] Auf türkisch, Ifrendsch,
welcher Name überhaupt allen Völkern in Ita-
lien beygeleget wird, sie mögen in welchem
Theile desselben wohnen, als sie wollen.
46 müsülmanischen Vorsatze] das ist,
mit dem Vorsatze, entweder zu siegen oder
zu sterben. Beydes erachten sie Gott ange-
nehm zu seyn. Denn sie glauben, wer auf
diese Art sterbe, der werde mit dem Märtirer-
tode gekrönet: und die Sieger werden für
ihre Mühe in jener Welt belohnet. Daher

Fürsten,
2 O 3

10. Suͤlejman der I
gesheere in das Koͤnigreich deſſelben ein; und wo nur ſeine Parteyen hindrin-
gen konnten, da ließ er alles mit Feuer und Schwerte verwuͤſten. Auf erhal-
tene Zeitung von dieſem Einfalle kommt Firindos eiligſt mit keinem geringen
Kriegesheere heran, liefert ihm eine Schlacht, und ſetzet dieſelbe einige Zeit mit
großer Herzhaftigkeit fort. Endlich aber muß er der Tapferkeit der Osmanen
weichen, da dann ſein Heer aus einander getrieben, und genoͤthiget wird, die
Flucht zu nehmen, und, um vor den nachſetzenden Tuͤrken ſich zu bergen, ſich
nach deſſen Reſidenz Gradisca 43 zu ziehen. Dieſer Sieg brachte dem tuͤrkiſchen
Reiche nicht allein einen Zuwachs von mehr als zwanzig großen und kleinen
Staͤdten; ſondern ſetzte auch die kleinen Fuͤrſten der Slawen und Chirwaten 44 in ein ſolches Schrecken, daß ſie ſich Suͤlejman freywillig unterwarfen.

23.

Mittlerweile, und ehe noch durch dieſen Sieg der Friede an denDie Italiener
werden aus Mo-
rea vertrieben.

Grenzen des osmaniſchen Reiches hergeſtellet war, thaten die Italiener 45, un-
ter dem Beyſtande noch anderer Fuͤrſten, mittelſt einer großen Flote, einen Ein-
fall in Morea, eroberten die Stadt Koron, und verheereten die ganze Halb-
inſel erbaͤrmlicher Weiſe. Als Suͤlejman hievon Nachricht bekam: ſo machte er
den Statthalter von Semendria, Mehemmed Begj, Jaͤhja Paſchas Sohn (der
letzthin durch den Entſatz von Ofen eine herrliche Probe ſeiner Klugheit und Tap-
ferkeit abgeleget hatte), zum Begjlerbegj von Morea, uͤbergab ihm einen guten
Theil des Kriegesheeres, mit dem Befehle, einen Zug dahin vorzunehmen,
und die Stadt den Feinden wieder aus den Haͤnden zu reißen; nebſt der ange-
haͤngten Ermahnung, dieſelben mit einem muͤſuͤlmaniſchen Vorſatze 46 anzugreifen
und ſich an ihnen zu raͤchen. Die Ruhmbegierde ſowol, als dieſe Worte ſeines
[Spaltenumbruch]

disca iſt eine bekannte Stadt in Slawonien.
Die Tuͤrken ſind aber wol irrig daran, wenn
ſie dieſelbe fuͤr Ferdinands Reſidenz halten:
weil kein chriſtlicher Schriftſteller etwas davon
gedenket, daß Ferdinand iemals daſelbſt ſei-
nen Sitz gehabt habe.
44 Slawen und Chirwaten] Sie ſind
beyde einerley Volk. Die Tuͤrken nennen die-
jenigen von ihnen Chirwaten, welche unter
chriſtlicher Botmaͤßigkeit ſtehen: diejenigen
hingegen, welche den muhaͤmmediſchen Glau-
ben angenommen haben oder die osmaniſche
Oberherrſchaft erkennen, heißen bey ihnen
[Spaltenumbruch]
insgemein Serhaͤdluͤ, das iſt, Angrenzende.
45 Italiener] Auf tuͤrkiſch, Ifrendſch,
welcher Name uͤberhaupt allen Voͤlkern in Ita-
lien beygeleget wird, ſie moͤgen in welchem
Theile deſſelben wohnen, als ſie wollen.
46 muͤſuͤlmaniſchen Vorſatze] das iſt,
mit dem Vorſatze, entweder zu ſiegen oder
zu ſterben. Beydes erachten ſie Gott ange-
nehm zu ſeyn. Denn ſie glauben, wer auf
dieſe Art ſterbe, der werde mit dem Maͤrtirer-
tode gekroͤnet: und die Sieger werden fuͤr
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Fuͤrſten,
2 O 3
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[293/0383] 10. Suͤlejman der I gesheere in das Koͤnigreich deſſelben ein; und wo nur ſeine Parteyen hindrin- gen konnten, da ließ er alles mit Feuer und Schwerte verwuͤſten. Auf erhal- tene Zeitung von dieſem Einfalle kommt Firindos eiligſt mit keinem geringen Kriegesheere heran, liefert ihm eine Schlacht, und ſetzet dieſelbe einige Zeit mit großer Herzhaftigkeit fort. Endlich aber muß er der Tapferkeit der Osmanen weichen, da dann ſein Heer aus einander getrieben, und genoͤthiget wird, die Flucht zu nehmen, und, um vor den nachſetzenden Tuͤrken ſich zu bergen, ſich nach deſſen Reſidenz Gradisca ⁴³ zu ziehen. Dieſer Sieg brachte dem tuͤrkiſchen Reiche nicht allein einen Zuwachs von mehr als zwanzig großen und kleinen Staͤdten; ſondern ſetzte auch die kleinen Fuͤrſten der Slawen und Chirwaten ⁴⁴ in ein ſolches Schrecken, daß ſie ſich Suͤlejman freywillig unterwarfen. 23. Mittlerweile, und ehe noch durch dieſen Sieg der Friede an den Grenzen des osmaniſchen Reiches hergeſtellet war, thaten die Italiener ⁴⁵ , un- ter dem Beyſtande noch anderer Fuͤrſten, mittelſt einer großen Flote, einen Ein- fall in Morea, eroberten die Stadt Koron, und verheereten die ganze Halb- inſel erbaͤrmlicher Weiſe. Als Suͤlejman hievon Nachricht bekam: ſo machte er den Statthalter von Semendria, Mehemmed Begj, Jaͤhja Paſchas Sohn (der letzthin durch den Entſatz von Ofen eine herrliche Probe ſeiner Klugheit und Tap- ferkeit abgeleget hatte), zum Begjlerbegj von Morea, uͤbergab ihm einen guten Theil des Kriegesheeres, mit dem Befehle, einen Zug dahin vorzunehmen, und die Stadt den Feinden wieder aus den Haͤnden zu reißen; nebſt der ange- haͤngten Ermahnung, dieſelben mit einem muͤſuͤlmaniſchen Vorſatze ⁴⁶ anzugreifen und ſich an ihnen zu raͤchen. Die Ruhmbegierde ſowol, als dieſe Worte ſeines Fuͤrſten, disca iſt eine bekannte Stadt in Slawonien. Die Tuͤrken ſind aber wol irrig daran, wenn ſie dieſelbe fuͤr Ferdinands Reſidenz halten: weil kein chriſtlicher Schriftſteller etwas davon gedenket, daß Ferdinand iemals daſelbſt ſei- nen Sitz gehabt habe. ⁴⁴ Slawen und Chirwaten] Sie ſind beyde einerley Volk. Die Tuͤrken nennen die- jenigen von ihnen Chirwaten, welche unter chriſtlicher Botmaͤßigkeit ſtehen: diejenigen hingegen, welche den muhaͤmmediſchen Glau- ben angenommen haben oder die osmaniſche Oberherrſchaft erkennen, heißen bey ihnen insgemein Serhaͤdluͤ, das iſt, Angrenzende. ⁴⁵ Italiener] Auf tuͤrkiſch, Ifrendſch, welcher Name uͤberhaupt allen Voͤlkern in Ita- lien beygeleget wird, ſie moͤgen in welchem Theile deſſelben wohnen, als ſie wollen. ⁴⁶ muͤſuͤlmaniſchen Vorſatze] das iſt, mit dem Vorſatze, entweder zu ſiegen oder zu ſterben. Beydes erachten ſie Gott ange- nehm zu ſeyn. Denn ſie glauben, wer auf dieſe Art ſterbe, der werde mit dem Maͤrtirer- tode gekroͤnet: und die Sieger werden fuͤr ihre Muͤhe in jener Welt belohnet. Daher fuͤhren Die Italiener werden aus Mo- rea vertrieben. 2 O 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/383>, abgerufen am 22.11.2024.