wieder zurück, wie er gekommen ist; und weil er sich einbildet, er träfe Selim, so oft er einen Türken hauet: so richtet er ein entsetzliches Metzeln an. Endlich fället er, ohne daß er eine Wunde mitten unter so vielen Säbeln empfangen hätte (welches zu verwundern ist), bloß vor Mattigkeit von so vielen Verwun- dungen, und weil ihm wegen Erhitzung der Athem entging, mitten unter seinen erschlagenen Feinden, todt darnieder.
18.
Nach diesem Siege kommen die Einwohner von Aleppo heraus,Nimmt von Aleppo und Da- maskus Besitz: und überreichen Selim in tiefer Unterthänigkeit ihre Stadtschlüssel. Er empfängt dieselben auch mit vieler Unterscheidung, und beschenket ieden von den vornehm- sten Bürgern mit einem Chilät 32. Am nächstfolgenden Freytage begiebt er sich in den Dschami, und höret daselbst seinen Namen im Gebete erwähnen: befieh- let auch, daß man dem Leser, weil er noch auf der Kanzel stehet, ein Kleid mit Gold durchwirket anlegen, und reichliche Almosen nicht allein unter die Geistli- chen, sondern auch unter andere Personen von allerley Ständen austheilen solle. Dieses gnädige Bezeigen veranlasset nicht nur, daß die geringern Städte in sel- bigem Lande sich von freyen Stücken dem Ueberwinder unterwerfen; sondern auch die Einwohner von Damaskus, auf Selims Annäherung, ihre Aeltesten ihm entgegen schicken und seine Gnade und Gütigkeit anflehen. Er empfänget dieselben mit einer freundlichen Mine; und nachdem er ihre Bittschrift zweymal durchgelesen hat: so verspricht er ihnen, alles einzugehen, was sie von ihm ver- langten.
19.
Nach so vielen Gnadenbezeigungen hielte es Selim für dienlich, dieentdecket das Grab Scheich Muhiddins: Gemüther des abergläubischen Volkes auch durch einige Beweise seiner Gottse- ligkeit zu gewinnen. Am ersten Tage also seines Einzugs in Damaskus befahl [Spaltenumbruch]
ten: konnte aber niemals dazu gelangen. Der Abgesandte des Zars, Peter Tolstoi, so ein großer Liebling von dem obersten Weßire, Tschorlüli Ali Pascha, er auch immer war, bekam eben dieselbe abschlägige Antwort. Diese Ehre wiederfuhr mir, ohne daß ich sie suchte (aus besondern Ursachen, die nicht be- kannt gemacht werden dürfen), als ich von Sultan Aehmed in den Besitz des Fürsten- thums Moldau gesetzt wurde. Die andere [Spaltenumbruch] Gattung ist der Ala*, welchen gemeiniglich die Paschen, türkischen und christlichen Für- sten, und außerordentlichen Abgesandten christ- licher Könige bekommen. Die dritte Gat- tung, insgemein Ewsat (der mittlere), manch- mal auch Edna (der geringere) genennet, wird Personen von geringerem Range gege- ben. Der Chilät wird auch gewöhnlicher Weise Kaftan genennet.
er,
* das bunte Kleid.
2 G 3
9. Selim der I
wieder zuruͤck, wie er gekommen iſt; und weil er ſich einbildet, er traͤfe Selim, ſo oft er einen Tuͤrken hauet: ſo richtet er ein entſetzliches Metzeln an. Endlich faͤllet er, ohne daß er eine Wunde mitten unter ſo vielen Saͤbeln empfangen haͤtte (welches zu verwundern iſt), bloß vor Mattigkeit von ſo vielen Verwun- dungen, und weil ihm wegen Erhitzung der Athem entging, mitten unter ſeinen erſchlagenen Feinden, todt darnieder.
18.
Nach dieſem Siege kommen die Einwohner von Aleppo heraus,Nimmt von Aleppo und Da- maskus Beſitz: und uͤberreichen Selim in tiefer Unterthaͤnigkeit ihre Stadtſchluͤſſel. Er empfaͤngt dieſelben auch mit vieler Unterſcheidung, und beſchenket ieden von den vornehm- ſten Buͤrgern mit einem Chilaͤt 32. Am naͤchſtfolgenden Freytage begiebt er ſich in den Dſchami, und hoͤret daſelbſt ſeinen Namen im Gebete erwaͤhnen: befieh- let auch, daß man dem Leſer, weil er noch auf der Kanzel ſtehet, ein Kleid mit Gold durchwirket anlegen, und reichliche Almoſen nicht allein unter die Geiſtli- chen, ſondern auch unter andere Perſonen von allerley Staͤnden austheilen ſolle. Dieſes gnaͤdige Bezeigen veranlaſſet nicht nur, daß die geringern Staͤdte in ſel- bigem Lande ſich von freyen Stuͤcken dem Ueberwinder unterwerfen; ſondern auch die Einwohner von Damaskus, auf Selims Annaͤherung, ihre Aelteſten ihm entgegen ſchicken und ſeine Gnade und Guͤtigkeit anflehen. Er empfaͤnget dieſelben mit einer freundlichen Mine; und nachdem er ihre Bittſchrift zweymal durchgeleſen hat: ſo verſpricht er ihnen, alles einzugehen, was ſie von ihm ver- langten.
19.
Nach ſo vielen Gnadenbezeigungen hielte es Selim fuͤr dienlich, dieentdecket das Grab Scheich Muhiddins: Gemuͤther des aberglaͤubiſchen Volkes auch durch einige Beweiſe ſeiner Gottſe- ligkeit zu gewinnen. Am erſten Tage alſo ſeines Einzugs in Damaskus befahl [Spaltenumbruch]
ten: konnte aber niemals dazu gelangen. Der Abgeſandte des Zars, Peter Tolſtoi, ſo ein großer Liebling von dem oberſten Weßire, Tſchorluͤli Ali Paſcha, er auch immer war, bekam eben dieſelbe abſchlaͤgige Antwort. Dieſe Ehre wiederfuhr mir, ohne daß ich ſie ſuchte (aus beſondern Urſachen, die nicht be- kannt gemacht werden duͤrfen), als ich von Sultan Aehmed in den Beſitz des Fuͤrſten- thums Moldau geſetzt wurde. Die andere [Spaltenumbruch] Gattung iſt der Ala*, welchen gemeiniglich die Paſchen, tuͤrkiſchen und chriſtlichen Fuͤr- ſten, und außerordentlichen Abgeſandten chriſt- licher Koͤnige bekommen. Die dritte Gat- tung, insgemein Ewſat (der mittlere), manch- mal auch Edna (der geringere) genennet, wird Perſonen von geringerem Range gege- ben. Der Chilaͤt wird auch gewoͤhnlicher Weiſe Kaftan genennet.
er,
* das bunte Kleid.
2 G 3
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9. Selim der I
wieder zuruͤck, wie er gekommen iſt; und weil er ſich einbildet, er traͤfe Selim,
ſo oft er einen Tuͤrken hauet: ſo richtet er ein entſetzliches Metzeln an. Endlich
faͤllet er, ohne daß er eine Wunde mitten unter ſo vielen Saͤbeln empfangen
haͤtte (welches zu verwundern iſt), bloß vor Mattigkeit von ſo vielen Verwun-
dungen, und weil ihm wegen Erhitzung der Athem entging, mitten unter ſeinen
erſchlagenen Feinden, todt darnieder.
18. Nach dieſem Siege kommen die Einwohner von Aleppo heraus,
und uͤberreichen Selim in tiefer Unterthaͤnigkeit ihre Stadtſchluͤſſel. Er empfaͤngt
dieſelben auch mit vieler Unterſcheidung, und beſchenket ieden von den vornehm-
ſten Buͤrgern mit einem Chilaͤt
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. Am naͤchſtfolgenden Freytage begiebt er ſich
in den Dſchami, und hoͤret daſelbſt ſeinen Namen im Gebete erwaͤhnen: befieh-
let auch, daß man dem Leſer, weil er noch auf der Kanzel ſtehet, ein Kleid mit
Gold durchwirket anlegen, und reichliche Almoſen nicht allein unter die Geiſtli-
chen, ſondern auch unter andere Perſonen von allerley Staͤnden austheilen ſolle.
Dieſes gnaͤdige Bezeigen veranlaſſet nicht nur, daß die geringern Staͤdte in ſel-
bigem Lande ſich von freyen Stuͤcken dem Ueberwinder unterwerfen; ſondern
auch die Einwohner von Damaskus, auf Selims Annaͤherung, ihre Aelteſten
ihm entgegen ſchicken und ſeine Gnade und Guͤtigkeit anflehen. Er empfaͤnget
dieſelben mit einer freundlichen Mine; und nachdem er ihre Bittſchrift zweymal
durchgeleſen hat: ſo verſpricht er ihnen, alles einzugehen, was ſie von ihm ver-
langten.
Nimmt von
Aleppo und Da-
maskus Beſitz:
19. Nach ſo vielen Gnadenbezeigungen hielte es Selim fuͤr dienlich, die
Gemuͤther des aberglaͤubiſchen Volkes auch durch einige Beweiſe ſeiner Gottſe-
ligkeit zu gewinnen. Am erſten Tage alſo ſeines Einzugs in Damaskus befahl
er,
ten: konnte aber niemals dazu gelangen.
Der Abgeſandte des Zars, Peter Tolſtoi, ſo
ein großer Liebling von dem oberſten Weßire,
Tſchorluͤli Ali Paſcha, er auch immer war,
bekam eben dieſelbe abſchlaͤgige Antwort.
Dieſe Ehre wiederfuhr mir, ohne daß ich ſie
ſuchte (aus beſondern Urſachen, die nicht be-
kannt gemacht werden duͤrfen), als ich von
Sultan Aehmed in den Beſitz des Fuͤrſten-
thums Moldau geſetzt wurde. Die andere
Gattung iſt der Ala *, welchen gemeiniglich
die Paſchen, tuͤrkiſchen und chriſtlichen Fuͤr-
ſten, und außerordentlichen Abgeſandten chriſt-
licher Koͤnige bekommen. Die dritte Gat-
tung, insgemein Ewſat (der mittlere), manch-
mal auch Edna (der geringere) genennet,
wird Perſonen von geringerem Range gege-
ben. Der Chilaͤt wird auch gewoͤhnlicher
Weiſe Kaftan genennet.
entdecket das
Grab Scheich
Muhiddins:
* das bunte Kleid.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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