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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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9. Selim der I
keine andere Belohnung, als daß der eine von ihnen Lebenslang die Statthal-
terschaft von Aegypten, und der andere die von Damaskus, bekommen möchte.
Nun erforderte Selims Vortheil viel zu stark, daß er diese Feldherren auf seine
Seite lockte, als daß ihm in den Sinn hätte kommen können, ihnen etwas ab-
zuschlagen. Er bestätiget also nicht nur die Bedingungen mit einem Eide und
der Unterschrift seines Namens; sondern giebt auch den Verräthern Anleitung,
wie sie ihr Vorhaben am besten ausführen sollten. Diese nehmen seinen Unter-
richt an, und hetzen Sultan Gäwri mit verschiedenen Gründen auf, den Türken
eine Schlacht zu liefern. Dabey wissen sie die Weichlichkeit der Türken anzu-
führen, und dagegen die Tapferkeit der Tscherkassier hoch zu erheben: und bit-
ten, man möchte doch den tscherkassischen Namen nicht so sehr verunehren, indem
man gestattete, daß die Türken so lange ungestraft vor ihrem Angesichte sich
lagern dürften. Gäwri, der von dem Verrathe dieser Feldherren nicht das
mindeste weis, glaubet, dieses wären lauter Worte, die ihnen ihre Tapferkeit
eingäbe. Er lässet daher unverzüglich seine Truppen auf einem Platze, Bürdsch
Wäjk 31 genennet, in Schlachtordnung stellen, und rücket mit denselben gegen
die Türken an. Als Selim hievon Nachricht erhält: so stellet er seine Leute
nicht weit von Aleppo auf solche Weise, daß sie die Feinde nachdrücklich empfan-
gen könnten, sie möchten auch kommen, von welcher Seite sie wollten. Die
[Spaltenumbruch]
wie er heutiges Tages genennet wird, Scham
Begjlerbegji*. Ungeachtet man diese Benen-
nung aus Schmeicheley allen Paschen beyzu-
legen pfleget, welche drey Roßschweife zu
führen befugt sind: so gehöret sie doch ei-
gentlich nur ihrer vieren, dem Scham Begj-
lerbegj, dem Begjlerbegj von Kjutahi, der
über Natolien gesetzet ist, dem Begjlerbegj
von Sophia, der die europäischen Landschaf-
ten regieret, und dem Büdun Begjlerbegj,
oder Statthalter zu Ofen, den der Kaiser Leo-
pold zu unsern Zeiten aus der Liste ausgestri-
chen hat. Die Türken rechnen Damaskus
unter die heiligen Oerter, weil Muhämmed,
nachdem er von Jerusalem in den neunten
Himmel weggeführet worden, und daselbst
von Gott den Kuron empfangen hat, zu Da-
maskus wieder herunter gekommen seyn soll.
Ueber dieses glauben sie auch, daß das allge-
[Spaltenumbruch]
meine Gericht daselbst gehalten werden, und
Damaskus die Hauptstadt des zukünftigen
ewigen Reiches seyn werde, das daselbst sei-
nen Anfang nehmen soll. Diese und derglei-
chen Umstände sind in einem türkischen Buche,
Muhämmedije genennet, weitläufiger aus-
geführet zu finden.
31 Bürdsch Wäjk] Ist ein Platz nahe
bey Aleppo, und bedeutet, nach dem Ursprun-
ge des Worts, den Thurm oder die Festung
Wäjk. Nämlich, die Türken pflegen den
Namen Bürdsch oder Thierkreis verblümter
Weise den Thürmchen ihrer Festungen beyzu-
legen, weil diese um die Stadt herum gehen,
wie der Thierkreis um die Himmelskugel her-
um laufet. Zum Beyspiele heißet Bürdschi
Kälä der Thierkreis oder die Bolwerke, wel-
che rings um die Stadt herum gehen.

Tscher-
* 49 S. 4 Anm.
2 G 2

9. Selim der I
keine andere Belohnung, als daß der eine von ihnen Lebenslang die Statthal-
terſchaft von Aegypten, und der andere die von Damaskus, bekommen moͤchte.
Nun erforderte Selims Vortheil viel zu ſtark, daß er dieſe Feldherren auf ſeine
Seite lockte, als daß ihm in den Sinn haͤtte kommen koͤnnen, ihnen etwas ab-
zuſchlagen. Er beſtaͤtiget alſo nicht nur die Bedingungen mit einem Eide und
der Unterſchrift ſeines Namens; ſondern giebt auch den Verraͤthern Anleitung,
wie ſie ihr Vorhaben am beſten ausfuͤhren ſollten. Dieſe nehmen ſeinen Unter-
richt an, und hetzen Sultan Gaͤwri mit verſchiedenen Gruͤnden auf, den Tuͤrken
eine Schlacht zu liefern. Dabey wiſſen ſie die Weichlichkeit der Tuͤrken anzu-
fuͤhren, und dagegen die Tapferkeit der Tſcherkaſſier hoch zu erheben: und bit-
ten, man moͤchte doch den tſcherkaſſiſchen Namen nicht ſo ſehr verunehren, indem
man geſtattete, daß die Tuͤrken ſo lange ungeſtraft vor ihrem Angeſichte ſich
lagern duͤrften. Gaͤwri, der von dem Verrathe dieſer Feldherren nicht das
mindeſte weis, glaubet, dieſes waͤren lauter Worte, die ihnen ihre Tapferkeit
eingaͤbe. Er laͤſſet daher unverzuͤglich ſeine Truppen auf einem Platze, Buͤrdſch
Waͤjk 31 genennet, in Schlachtordnung ſtellen, und ruͤcket mit denſelben gegen
die Tuͤrken an. Als Selim hievon Nachricht erhaͤlt: ſo ſtellet er ſeine Leute
nicht weit von Aleppo auf ſolche Weiſe, daß ſie die Feinde nachdruͤcklich empfan-
gen koͤnnten, ſie moͤchten auch kommen, von welcher Seite ſie wollten. Die
[Spaltenumbruch]
wie er heutiges Tages genennet wird, Scham
Begjlerbegji*. Ungeachtet man dieſe Benen-
nung aus Schmeicheley allen Paſchen beyzu-
legen pfleget, welche drey Roßſchweife zu
fuͤhren befugt ſind: ſo gehoͤret ſie doch ei-
gentlich nur ihrer vieren, dem Scham Begj-
lerbegj, dem Begjlerbegj von Kjutahi, der
uͤber Natolien geſetzet iſt, dem Begjlerbegj
von Sophia, der die europaͤiſchen Landſchaf-
ten regieret, und dem Buͤdun Begjlerbegj,
oder Statthalter zu Ofen, den der Kaiſer Leo-
pold zu unſern Zeiten aus der Liſte ausgeſtri-
chen hat. Die Tuͤrken rechnen Damaskus
unter die heiligen Oerter, weil Muhaͤmmed,
nachdem er von Jeruſalem in den neunten
Himmel weggefuͤhret worden, und daſelbſt
von Gott den Kuron empfangen hat, zu Da-
maskus wieder herunter gekommen ſeyn ſoll.
Ueber dieſes glauben ſie auch, daß das allge-
[Spaltenumbruch]
meine Gericht daſelbſt gehalten werden, und
Damaskus die Hauptſtadt des zukuͤnftigen
ewigen Reiches ſeyn werde, das daſelbſt ſei-
nen Anfang nehmen ſoll. Dieſe und derglei-
chen Umſtaͤnde ſind in einem tuͤrkiſchen Buche,
Muhaͤmmedije genennet, weitlaͤufiger aus-
gefuͤhret zu finden.
31 Buͤrdſch Waͤjk] Iſt ein Platz nahe
bey Aleppo, und bedeutet, nach dem Urſprun-
ge des Worts, den Thurm oder die Feſtung
Waͤjk. Naͤmlich, die Tuͤrken pflegen den
Namen Buͤrdſch oder Thierkreis verbluͤmter
Weiſe den Thuͤrmchen ihrer Feſtungen beyzu-
legen, weil dieſe um die Stadt herum gehen,
wie der Thierkreis um die Himmelskugel her-
um laufet. Zum Beyſpiele heißet Buͤrdſchi
Kaͤlaͤ der Thierkreis oder die Bolwerke, wel-
che rings um die Stadt herum gehen.

Tſcher-
* 49 S. 4 Anm.
2 G 2
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[235/0323] 9. Selim der I keine andere Belohnung, als daß der eine von ihnen Lebenslang die Statthal- terſchaft von Aegypten, und der andere die von Damaskus, bekommen moͤchte. Nun erforderte Selims Vortheil viel zu ſtark, daß er dieſe Feldherren auf ſeine Seite lockte, als daß ihm in den Sinn haͤtte kommen koͤnnen, ihnen etwas ab- zuſchlagen. Er beſtaͤtiget alſo nicht nur die Bedingungen mit einem Eide und der Unterſchrift ſeines Namens; ſondern giebt auch den Verraͤthern Anleitung, wie ſie ihr Vorhaben am beſten ausfuͤhren ſollten. Dieſe nehmen ſeinen Unter- richt an, und hetzen Sultan Gaͤwri mit verſchiedenen Gruͤnden auf, den Tuͤrken eine Schlacht zu liefern. Dabey wiſſen ſie die Weichlichkeit der Tuͤrken anzu- fuͤhren, und dagegen die Tapferkeit der Tſcherkaſſier hoch zu erheben: und bit- ten, man moͤchte doch den tſcherkaſſiſchen Namen nicht ſo ſehr verunehren, indem man geſtattete, daß die Tuͤrken ſo lange ungeſtraft vor ihrem Angeſichte ſich lagern duͤrften. Gaͤwri, der von dem Verrathe dieſer Feldherren nicht das mindeſte weis, glaubet, dieſes waͤren lauter Worte, die ihnen ihre Tapferkeit eingaͤbe. Er laͤſſet daher unverzuͤglich ſeine Truppen auf einem Platze, Buͤrdſch Waͤjk ³¹ genennet, in Schlachtordnung ſtellen, und ruͤcket mit denſelben gegen die Tuͤrken an. Als Selim hievon Nachricht erhaͤlt: ſo ſtellet er ſeine Leute nicht weit von Aleppo auf ſolche Weiſe, daß ſie die Feinde nachdruͤcklich empfan- gen koͤnnten, ſie moͤchten auch kommen, von welcher Seite ſie wollten. Die Tſcher- wie er heutiges Tages genennet wird, Scham Begjlerbegji *. Ungeachtet man dieſe Benen- nung aus Schmeicheley allen Paſchen beyzu- legen pfleget, welche drey Roßſchweife zu fuͤhren befugt ſind: ſo gehoͤret ſie doch ei- gentlich nur ihrer vieren, dem Scham Begj- lerbegj, dem Begjlerbegj von Kjutahi, der uͤber Natolien geſetzet iſt, dem Begjlerbegj von Sophia, der die europaͤiſchen Landſchaf- ten regieret, und dem Buͤdun Begjlerbegj, oder Statthalter zu Ofen, den der Kaiſer Leo- pold zu unſern Zeiten aus der Liſte ausgeſtri- chen hat. Die Tuͤrken rechnen Damaskus unter die heiligen Oerter, weil Muhaͤmmed, nachdem er von Jeruſalem in den neunten Himmel weggefuͤhret worden, und daſelbſt von Gott den Kuron empfangen hat, zu Da- maskus wieder herunter gekommen ſeyn ſoll. Ueber dieſes glauben ſie auch, daß das allge- meine Gericht daſelbſt gehalten werden, und Damaskus die Hauptſtadt des zukuͤnftigen ewigen Reiches ſeyn werde, das daſelbſt ſei- nen Anfang nehmen ſoll. Dieſe und derglei- chen Umſtaͤnde ſind in einem tuͤrkiſchen Buche, Muhaͤmmedije genennet, weitlaͤufiger aus- gefuͤhret zu finden. ³¹ Buͤrdſch Waͤjk] Iſt ein Platz nahe bey Aleppo, und bedeutet, nach dem Urſprun- ge des Worts, den Thurm oder die Feſtung Waͤjk. Naͤmlich, die Tuͤrken pflegen den Namen Buͤrdſch oder Thierkreis verbluͤmter Weiſe den Thuͤrmchen ihrer Feſtungen beyzu- legen, weil dieſe um die Stadt herum gehen, wie der Thierkreis um die Himmelskugel her- um laufet. Zum Beyſpiele heißet Buͤrdſchi Kaͤlaͤ der Thierkreis oder die Bolwerke, wel- che rings um die Stadt herum gehen. * 49 S. 4 Anm. 2 G 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/323>, abgerufen am 22.11.2024.