Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte wird von Selimdeswegen gelo-bet: 15. Nunmehr, glaubte Mehemmed, würde der Vorwurf, den ihm Se- 27 Dscheßire] Heißet seinem Ursprunge nach ein Eyland. Es ist Mesopotamien, das zwischen den Flüssen Fürat, Murad und Schat gelegen ist. Fürat ist der Euphrat, Murad ein Arm des Euphrats, und Schat der Tigris. Sowol der Euphrat als Tigris werden von den Einwohnern insgemein Fü- ratät genennet, und der Euphrat hat auch noch einen andern Namen, Nehrüs-Selam, der Friedensstrom. 28 Aleppo] Der berühmteste Handels- ort in Syrien und beynahe in ganz Asien, der nicht allein mit Eingebornen, sondern auch mit Fremden, stark bewohnet ist. Hier halten sich der französische, holländische und englische Consul auf. Viele Europäer kau- fen hier Häuser und Landgüter, nehmen Wei- ber, und werden auf gewisse Weise für Einge- borne geachtet. Hier ist auch der Sitz des Patriarchens von Antiochien. Denn zu An- tiochien, dessen Einwohner zuerst Christen ge- nennet wurden, ist nicht einmal der Name der Christen mehr zu hören. 29 Sultan Gäwri] Er stammete von [Spaltenumbruch] den Tscherkassiern her, dem edelsten Volke unter den Scythen, bey dem keiner für unedel geachtet wird. Von ihrer Lebensart und von ihren Sitten habe ich bereits in einer der vor- hergehenden Anmerkungen gehandelt (31 Anm. 186 S.). Nachdem Palästine durch die Kreuzzüge erobert war: so kaufte Salad- din, Sultan in Aegypten, um das Jahr der Hidschret 583, und der Geburt Christi 1187, tscherkassische Slawen, um sich ein geübteres Kriegsheer anzuschaffen, als er (wie er wohl sahe) von den weichlichen Aegyptern zusam- men bringen konnte: ließ dieselben in der Kriegeskunst unterrichten, und brachte durch ihre Tapferkeit das heilige Land gar bald wie- der unter seine Gewalt. Allein, nach seinem Tode wurden eben diese Soldaten gegen des- sen Nachfolger aufrührisch, stießen im Jahre der Hidschret 642 den rechtmäßigen Erben des Reichs, Elmutan, vom Throne, und be- mächtigten sich nicht allein des ganzen Ae- gyptens*, sondern erweiterten auch in den nachfolgenden Zeiten die Grenzen ihres Ge- bietes überaus sehr, und vertheidigten diesel- ben mit vieler Tapferkeit (indem sie alle Jahre Soldaten von ihrem eigenen Volke aus den 16. Der * [Diese Tscherkassier haben ungefähr zwey hundert und achtzig Jahre lang in Aegypten geherrschet, und
in dieser Zeit vierzehen auf einander folgende Könige gehabt. Sie sind diejenigen gewesen, die wir verderbter Weise Mamaluken nennen, von Memlukj (in der mehrern Zahl Mematikj), das in der arabischen Sprache einen Slawen bedeutet.] Osmaniſche Geſchichte wird von Selimdeswegen gelo-bet: 15. Nunmehr, glaubte Mehemmed, wuͤrde der Vorwurf, den ihm Se- 27 Dſcheßire] Heißet ſeinem Urſprunge nach ein Eyland. Es iſt Meſopotamien, das zwiſchen den Fluͤſſen Fuͤrat, Murad und Schat gelegen iſt. Fuͤrat iſt der Euphrat, Murad ein Arm des Euphrats, und Schat der Tigris. Sowol der Euphrat als Tigris werden von den Einwohnern insgemein Fuͤ- rataͤt genennet, und der Euphrat hat auch noch einen andern Namen, Nehruͤſ-Selam, der Friedensſtrom. 28 Aleppo] Der beruͤhmteſte Handels- ort in Syrien und beynahe in ganz Aſien, der nicht allein mit Eingebornen, ſondern auch mit Fremden, ſtark bewohnet iſt. Hier halten ſich der franzoͤſiſche, hollaͤndiſche und engliſche Conſul auf. Viele Europaͤer kau- fen hier Haͤuſer und Landguͤter, nehmen Wei- ber, und werden auf gewiſſe Weiſe fuͤr Einge- borne geachtet. Hier iſt auch der Sitz des Patriarchens von Antiochien. Denn zu An- tiochien, deſſen Einwohner zuerſt Chriſten ge- nennet wurden, iſt nicht einmal der Name der Chriſten mehr zu hoͤren. 29 Sultan Gaͤwri] Er ſtammete von [Spaltenumbruch] den Tſcherkaſſiern her, dem edelſten Volke unter den Scythen, bey dem keiner fuͤr unedel geachtet wird. Von ihrer Lebensart und von ihren Sitten habe ich bereits in einer der vor- hergehenden Anmerkungen gehandelt (31 Anm. 186 S.). Nachdem Palaͤſtine durch die Kreuzzuͤge erobert war: ſo kaufte Salad- din, Sultan in Aegypten, um das Jahr der Hidſchret 583, und der Geburt Chriſti 1187, tſcherkaſſiſche Slawen, um ſich ein geuͤbteres Kriegsheer anzuſchaffen, als er (wie er wohl ſahe) von den weichlichen Aegyptern zuſam- men bringen konnte: ließ dieſelben in der Kriegeskunſt unterrichten, und brachte durch ihre Tapferkeit das heilige Land gar bald wie- der unter ſeine Gewalt. Allein, nach ſeinem Tode wurden eben dieſe Soldaten gegen deſ- ſen Nachfolger aufruͤhriſch, ſtießen im Jahre der Hidſchret 642 den rechtmaͤßigen Erben des Reichs, Elmutan, vom Throne, und be- maͤchtigten ſich nicht allein des ganzen Ae- gyptens*, ſondern erweiterten auch in den nachfolgenden Zeiten die Grenzen ihres Ge- bietes uͤberaus ſehr, und vertheidigten dieſel- ben mit vieler Tapferkeit (indem ſie alle Jahre Soldaten von ihrem eigenen Volke aus den 16. Der * [Dieſe Tſcherkaſſier haben ungefaͤhr zwey hundert und achtzig Jahre lang in Aegypten geherrſchet, und
in dieſer Zeit vierzehen auf einander folgende Koͤnige gehabt. Sie ſind diejenigen geweſen, die wir verderbter Weiſe Mamaluken nennen, von Memlukj (in der mehrern Zahl Mematikj), das in der arabiſchen Sprache einen Slawen bedeutet.] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0320" n="232"/> <fw place="top" type="header">Osmaniſche Geſchichte</fw><lb/> <note place="left">wird von Selim<lb/> deswegen gelo-bet:</note> </div><lb/> <div n="3"> <head>15.</head> <p>Nunmehr, glaubte Mehemmed, wuͤrde der Vorwurf, den ihm Se-<lb/> lim gemacht hatte, durch ſo viele Thaten wol getilget ſeyn, ſo daß man ihm<lb/> leicht erlauben wuͤrde, itzo in Ruhe zu leben. In dieſer Abſicht ſendete er ſeinen<lb/> Bruder Uewejs Paſcha mit einem Schreiben an Selim, und ſtattete darinnen<lb/> von ſeinen bisherigen Verrichtungen Bericht ab. Selim war uͤber die guten<lb/> Zeitungen ſehr erfreuet, ruͤhmte in Gegenwart ſeiner Weßire Mehemmeds Tap-<lb/> ferkeit uͤber alle Maße, und ſchickte Uewejs Paſcha mit vielen Ehrenzeichen und<lb/> Geſchenken wieder an ſeinen Bruder zuruͤck.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">16. Der</fw><lb/> <cb n="1"/><lb/> <note place="end" n="27">Dſcheßire] Heißet ſeinem Urſprunge<lb/> nach ein Eyland. Es iſt Meſopotamien,<lb/> das zwiſchen den Fluͤſſen Fuͤrat, Murad und<lb/> Schat gelegen iſt. Fuͤrat iſt der Euphrat,<lb/> Murad ein Arm des Euphrats, und Schat<lb/> der Tigris. Sowol der Euphrat als Tigris<lb/> werden von den Einwohnern insgemein Fuͤ-<lb/> rataͤt genennet, und der Euphrat hat auch<lb/> noch einen andern Namen, Nehruͤſ-Selam,<lb/> der Friedensſtrom.</note><lb/> <note place="end" n="28">Aleppo] Der beruͤhmteſte Handels-<lb/> ort in Syrien und beynahe in ganz Aſien,<lb/> der nicht allein mit Eingebornen, ſondern<lb/> auch mit Fremden, ſtark bewohnet iſt. Hier<lb/> halten ſich der franzoͤſiſche, hollaͤndiſche und<lb/> engliſche Conſul auf. Viele Europaͤer kau-<lb/> fen hier Haͤuſer und Landguͤter, nehmen Wei-<lb/> ber, und werden auf gewiſſe Weiſe fuͤr Einge-<lb/> borne geachtet. Hier iſt auch der Sitz des<lb/> Patriarchens von Antiochien. Denn zu An-<lb/> tiochien, deſſen Einwohner zuerſt Chriſten ge-<lb/> nennet wurden, iſt nicht einmal der Name<lb/> der Chriſten mehr zu hoͤren.</note><lb/> <note xml:id="N320" next="#N321" place="end" n="29">Sultan Gaͤwri] Er ſtammete von<lb/><cb n="2"/><lb/> den Tſcherkaſſiern her, dem edelſten Volke<lb/> unter den Scythen, bey dem keiner fuͤr unedel<lb/> geachtet wird. Von ihrer Lebensart und von<lb/> ihren Sitten habe ich bereits in einer der vor-<lb/> hergehenden Anmerkungen gehandelt (31<lb/> Anm. 186 S.). Nachdem Palaͤſtine durch<lb/> die Kreuzzuͤge erobert war: ſo kaufte Salad-<lb/> din, Sultan in Aegypten, um das Jahr der<lb/> Hidſchret 583, und der Geburt Chriſti 1187,<lb/> tſcherkaſſiſche Slawen, um ſich ein geuͤbteres<lb/> Kriegsheer anzuſchaffen, als er (wie er wohl<lb/> ſahe) von den weichlichen Aegyptern zuſam-<lb/> men bringen konnte: ließ dieſelben in der<lb/> Kriegeskunſt unterrichten, und brachte durch<lb/> ihre Tapferkeit das heilige Land gar bald wie-<lb/> der unter ſeine Gewalt. Allein, nach ſeinem<lb/> Tode wurden eben dieſe Soldaten gegen deſ-<lb/> ſen Nachfolger aufruͤhriſch, ſtießen im Jahre<lb/> der Hidſchret 642 den rechtmaͤßigen Erben<lb/> des Reichs, Elmutan, vom Throne, und be-<lb/> maͤchtigten ſich nicht allein des ganzen Ae-<lb/> gyptens<note place="foot" n="*">[Dieſe Tſcherkaſſier haben ungefaͤhr zwey hundert und achtzig Jahre lang in Aegypten geherrſchet, und<lb/> in dieſer Zeit vierzehen auf einander folgende Koͤnige gehabt. Sie ſind diejenigen geweſen, die wir<lb/> verderbter Weiſe Mamaluken nennen, von Memlukj (in der mehrern Zahl Mematikj), das in der<lb/> arabiſchen Sprache einen Slawen bedeutet.]</note>, ſondern erweiterten auch in den<lb/> nachfolgenden Zeiten die Grenzen ihres Ge-<lb/> bietes uͤberaus ſehr, und vertheidigten dieſel-<lb/> ben mit vieler Tapferkeit (indem ſie alle Jahre<lb/> Soldaten von ihrem eigenen Volke aus den<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aͤußerſten</fw></note> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0320]
Osmaniſche Geſchichte
15. Nunmehr, glaubte Mehemmed, wuͤrde der Vorwurf, den ihm Se-
lim gemacht hatte, durch ſo viele Thaten wol getilget ſeyn, ſo daß man ihm
leicht erlauben wuͤrde, itzo in Ruhe zu leben. In dieſer Abſicht ſendete er ſeinen
Bruder Uewejs Paſcha mit einem Schreiben an Selim, und ſtattete darinnen
von ſeinen bisherigen Verrichtungen Bericht ab. Selim war uͤber die guten
Zeitungen ſehr erfreuet, ruͤhmte in Gegenwart ſeiner Weßire Mehemmeds Tap-
ferkeit uͤber alle Maße, und ſchickte Uewejs Paſcha mit vielen Ehrenzeichen und
Geſchenken wieder an ſeinen Bruder zuruͤck.
16. Der
²⁷ Dſcheßire] Heißet ſeinem Urſprunge
nach ein Eyland. Es iſt Meſopotamien,
das zwiſchen den Fluͤſſen Fuͤrat, Murad und
Schat gelegen iſt. Fuͤrat iſt der Euphrat,
Murad ein Arm des Euphrats, und Schat
der Tigris. Sowol der Euphrat als Tigris
werden von den Einwohnern insgemein Fuͤ-
rataͤt genennet, und der Euphrat hat auch
noch einen andern Namen, Nehruͤſ-Selam,
der Friedensſtrom.
²⁸ Aleppo] Der beruͤhmteſte Handels-
ort in Syrien und beynahe in ganz Aſien,
der nicht allein mit Eingebornen, ſondern
auch mit Fremden, ſtark bewohnet iſt. Hier
halten ſich der franzoͤſiſche, hollaͤndiſche und
engliſche Conſul auf. Viele Europaͤer kau-
fen hier Haͤuſer und Landguͤter, nehmen Wei-
ber, und werden auf gewiſſe Weiſe fuͤr Einge-
borne geachtet. Hier iſt auch der Sitz des
Patriarchens von Antiochien. Denn zu An-
tiochien, deſſen Einwohner zuerſt Chriſten ge-
nennet wurden, iſt nicht einmal der Name
der Chriſten mehr zu hoͤren.
²⁹ Sultan Gaͤwri] Er ſtammete von
den Tſcherkaſſiern her, dem edelſten Volke
unter den Scythen, bey dem keiner fuͤr unedel
geachtet wird. Von ihrer Lebensart und von
ihren Sitten habe ich bereits in einer der vor-
hergehenden Anmerkungen gehandelt (31
Anm. 186 S.). Nachdem Palaͤſtine durch
die Kreuzzuͤge erobert war: ſo kaufte Salad-
din, Sultan in Aegypten, um das Jahr der
Hidſchret 583, und der Geburt Chriſti 1187,
tſcherkaſſiſche Slawen, um ſich ein geuͤbteres
Kriegsheer anzuſchaffen, als er (wie er wohl
ſahe) von den weichlichen Aegyptern zuſam-
men bringen konnte: ließ dieſelben in der
Kriegeskunſt unterrichten, und brachte durch
ihre Tapferkeit das heilige Land gar bald wie-
der unter ſeine Gewalt. Allein, nach ſeinem
Tode wurden eben dieſe Soldaten gegen deſ-
ſen Nachfolger aufruͤhriſch, ſtießen im Jahre
der Hidſchret 642 den rechtmaͤßigen Erben
des Reichs, Elmutan, vom Throne, und be-
maͤchtigten ſich nicht allein des ganzen Ae-
gyptens *, ſondern erweiterten auch in den
nachfolgenden Zeiten die Grenzen ihres Ge-
bietes uͤberaus ſehr, und vertheidigten dieſel-
ben mit vieler Tapferkeit (indem ſie alle Jahre
Soldaten von ihrem eigenen Volke aus den
aͤußerſten
* [Dieſe Tſcherkaſſier haben ungefaͤhr zwey hundert und achtzig Jahre lang in Aegypten geherrſchet, und
in dieſer Zeit vierzehen auf einander folgende Koͤnige gehabt. Sie ſind diejenigen geweſen, die wir
verderbter Weiſe Mamaluken nennen, von Memlukj (in der mehrern Zahl Mematikj), das in der
arabiſchen Sprache einen Slawen bedeutet.]
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