"und der ohnehin unbeständige Pöbel angereizet werde, wo nicht einen öffent- "lichen Aufruhr zu erregen; doch ganz gewiß mit zweifelhaftem Muthe, und "(wie man im Sprichworte saget) nur mit den Spitzen der Finger 9, zu "fechten." Als Selim diese Rede hörete: so rief er aus; "Nun! so ha- "be ich doch in meinem ganzen Heere nach großer Schwierigkeit endlich noch "einen klugen und bedächtigen Mann gefunden, und dieses sein Rath soll mehr "bey mir gelten, als die Köpfe, Hände und Waffen aller dieser Tausenden. "Wahrhaftig! ich glaube, daß es mein und meines Reiches großer Schade "gewesen ist, daß dieser Mann bisher nicht die Stelle des obersten Weßirs be- "kleidet hat."
schläget die Per- ser, und richtet eine große Nie- derlage unter ih-nen an:
6.
Selim billigte also seinen gegebenen Rath, und gab sogleich Befehl, die Feinde und die Stadt, um die die feindlichen Truppen sich rings herum gele- get hatten, zu berennen, und das persische Kriegesheer, das mehr zum Pracht als zur Vertheidigung ausgerüstet war, anzugreifen. Das Treffen nahm sei- nen Anfang mit den schweren Stücken, die von den europäischen Truppen auf dem linken Flügel abgefeuret wurden; aber so unglücklich gepflanzet waren, daß die Kugeln von einem gegenüber stehenden Hügel entweder aufgefangen, oder ohne Wirkung über das persische Lager weg geschicket wurden. Die asia- tischen Truppen aber, unter der Befehlhabung Sinan Paschas 10, rückten mit geschlossenen Gliedern gegen die Perser an, und führeten ihre Feldstücke hinter sich. Als Sinan sich ihnen auf einen Stückschuß genähert hatte: so befahl er den vördersten Gliedern, durch eine Schwenkung rechts und links eine Oeffnung zu machen, und den schweren Stücken hinter ihnen Raum zu geben. Diese richteten, als sie abgefeuret wurden, eine solche Niederlage unter den Feinden an, daß die Perser, die vorher einer Mauer ähnlich sahen, itzo lauter Straßen und Gassen 11 vorstelleten. Als die feindlichen Glieder solchergestalt getrennet sind: so wird ein Zeichen gegeben, Mann für Mann mit Säbeln und Wurf- [Spaltenumbruch]
Kriege mit den Deutschen waren die besten und klügsten Feldherren ganz und gar ande- rer Meinung.
9 Spitzen der Finger] Es ist eine tür- kische Redensart: "ein Ding mit der äu- "ßersten Hand nehmen;" anstatt, daß man saget: "mit Unwillen an eine Sache gehen." So pflegen die Türken zu sagen; [Spaltenumbruch] Härbe Udschi ile wirmekj, etwas mit dem Aeußersten oder der Spitze eines Spießes ge- ben: wann sie von denen reden, die an den Grenzen wohnen, und sich auf anderer Bey- stand verlassen.
10 Sinan Pascha] Ein sehr berühm- ter Feldherr unter den Türken. Zu Constan- tinopel ist ein ansehnliches von ihm erbautes
spießen
Osmaniſche Geſchichte
“und der ohnehin unbeſtaͤndige Poͤbel angereizet werde, wo nicht einen oͤffent- “lichen Aufruhr zu erregen; doch ganz gewiß mit zweifelhaftem Muthe, und “(wie man im Sprichworte ſaget) nur mit den Spitzen der Finger 9, zu “fechten.„ Als Selim dieſe Rede hoͤrete: ſo rief er aus; “Nun! ſo ha- “be ich doch in meinem ganzen Heere nach großer Schwierigkeit endlich noch “einen klugen und bedaͤchtigen Mann gefunden, und dieſes ſein Rath ſoll mehr “bey mir gelten, als die Koͤpfe, Haͤnde und Waffen aller dieſer Tauſenden. “Wahrhaftig! ich glaube, daß es mein und meines Reiches großer Schade “geweſen iſt, daß dieſer Mann bisher nicht die Stelle des oberſten Weßirs be- “kleidet hat.„
ſchlaͤget die Per- ſer, und richtet eine große Nie- derlage unter ih-nen an:
6.
Selim billigte alſo ſeinen gegebenen Rath, und gab ſogleich Befehl, die Feinde und die Stadt, um die die feindlichen Truppen ſich rings herum gele- get hatten, zu berennen, und das perſiſche Kriegesheer, das mehr zum Pracht als zur Vertheidigung ausgeruͤſtet war, anzugreifen. Das Treffen nahm ſei- nen Anfang mit den ſchweren Stuͤcken, die von den europaͤiſchen Truppen auf dem linken Fluͤgel abgefeuret wurden; aber ſo ungluͤcklich gepflanzet waren, daß die Kugeln von einem gegenuͤber ſtehenden Huͤgel entweder aufgefangen, oder ohne Wirkung uͤber das perſiſche Lager weg geſchicket wurden. Die aſia- tiſchen Truppen aber, unter der Befehlhabung Sinan Paſchas 10, ruͤckten mit geſchloſſenen Gliedern gegen die Perſer an, und fuͤhreten ihre Feldſtuͤcke hinter ſich. Als Sinan ſich ihnen auf einen Stuͤckſchuß genaͤhert hatte: ſo befahl er den voͤrderſten Gliedern, durch eine Schwenkung rechts und links eine Oeffnung zu machen, und den ſchweren Stuͤcken hinter ihnen Raum zu geben. Dieſe richteten, als ſie abgefeuret wurden, eine ſolche Niederlage unter den Feinden an, daß die Perſer, die vorher einer Mauer aͤhnlich ſahen, itzo lauter Straßen und Gaſſen 11 vorſtelleten. Als die feindlichen Glieder ſolchergeſtalt getrennet ſind: ſo wird ein Zeichen gegeben, Mann fuͤr Mann mit Saͤbeln und Wurf- [Spaltenumbruch]
Kriege mit den Deutſchen waren die beſten und kluͤgſten Feldherren ganz und gar ande- rer Meinung.
9 Spitzen der Finger] Es iſt eine tuͤr- kiſche Redensart: “ein Ding mit der aͤu- “ßerſten Hand nehmen;„ anſtatt, daß man ſaget: “mit Unwillen an eine Sache gehen.„ So pflegen die Tuͤrken zu ſagen; [Spaltenumbruch] Haͤrbe Udſchi ile wirmekj, etwas mit dem Aeußerſten oder der Spitze eines Spießes ge- ben: wann ſie von denen reden, die an den Grenzen wohnen, und ſich auf anderer Bey- ſtand verlaſſen.
10 Sinan Paſcha] Ein ſehr beruͤhm- ter Feldherr unter den Tuͤrken. Zu Conſtan- tinopel iſt ein anſehnliches von ihm erbautes
ſpießen
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Osmaniſche Geſchichte
“und der ohnehin unbeſtaͤndige Poͤbel angereizet werde, wo nicht einen oͤffent-
“lichen Aufruhr zu erregen; doch ganz gewiß mit zweifelhaftem Muthe, und
“(wie man im Sprichworte ſaget) nur mit den Spitzen der Finger
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“fechten.„ Als Selim dieſe Rede hoͤrete: ſo rief er aus; “Nun! ſo ha-
“be ich doch in meinem ganzen Heere nach großer Schwierigkeit endlich noch
“einen klugen und bedaͤchtigen Mann gefunden, und dieſes ſein Rath ſoll mehr
“bey mir gelten, als die Koͤpfe, Haͤnde und Waffen aller dieſer Tauſenden.
“Wahrhaftig! ich glaube, daß es mein und meines Reiches großer Schade
“geweſen iſt, daß dieſer Mann bisher nicht die Stelle des oberſten Weßirs be-
“kleidet hat.„
6. Selim billigte alſo ſeinen gegebenen Rath, und gab ſogleich Befehl,
die Feinde und die Stadt, um die die feindlichen Truppen ſich rings herum gele-
get hatten, zu berennen, und das perſiſche Kriegesheer, das mehr zum Pracht
als zur Vertheidigung ausgeruͤſtet war, anzugreifen. Das Treffen nahm ſei-
nen Anfang mit den ſchweren Stuͤcken, die von den europaͤiſchen Truppen auf
dem linken Fluͤgel abgefeuret wurden; aber ſo ungluͤcklich gepflanzet waren,
daß die Kugeln von einem gegenuͤber ſtehenden Huͤgel entweder aufgefangen,
oder ohne Wirkung uͤber das perſiſche Lager weg geſchicket wurden. Die aſia-
tiſchen Truppen aber, unter der Befehlhabung Sinan Paſchas
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geſchloſſenen Gliedern gegen die Perſer an, und fuͤhreten ihre Feldſtuͤcke hinter
ſich. Als Sinan ſich ihnen auf einen Stuͤckſchuß genaͤhert hatte: ſo befahl er
den voͤrderſten Gliedern, durch eine Schwenkung rechts und links eine Oeffnung
zu machen, und den ſchweren Stuͤcken hinter ihnen Raum zu geben. Dieſe
richteten, als ſie abgefeuret wurden, eine ſolche Niederlage unter den Feinden
an, daß die Perſer, die vorher einer Mauer aͤhnlich ſahen, itzo lauter Straßen
und Gaſſen
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vorſtelleten. Als die feindlichen Glieder ſolchergeſtalt getrennet
ſind: ſo wird ein Zeichen gegeben, Mann fuͤr Mann mit Saͤbeln und Wurf-
ſpießen
Kriege mit den Deutſchen waren die beſten
und kluͤgſten Feldherren ganz und gar ande-
rer Meinung.
⁹ Spitzen der Finger] Es iſt eine tuͤr-
kiſche Redensart: “ein Ding mit der aͤu-
“ßerſten Hand nehmen;„ anſtatt, daß
man ſaget: “mit Unwillen an eine Sache
gehen.„ So pflegen die Tuͤrken zu ſagen;
Haͤrbe Udſchi ile wirmekj, etwas mit dem
Aeußerſten oder der Spitze eines Spießes ge-
ben: wann ſie von denen reden, die an den
Grenzen wohnen, und ſich auf anderer Bey-
ſtand verlaſſen.
¹⁰ Sinan Paſcha] Ein ſehr beruͤhm-
ter Feldherr unter den Tuͤrken. Zu Conſtan-
tinopel iſt ein anſehnliches von ihm erbautes
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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