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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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9. Selim der I
"und sie anfället, ehe sie einmal ihre Augen recht aufheben können. Ueber
"dieses ist, wenn man nicht mit dem Treffen eilet, zu befürchten, daß ein Auf-
"schub einen Aufruhr im Heere anspinnen möchte. Denn da viele von denen,
"die unter den türkischen Fahnen dienen, von langen Zeiten her in Freundschaft
"und Verwandschaft mit den Persern stehen: so ist es gar wohl möglich,
"wenn man ihnen Zeit lässet, sich mit einander zu unterreden, daß sie verführet,
[Spaltenumbruch]
ist, auf Treue und Glauben stehende Aemter:
weil sie ihre Rechnungen nicht genau verfer-
tigen und eingeben können, sondern dieselben
meistentheils der Ehrlichkeit der Beamten
müssen überlassen werden. An diese kann
der Defterdar keine Befehle in seinem eigenen
Namen ausgehen lassen, ob sie gleich verbun-
den sind, ihre Rechnungen in seiner Kam-
mer zu schließen. Es sind dieselben 1, Ters-
chane Emini, der die Aufsicht über das Bau-
en und Ausbessern der Schiffe hat, und über
alles, was zu dem Schiffswesen gehöret.
2, Gjümrükj Emini, oder der Oberaufseher
über die Zölle. 3, Ssärbchane Emini, oder
der Münzmeister. Dieser giebt keine Rech-
nung ein, wie die übrigen, von Einnahme
und Ausgabe: sondern er pachtet oder kau-
fet den rohen Klumpen Gold oder Silber,
unter der Bedingung, täglich so viele Beutel
in die Schatzkammer zu liefern; nach deren
Entrichtung er die Macht hat, so viel Geld
zu seinem eigenen Vortheile zu prägen, als
er kann. 4, Mätpäch Emini, oder der Ober-
küchenmeister des Großsultans. 5, Top-
chane Naßiri, oder der Oberaufseher über
das Geschütze und andere Kriegeswerkzeuge.
6, Arpa Emini, der den gehörigen Vor-
rath von Gerste für die kaiserlichen Ställe ein-
kaufet, nebst den Unterbeamten desselben.
7, Mübajädschi, oder der Obereinkäufer der
Speisen und Getränke. 8, Schehir Emi-
ni, dessen Geschäffte ist, daß die Mauren und
Festungswerke im Stande erhalten und erfor-
derlichermaßen ausgebessert werden. 9, Gjü-
[Spaltenumbruch]
misch Chane Emini, der die Bergwerke be-
sichtiget, und entweder den Gewinst, den sie
abwerfen, einsammelt, oder dieselben auf
einen gewissen jährlichen Pacht austhut.
Endlich ist zu merken, daß nach dem obersten
Weßire nur ein einziger Bedienter des äußern
Hofes über dem Defterdar ist, nämlich, der
Kjetchuda Begj oder Kjihaja, das ist, der
Verweser des obersten Weßirs, der den näch-
sten Rang nach dem Weßire hat. Von al-
lem Gelde, das in den kaiserlichen Schatz ge-
liefert wird, hat der Defterdar den zwanzig-
sten Theil, welches ihm, wie ich gewiß und
aus Erfahrung weis, wenigstens zweymal
hundert tausend Thaler einbringet: und hie-
von giebt er dem Kjetchuda Begj wieder
funfzig tausend ab. Der oberste Weßir aber
kann mit Fug und Rechte jährlich sechsmal
hundert tausend Thaler machen, die Geschen-
ke und andern Kunstgriffe, welche die We-
ßire, ihren Geiz zu sättigen, gebrauchen, un-
gerechnet. Dieses wird denjenigen, die den
osmanischen Hof nicht gesehen haben, un-
glaublich vorkommen: wer ihn aber besser
kennet, der wird anders davon denken. Doch,
von diesen Dingen anderswo ein Mehreres.
8 gute Vorbedeutung] Ogur. Die
Türken haben den festen Glauben, wenn sie
den ersten Angriff thäten: so müßte der Sieg
auf ihrer Seite seyn. Daher kommt das
Sprichwort bey ihnen: "Wer zuerst los-
"schießet; der ist ein guter und vollkomme-
"ner Schütz." Jedoch, in dem letzten

"und
2 E 2

9. Selim der I
“und ſie anfaͤllet, ehe ſie einmal ihre Augen recht aufheben koͤnnen. Ueber
“dieſes iſt, wenn man nicht mit dem Treffen eilet, zu befuͤrchten, daß ein Auf-
“ſchub einen Aufruhr im Heere anſpinnen moͤchte. Denn da viele von denen,
“die unter den tuͤrkiſchen Fahnen dienen, von langen Zeiten her in Freundſchaft
“und Verwandſchaft mit den Perſern ſtehen: ſo iſt es gar wohl moͤglich,
“wenn man ihnen Zeit laͤſſet, ſich mit einander zu unterreden, daß ſie verfuͤhret,
[Spaltenumbruch]
iſt, auf Treue und Glauben ſtehende Aemter:
weil ſie ihre Rechnungen nicht genau verfer-
tigen und eingeben koͤnnen, ſondern dieſelben
meiſtentheils der Ehrlichkeit der Beamten
muͤſſen uͤberlaſſen werden. An dieſe kann
der Defterdar keine Befehle in ſeinem eigenen
Namen ausgehen laſſen, ob ſie gleich verbun-
den ſind, ihre Rechnungen in ſeiner Kam-
mer zu ſchließen. Es ſind dieſelben 1, Ters-
chane Emini, der die Aufſicht uͤber das Bau-
en und Ausbeſſern der Schiffe hat, und uͤber
alles, was zu dem Schiffsweſen gehoͤret.
2, Gjuͤmruͤkj Emini, oder der Oberaufſeher
uͤber die Zoͤlle. 3, Sſaͤrbchane Emini, oder
der Muͤnzmeiſter. Dieſer giebt keine Rech-
nung ein, wie die uͤbrigen, von Einnahme
und Ausgabe: ſondern er pachtet oder kau-
fet den rohen Klumpen Gold oder Silber,
unter der Bedingung, taͤglich ſo viele Beutel
in die Schatzkammer zu liefern; nach deren
Entrichtung er die Macht hat, ſo viel Geld
zu ſeinem eigenen Vortheile zu praͤgen, als
er kann. 4, Maͤtpaͤch Emini, oder der Ober-
kuͤchenmeiſter des Großſultans. 5, Top-
chane Naßiri, oder der Oberaufſeher uͤber
das Geſchuͤtze und andere Kriegeswerkzeuge.
6, Arpa Emini, der den gehoͤrigen Vor-
rath von Gerſte fuͤr die kaiſerlichen Staͤlle ein-
kaufet, nebſt den Unterbeamten deſſelben.
7, Muͤbajaͤdſchi, oder der Obereinkaͤufer der
Speiſen und Getraͤnke. 8, Schehir Emi-
ni, deſſen Geſchaͤffte iſt, daß die Mauren und
Feſtungswerke im Stande erhalten und erfor-
derlichermaßen ausgebeſſert werden. 9, Gjuͤ-
[Spaltenumbruch]
miſch Chane Emini, der die Bergwerke be-
ſichtiget, und entweder den Gewinſt, den ſie
abwerfen, einſammelt, oder dieſelben auf
einen gewiſſen jaͤhrlichen Pacht austhut.
Endlich iſt zu merken, daß nach dem oberſten
Weßire nur ein einziger Bedienter des aͤußern
Hofes uͤber dem Defterdar iſt, naͤmlich, der
Kjetchuda Begj oder Kjihaja, das iſt, der
Verweſer des oberſten Weßirs, der den naͤch-
ſten Rang nach dem Weßire hat. Von al-
lem Gelde, das in den kaiſerlichen Schatz ge-
liefert wird, hat der Defterdar den zwanzig-
ſten Theil, welches ihm, wie ich gewiß und
aus Erfahrung weis, wenigſtens zweymal
hundert tauſend Thaler einbringet: und hie-
von giebt er dem Kjetchuda Begj wieder
funfzig tauſend ab. Der oberſte Weßir aber
kann mit Fug und Rechte jaͤhrlich ſechsmal
hundert tauſend Thaler machen, die Geſchen-
ke und andern Kunſtgriffe, welche die We-
ßire, ihren Geiz zu ſaͤttigen, gebrauchen, un-
gerechnet. Dieſes wird denjenigen, die den
osmaniſchen Hof nicht geſehen haben, un-
glaublich vorkommen: wer ihn aber beſſer
kennet, der wird anders davon denken. Doch,
von dieſen Dingen anderswo ein Mehreres.
8 gute Vorbedeutung] Ogur. Die
Tuͤrken haben den feſten Glauben, wenn ſie
den erſten Angriff thaͤten: ſo muͤßte der Sieg
auf ihrer Seite ſeyn. Daher kommt das
Sprichwort bey ihnen: “Wer zuerſt los-
“ſchießet; der iſt ein guter und vollkomme-
“ner Schuͤtz.„ Jedoch, in dem letzten

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[219/0307] 9. Selim der I “und ſie anfaͤllet, ehe ſie einmal ihre Augen recht aufheben koͤnnen. Ueber “dieſes iſt, wenn man nicht mit dem Treffen eilet, zu befuͤrchten, daß ein Auf- “ſchub einen Aufruhr im Heere anſpinnen moͤchte. Denn da viele von denen, “die unter den tuͤrkiſchen Fahnen dienen, von langen Zeiten her in Freundſchaft “und Verwandſchaft mit den Perſern ſtehen: ſo iſt es gar wohl moͤglich, “wenn man ihnen Zeit laͤſſet, ſich mit einander zu unterreden, daß ſie verfuͤhret, “und iſt, auf Treue und Glauben ſtehende Aemter: weil ſie ihre Rechnungen nicht genau verfer- tigen und eingeben koͤnnen, ſondern dieſelben meiſtentheils der Ehrlichkeit der Beamten muͤſſen uͤberlaſſen werden. An dieſe kann der Defterdar keine Befehle in ſeinem eigenen Namen ausgehen laſſen, ob ſie gleich verbun- den ſind, ihre Rechnungen in ſeiner Kam- mer zu ſchließen. Es ſind dieſelben 1, Ters- chane Emini, der die Aufſicht uͤber das Bau- en und Ausbeſſern der Schiffe hat, und uͤber alles, was zu dem Schiffsweſen gehoͤret. 2, Gjuͤmruͤkj Emini, oder der Oberaufſeher uͤber die Zoͤlle. 3, Sſaͤrbchane Emini, oder der Muͤnzmeiſter. Dieſer giebt keine Rech- nung ein, wie die uͤbrigen, von Einnahme und Ausgabe: ſondern er pachtet oder kau- fet den rohen Klumpen Gold oder Silber, unter der Bedingung, taͤglich ſo viele Beutel in die Schatzkammer zu liefern; nach deren Entrichtung er die Macht hat, ſo viel Geld zu ſeinem eigenen Vortheile zu praͤgen, als er kann. 4, Maͤtpaͤch Emini, oder der Ober- kuͤchenmeiſter des Großſultans. 5, Top- chane Naßiri, oder der Oberaufſeher uͤber das Geſchuͤtze und andere Kriegeswerkzeuge. 6, Arpa Emini, der den gehoͤrigen Vor- rath von Gerſte fuͤr die kaiſerlichen Staͤlle ein- kaufet, nebſt den Unterbeamten deſſelben. 7, Muͤbajaͤdſchi, oder der Obereinkaͤufer der Speiſen und Getraͤnke. 8, Schehir Emi- ni, deſſen Geſchaͤffte iſt, daß die Mauren und Feſtungswerke im Stande erhalten und erfor- derlichermaßen ausgebeſſert werden. 9, Gjuͤ- miſch Chane Emini, der die Bergwerke be- ſichtiget, und entweder den Gewinſt, den ſie abwerfen, einſammelt, oder dieſelben auf einen gewiſſen jaͤhrlichen Pacht austhut. Endlich iſt zu merken, daß nach dem oberſten Weßire nur ein einziger Bedienter des aͤußern Hofes uͤber dem Defterdar iſt, naͤmlich, der Kjetchuda Begj oder Kjihaja, das iſt, der Verweſer des oberſten Weßirs, der den naͤch- ſten Rang nach dem Weßire hat. Von al- lem Gelde, das in den kaiſerlichen Schatz ge- liefert wird, hat der Defterdar den zwanzig- ſten Theil, welches ihm, wie ich gewiß und aus Erfahrung weis, wenigſtens zweymal hundert tauſend Thaler einbringet: und hie- von giebt er dem Kjetchuda Begj wieder funfzig tauſend ab. Der oberſte Weßir aber kann mit Fug und Rechte jaͤhrlich ſechsmal hundert tauſend Thaler machen, die Geſchen- ke und andern Kunſtgriffe, welche die We- ßire, ihren Geiz zu ſaͤttigen, gebrauchen, un- gerechnet. Dieſes wird denjenigen, die den osmaniſchen Hof nicht geſehen haben, un- glaublich vorkommen: wer ihn aber beſſer kennet, der wird anders davon denken. Doch, von dieſen Dingen anderswo ein Mehreres. ⁸ gute Vorbedeutung] Ogur. Die Tuͤrken haben den feſten Glauben, wenn ſie den erſten Angriff thaͤten: ſo muͤßte der Sieg auf ihrer Seite ſeyn. Daher kommt das Sprichwort bey ihnen: “Wer zuerſt los- “ſchießet; der iſt ein guter und vollkomme- “ner Schuͤtz.„ Jedoch, in dem letzten Kriege 2 E 2

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/307>, abgerufen am 25.11.2024.