lag, und dadurch bey seinem Sohne den Argwohn erregte, daß er hoffe, bey einigem Aufruhre des Volks wieder zu der Regierung (die er ungerne aufge- geben hatte) berufen zu werden. Vielleicht war dieses die Ursache, daß der- selbe, als er kaum vierzig Meilen* von der Stadt weg war, sein Leben durch einen unvermutheten Märtyrertod 60 endigte. Als Selim von dem Tode desselben Nachricht bekam: so befahl er dem Weßire und den Großen, seinen Leichnam nach Constantinopel zu führen. Er selbst ging ihnen bey ihrer Rückkunft zu Fuße in einem Trauerkleide vor die Stadt hinaus entgegen, ließ die Leiche mit großem Gepränge, wie im Triumphe, in die Stadt bringen, und befahl, den Körper in demjenigen Dschami, den Bajeßid gestiftet hatte, beyzusetzen.
32.
Bajeßid brachte sein Leben auf zwey und sechszig Jahre, und füh-Bajeßids Nach- kommen und Ei- genschaften. rete die Regierung zwey und vierzig Jahre lang. Er hatte fünf Söhne, Aeh- med, Selim, Schehinschah, Alemschah, und Korkud, deren Schicksale weiter unten sollen angeführet werden. Wenn man den türkischen Geschichtschreibern glauben kann: so war derselbe ein tapferer, ämsiger Fürst, von unüberwindli- cher Standhaftigkeit des Gemüths, selbst in Widerwärtigkeiten, und hatte durch die Uebung eine solche Leibesstärke erlanget, daß wenige es ihm gleich thun, keiner aber ihn übertreffen konnte. Er war ein genauer Beobachter des Gesetzes, und ein großer Gönner der Gelehrten: wie er dann einem ieden von diesen nicht allein einen jährlichen Gehalt von zehen tausend Aktsche 61 reichen ließ; sondern auch die Gnade hatte, dieselben mit Softa2* und andern Noth- wendigkeiten, nach eines ieden Stande, zu versehen. Er selbst war in allen Theilen der Gelehrtheit so wohl erfahren, daß er von seinem Volke eben so- wol für das Haupt der Gelehrten, als des Reiches, angesehen wurde. Durch [Spaltenumbruch]
60 Märtyrertod] Hieraus kann man schließen, daß dasjenige, was Philipp Loni- cer aus Anton Mönevin von seinem Tode anführet, keine erdichtete Sache ist. Er er- zählet (im 1 Bande, 5 Theile, 22 Hauptst.), Bajeßid sey auf seiner Reise durch einen jüdi- schen Arzt ermordet worden: ungeachtet die Türken die That nicht ausdrücklich gestehen.
[Spaltenumbruch]
61 Aktsche] Weiß: ist die Uebersetzung des griechischen Wortes [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]. Es ist die geringste Münze von Gewichte und Werth unter allen (die kupfernen halben Pfenninge, Mänkir genennet, ausgenommen). 120 die- ses Schlages machen einen Löwenthaler, und 300 einen venetianischen Ducaten*.
seine
* oder zehen deutsche Meilen.
2* Man sehe oben die 30 Anmerkung, auf der 64 Seite.
lag, und dadurch bey ſeinem Sohne den Argwohn erregte, daß er hoffe, bey einigem Aufruhre des Volks wieder zu der Regierung (die er ungerne aufge- geben hatte) berufen zu werden. Vielleicht war dieſes die Urſache, daß der- ſelbe, als er kaum vierzig Meilen* von der Stadt weg war, ſein Leben durch einen unvermutheten Maͤrtyrertod 60 endigte. Als Selim von dem Tode deſſelben Nachricht bekam: ſo befahl er dem Weßire und den Großen, ſeinen Leichnam nach Conſtantinopel zu fuͤhren. Er ſelbſt ging ihnen bey ihrer Ruͤckkunft zu Fuße in einem Trauerkleide vor die Stadt hinaus entgegen, ließ die Leiche mit großem Gepraͤnge, wie im Triumphe, in die Stadt bringen, und befahl, den Koͤrper in demjenigen Dſchami, den Bajeßid geſtiftet hatte, beyzuſetzen.
32.
Bajeßid brachte ſein Leben auf zwey und ſechszig Jahre, und fuͤh-Bajeßids Nach- kommen und Ei- genſchaften. rete die Regierung zwey und vierzig Jahre lang. Er hatte fuͤnf Soͤhne, Aeh- med, Selim, Schehinſchah, Alemſchah, und Korkud, deren Schickſale weiter unten ſollen angefuͤhret werden. Wenn man den tuͤrkiſchen Geſchichtſchreibern glauben kann: ſo war derſelbe ein tapferer, aͤmſiger Fuͤrſt, von unuͤberwindli- cher Standhaftigkeit des Gemuͤths, ſelbſt in Widerwaͤrtigkeiten, und hatte durch die Uebung eine ſolche Leibesſtaͤrke erlanget, daß wenige es ihm gleich thun, keiner aber ihn uͤbertreffen konnte. Er war ein genauer Beobachter des Geſetzes, und ein großer Goͤnner der Gelehrten: wie er dann einem ieden von dieſen nicht allein einen jaͤhrlichen Gehalt von zehen tauſend Aktſche 61 reichen ließ; ſondern auch die Gnade hatte, dieſelben mit Softa2* und andern Noth- wendigkeiten, nach eines ieden Stande, zu verſehen. Er ſelbſt war in allen Theilen der Gelehrtheit ſo wohl erfahren, daß er von ſeinem Volke eben ſo- wol fuͤr das Haupt der Gelehrten, als des Reiches, angeſehen wurde. Durch [Spaltenumbruch]
60 Maͤrtyrertod] Hieraus kann man ſchließen, daß dasjenige, was Philipp Loni- cer aus Anton Moͤnevin von ſeinem Tode anfuͤhret, keine erdichtete Sache iſt. Er er- zaͤhlet (im 1 Bande, 5 Theile, 22 Hauptſt.), Bajeßid ſey auf ſeiner Reiſe durch einen juͤdi- ſchen Arzt ermordet worden: ungeachtet die Tuͤrken die That nicht ausdruͤcklich geſtehen.
[Spaltenumbruch]
61 Aktſche] Weiß: iſt die Ueberſetzung des griechiſchen Wortes [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]. Es iſt die geringſte Muͤnze von Gewichte und Werth unter allen (die kupfernen halben Pfenninge, Maͤnkir genennet, ausgenommen). 120 die- ſes Schlages machen einen Loͤwenthaler, und 300 einen venetianiſchen Ducaten*.
ſeine
* oder zehen deutſche Meilen.
2* Man ſehe oben die 30 Anmerkung, auf der 64 Seite.
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8. Bajeßid der II
lag, und dadurch bey ſeinem Sohne den Argwohn erregte, daß er hoffe, bey
einigem Aufruhre des Volks wieder zu der Regierung (die er ungerne aufge-
geben hatte) berufen zu werden. Vielleicht war dieſes die Urſache, daß der-
ſelbe, als er kaum vierzig Meilen * von der Stadt weg war, ſein Leben durch einen
unvermutheten Maͤrtyrertod
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endigte. Als Selim von dem Tode deſſelben
Nachricht bekam: ſo befahl er dem Weßire und den Großen, ſeinen Leichnam
nach Conſtantinopel zu fuͤhren. Er ſelbſt ging ihnen bey ihrer Ruͤckkunft zu
Fuße in einem Trauerkleide vor die Stadt hinaus entgegen, ließ die Leiche mit
großem Gepraͤnge, wie im Triumphe, in die Stadt bringen, und befahl, den
Koͤrper in demjenigen Dſchami, den Bajeßid geſtiftet hatte, beyzuſetzen.
32. Bajeßid brachte ſein Leben auf zwey und ſechszig Jahre, und fuͤh-
rete die Regierung zwey und vierzig Jahre lang. Er hatte fuͤnf Soͤhne, Aeh-
med, Selim, Schehinſchah, Alemſchah, und Korkud, deren Schickſale weiter
unten ſollen angefuͤhret werden. Wenn man den tuͤrkiſchen Geſchichtſchreibern
glauben kann: ſo war derſelbe ein tapferer, aͤmſiger Fuͤrſt, von unuͤberwindli-
cher Standhaftigkeit des Gemuͤths, ſelbſt in Widerwaͤrtigkeiten, und hatte
durch die Uebung eine ſolche Leibesſtaͤrke erlanget, daß wenige es ihm gleich
thun, keiner aber ihn uͤbertreffen konnte. Er war ein genauer Beobachter des
Geſetzes, und ein großer Goͤnner der Gelehrten: wie er dann einem ieden von
dieſen nicht allein einen jaͤhrlichen Gehalt von zehen tauſend Aktſche
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reichen
ließ; ſondern auch die Gnade hatte, dieſelben mit Softa 2* und andern Noth-
wendigkeiten, nach eines ieden Stande, zu verſehen. Er ſelbſt war in allen
Theilen der Gelehrtheit ſo wohl erfahren, daß er von ſeinem Volke eben ſo-
wol fuͤr das Haupt der Gelehrten, als des Reiches, angeſehen wurde. Durch
ſeine
⁶⁰ Maͤrtyrertod] Hieraus kann man
ſchließen, daß dasjenige, was Philipp Loni-
cer aus Anton Moͤnevin von ſeinem Tode
anfuͤhret, keine erdichtete Sache iſt. Er er-
zaͤhlet (im 1 Bande, 5 Theile, 22 Hauptſt.),
Bajeßid ſey auf ſeiner Reiſe durch einen juͤdi-
ſchen Arzt ermordet worden: ungeachtet die
Tuͤrken die That nicht ausdruͤcklich geſtehen.
⁶¹ Aktſche] Weiß: iſt die Ueberſetzung
des griechiſchen Wortes _ . Es iſt
die geringſte Muͤnze von Gewichte und Werth
unter allen (die kupfernen halben Pfenninge,
Maͤnkir genennet, ausgenommen). 120 die-
ſes Schlages machen einen Loͤwenthaler, und
300 einen venetianiſchen Ducaten *.
Bajeßids Nach-
kommen und Ei-
genſchaften.
* oder zehen deutſche Meilen.
2* Man ſehe oben die 30 Anmerkung, auf der 64
Seite.
* 300 Aſper machen 2 Thaler, 7 Groſchen, 4[FORMEL] Pfenn. und 10000 Aſper, 76 Thaler, 22 Groſchen,
1[FORMEL] Pfenn.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/295>, abgerufen am 22.07.2024.
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