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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
ter diesen Bedingungen erhält Olajdewlet einige Hülfsvölker, und greifet die
Tscherkassier aufs neue an: da er dann nach verschiedenen Schlachten, bey
denen das Glück abwechselte, ihnen die Städte Gjüllikj 32, Sues, Adana,
Käjsarije und Antab wegnahm. Kajetbaj, der Bajeßids List wohl merkte, und
daß er die Absicht hatte, seine Kräfte durch eines andern Schwert zu schwächen,
ohne selbst dabey etwas wagen zu dürfen; glaubet, er müsse eben dieses Mittel
gebrauchen, und setzet Olajdewlet seinen Nachbar Kjörschah entgegen. Diese
zween kleine Fürsten, die durch den Beystand beyder Sultane unterstützet wur-
den, fochten eine Zeitlang mit einander mit zweifelhaftem Glücke, so daß es
schwer war zu bestimmen, welcher von beyden Vortheil davon hatte. Daher
[Spaltenumbruch]
ser Botschaft für Freuden ganz entzückt, be-
fiehlet, daß man seine Pferde auf die Weide
treiben solle, und entschließet sich, die ganze
Nacht der Ruhe zu pflegen. Die Tscherkas-
sier, die da Nachricht von demjenigen hatten,
was in den Ordi der Tatarn vorging, ma-
chen aus der Rinde der Bäume kleine Bündel,
die sie stark mit Pech überziehen, binden dieselben
ihren Pferden an die Schwänze, und treiben
diese in der größten Stille an die Kosch oder
Gezelte der Tatarn, da sie dann die Bündel
anzünden. Die Pferde werden durch das
Feuer und die Empfindung des Schmerzens
auf einmal wild, laufen mit äußerster Ge-
schwindigkeit fort, und rennen bey ganz fin-
sterer Nacht unter eine unzählige Menge tata-
rischer Pferde. Diese werden ebenfals wild,
reißen Halfter und Stricke entzwey, und zer-
streuen sich mit großem Getümmel allenthal-
ben umher. Die Tatarn erwachen von die-
sem Lärmen: sehen aber und hören weiter
nichts, als die Flammen, die über das Land
hinfahren (denn entweder die Dunkelheit der
Nacht, oder der Schrecken machte, daß sie
die Pferde nicht sahen), und meinen, daß
Feuer vom Himmel gefallen wäre; daher die
Fußvölker wie die Unsinnigen in der größten
Unordnung aus einander laufen. Als die
Tscherkassier dieses gewahr werden: so legen
[Spaltenumbruch]
sie alle Waffen von sich, ausgenommen ihre
Säbel, und hauen alles darnieder, was sie
antreffen, bis an den anbrechenden Tag; da
man sahe, daß es mehr eine Metzeley, als
eine Schlacht, gewesen war. So bald es
Tag war: so trieben die Tscherkassier beynahe
100000 feindliche Pferde zusammen, mit Ver-
lust von kaum fünf Mann, und kehreten im
Triumphe wieder zurück. Die kubanischen
Tatarn fielen auf die zerstreuten Tatarn, und
hieben dieselben die beyden folgenden Tage
hindurch mit dem Säbel darnieder: denn sie
waren dem Sultane gezwungener Weise gefol-
get, und hatten vorher mit den Tscherkassiern
in genauer Freundschaft gelebet. Kaplan
Gjiraj entrinnet mit einer Handvoll seiner
Leute in die Krim, mit Hinterlassung vierzig
tausend Mann, die erschlagen wurden,
und die übrigen waren alle zerstreuet. Hier-
auf wird derselbe bey dem Hofe zu Constanti-
nopel einer Unbesonnenheit und Unbedacht-
samkeit angeklaget, seiner Würde entsetzet,
und nach Janopel, einer Stadt in Mysien,
verwiesen. Dewlet Gjiraj, der nach Chios
verbannet war, und die tatarischen Truppen
in dem letzten Treffen mit den Russen ange-
führet hatte, wurde an seiner Stelle zum Chan
eingesetzet. In welchem Werthe aber die
Tscherkassier bey den Türken stehen: das

geschahe

Osmaniſche Geſchichte
ter dieſen Bedingungen erhaͤlt Olajdewlet einige Huͤlfsvoͤlker, und greifet die
Tſcherkaſſier aufs neue an: da er dann nach verſchiedenen Schlachten, bey
denen das Gluͤck abwechſelte, ihnen die Staͤdte Gjuͤllikj 32, Sues, Adana,
Kaͤjſarije und Antab wegnahm. Kajetbaj, der Bajeßids Liſt wohl merkte, und
daß er die Abſicht hatte, ſeine Kraͤfte durch eines andern Schwert zu ſchwaͤchen,
ohne ſelbſt dabey etwas wagen zu duͤrfen; glaubet, er muͤſſe eben dieſes Mittel
gebrauchen, und ſetzet Olajdewlet ſeinen Nachbar Kjoͤrſchah entgegen. Dieſe
zween kleine Fuͤrſten, die durch den Beyſtand beyder Sultane unterſtuͤtzet wur-
den, fochten eine Zeitlang mit einander mit zweifelhaftem Gluͤcke, ſo daß es
ſchwer war zu beſtimmen, welcher von beyden Vortheil davon hatte. Daher
[Spaltenumbruch]
ſer Botſchaft fuͤr Freuden ganz entzuͤckt, be-
fiehlet, daß man ſeine Pferde auf die Weide
treiben ſolle, und entſchließet ſich, die ganze
Nacht der Ruhe zu pflegen. Die Tſcherkaſ-
ſier, die da Nachricht von demjenigen hatten,
was in den Ordi der Tatarn vorging, ma-
chen aus der Rinde der Baͤume kleine Buͤndel,
die ſie ſtark mit Pech uͤberziehen, binden dieſelben
ihren Pferden an die Schwaͤnze, und treiben
dieſe in der groͤßten Stille an die Koſch oder
Gezelte der Tatarn, da ſie dann die Buͤndel
anzuͤnden. Die Pferde werden durch das
Feuer und die Empfindung des Schmerzens
auf einmal wild, laufen mit aͤußerſter Ge-
ſchwindigkeit fort, und rennen bey ganz fin-
ſterer Nacht unter eine unzaͤhlige Menge tata-
riſcher Pferde. Dieſe werden ebenfals wild,
reißen Halfter und Stricke entzwey, und zer-
ſtreuen ſich mit großem Getuͤmmel allenthal-
ben umher. Die Tatarn erwachen von die-
ſem Laͤrmen: ſehen aber und hoͤren weiter
nichts, als die Flammen, die uͤber das Land
hinfahren (denn entweder die Dunkelheit der
Nacht, oder der Schrecken machte, daß ſie
die Pferde nicht ſahen), und meinen, daß
Feuer vom Himmel gefallen waͤre; daher die
Fußvoͤlker wie die Unſinnigen in der groͤßten
Unordnung aus einander laufen. Als die
Tſcherkaſſier dieſes gewahr werden: ſo legen
[Spaltenumbruch]
ſie alle Waffen von ſich, ausgenommen ihre
Saͤbel, und hauen alles darnieder, was ſie
antreffen, bis an den anbrechenden Tag; da
man ſahe, daß es mehr eine Metzeley, als
eine Schlacht, geweſen war. So bald es
Tag war: ſo trieben die Tſcherkaſſier beynahe
100000 feindliche Pferde zuſammen, mit Ver-
luſt von kaum fuͤnf Mann, und kehreten im
Triumphe wieder zuruͤck. Die kubaniſchen
Tatarn fielen auf die zerſtreuten Tatarn, und
hieben dieſelben die beyden folgenden Tage
hindurch mit dem Saͤbel darnieder: denn ſie
waren dem Sultane gezwungener Weiſe gefol-
get, und hatten vorher mit den Tſcherkaſſiern
in genauer Freundſchaft gelebet. Kaplan
Gjiraj entrinnet mit einer Handvoll ſeiner
Leute in die Krim, mit Hinterlaſſung vierzig
tauſend Mann, die erſchlagen wurden,
und die uͤbrigen waren alle zerſtreuet. Hier-
auf wird derſelbe bey dem Hofe zu Conſtanti-
nopel einer Unbeſonnenheit und Unbedacht-
ſamkeit angeklaget, ſeiner Wuͤrde entſetzet,
und nach Janopel, einer Stadt in Myſien,
verwieſen. Dewlet Gjiraj, der nach Chios
verbannet war, und die tatariſchen Truppen
in dem letzten Treffen mit den Ruſſen ange-
fuͤhret hatte, wurde an ſeiner Stelle zum Chan
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Tſcherkaſſier bey den Tuͤrken ſtehen: das

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[190/0276] Osmaniſche Geſchichte ter dieſen Bedingungen erhaͤlt Olajdewlet einige Huͤlfsvoͤlker, und greifet die Tſcherkaſſier aufs neue an: da er dann nach verſchiedenen Schlachten, bey denen das Gluͤck abwechſelte, ihnen die Staͤdte Gjuͤllikj ³² , Sues, Adana, Kaͤjſarije und Antab wegnahm. Kajetbaj, der Bajeßids Liſt wohl merkte, und daß er die Abſicht hatte, ſeine Kraͤfte durch eines andern Schwert zu ſchwaͤchen, ohne ſelbſt dabey etwas wagen zu duͤrfen; glaubet, er muͤſſe eben dieſes Mittel gebrauchen, und ſetzet Olajdewlet ſeinen Nachbar Kjoͤrſchah entgegen. Dieſe zween kleine Fuͤrſten, die durch den Beyſtand beyder Sultane unterſtuͤtzet wur- den, fochten eine Zeitlang mit einander mit zweifelhaftem Gluͤcke, ſo daß es ſchwer war zu beſtimmen, welcher von beyden Vortheil davon hatte. Daher geſchahe ſer Botſchaft fuͤr Freuden ganz entzuͤckt, be- fiehlet, daß man ſeine Pferde auf die Weide treiben ſolle, und entſchließet ſich, die ganze Nacht der Ruhe zu pflegen. Die Tſcherkaſ- ſier, die da Nachricht von demjenigen hatten, was in den Ordi der Tatarn vorging, ma- chen aus der Rinde der Baͤume kleine Buͤndel, die ſie ſtark mit Pech uͤberziehen, binden dieſelben ihren Pferden an die Schwaͤnze, und treiben dieſe in der groͤßten Stille an die Koſch oder Gezelte der Tatarn, da ſie dann die Buͤndel anzuͤnden. Die Pferde werden durch das Feuer und die Empfindung des Schmerzens auf einmal wild, laufen mit aͤußerſter Ge- ſchwindigkeit fort, und rennen bey ganz fin- ſterer Nacht unter eine unzaͤhlige Menge tata- riſcher Pferde. Dieſe werden ebenfals wild, reißen Halfter und Stricke entzwey, und zer- ſtreuen ſich mit großem Getuͤmmel allenthal- ben umher. Die Tatarn erwachen von die- ſem Laͤrmen: ſehen aber und hoͤren weiter nichts, als die Flammen, die uͤber das Land hinfahren (denn entweder die Dunkelheit der Nacht, oder der Schrecken machte, daß ſie die Pferde nicht ſahen), und meinen, daß Feuer vom Himmel gefallen waͤre; daher die Fußvoͤlker wie die Unſinnigen in der groͤßten Unordnung aus einander laufen. Als die Tſcherkaſſier dieſes gewahr werden: ſo legen ſie alle Waffen von ſich, ausgenommen ihre Saͤbel, und hauen alles darnieder, was ſie antreffen, bis an den anbrechenden Tag; da man ſahe, daß es mehr eine Metzeley, als eine Schlacht, geweſen war. So bald es Tag war: ſo trieben die Tſcherkaſſier beynahe 100000 feindliche Pferde zuſammen, mit Ver- luſt von kaum fuͤnf Mann, und kehreten im Triumphe wieder zuruͤck. Die kubaniſchen Tatarn fielen auf die zerſtreuten Tatarn, und hieben dieſelben die beyden folgenden Tage hindurch mit dem Saͤbel darnieder: denn ſie waren dem Sultane gezwungener Weiſe gefol- get, und hatten vorher mit den Tſcherkaſſiern in genauer Freundſchaft gelebet. Kaplan Gjiraj entrinnet mit einer Handvoll ſeiner Leute in die Krim, mit Hinterlaſſung vierzig tauſend Mann, die erſchlagen wurden, und die uͤbrigen waren alle zerſtreuet. Hier- auf wird derſelbe bey dem Hofe zu Conſtanti- nopel einer Unbeſonnenheit und Unbedacht- ſamkeit angeklaget, ſeiner Wuͤrde entſetzet, und nach Janopel, einer Stadt in Myſien, verwieſen. Dewlet Gjiraj, der nach Chios verbannet war, und die tatariſchen Truppen in dem letzten Treffen mit den Ruſſen ange- fuͤhret hatte, wurde an ſeiner Stelle zum Chan eingeſetzet. In welchem Werthe aber die Tſcherkaſſier bey den Tuͤrken ſtehen: das kann

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/276>, abgerufen am 25.11.2024.