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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
belagert Con-
stantinopel zumandernmale.
4.

Im dritten Jahre seiner Regierung, oder 857 der Hidschret, offen-
barte endlich Muhämmed seine Absichten, die er bisher im Gemüthe verborgen
H. 857.



J. C. 1453.gehalten hatte. Denn er brachte ein so großes Kriegsheer auf die Beine, als
ihm nur möglich war, zog damit von Adrianopel gegen Constantinopel, und
schloß die Stadt genau ein. Bey dieser Belagerung war außer andern Ma-
schinen, die bisher ganz unbekannt gewesen, sonderlich diejenige bewunderns-
würdig, dadurch an der Nordseite einige Fahrzeuge über Hügel und Abhänge
[Spaltenumbruch]
ist, eine Aussicht in alle Theile der Welt
gehet.
8 veranlassete] Die Türken sagen, als
der Sultan gemerket, daß seine Schiffe nicht
in den Hafen kommen könnten, der sich bis
an Blachernä erstrecket; und daß es sehr
schwer halten würde, die Stadt von der Land-
seite zu bestürmen und zu erobern: so habe er
einige Fahrzeuge auf dem festen Lande bauen,
sie verschiedene italienische Meilen*, nämlich
von dem Dorfe Beschikjtasch bis nach Galata,
über Land führen, und daselbst in denjenigen
Theil des Hafens, der itzo Kasim Pascha hei-
ßet, bringen lassen; von hier haben sich die-
selben an die Stadtmauer geleget, und von
da aus haben seine Soldaten zuerst das Thor
Phenar erobert.
9 Edrene Kapu] Dieses ist ein Thor
auf der Landseite, das gegen Adrianopel zu
gehet, und daher das adrianopelische Thor
genennet wird. Nordwärts von demselben
ist das nächste, Egjri Kapu (das schiefe Thor),
das wegen der ältesten Paläste in Constanti-
nopel merkwürdig ist. Von diesen erzählen
einige, daß sie von Belisarius, der anfangs
ein Beschützer von Italien, hernach aber ein
Ball des Glücks gewesen ist, wären erbauet
worden; andere hingegen schreiben dieselben
Constantin dem Großen zu: allein, beydes
ist ganz irrig. Denn das gegenwärtige Pa-
[Spaltenumbruch]
lation (in der türkischen Sprache Balat),
welchen Namen die Gegend um dieselben be-
halten hat, beweiset zur Genüge, daß diese
prächtigen Gebäude kaiserliche Wohnungen
gewesen, und von den neuern Kaisern sind
aufgeführet worden. Unter den übergeblie-
benen Steinhaufen derselben wurde zu des
Sultan Muhämmeds Zeiten von einem Jun-
gen ein Demant, von Gewichte, wie man sa-
get, 120 Skrupel schwer, gefunden. Ein
Löffelmacher kaufte denselben um zwölf hölzene
Löffel; und weil er nicht wußte, was er
werth sey: so zeigte er ihn einem Juden.
Der schlaue Jud, der den Werth desselben
wohl verstunde, wollte den Mann bereden,
es wäre nur ein Krystall, und bot ihm eine
goldene Krone dafür: weil aber der Mann
auf drey Kronen hielte; so wollte er ihm
auch gleich so viel dafür geben. Der Löffel-
macher verwundert sich, daß der Jud so viel
Geld für einen Krystall bieten sollte: ändert
also seine Forderung, und verlanget zehen
Kronen. Der Jud lässet sich auch diesen
Preis gefallen, und dieses bringet den Mann
auf die Gedanken, daß es ein Edelstein seyn
müsse. Er saget daher zu demselben: es
wäre nur Scherz gewesen; der Stein wäre
nicht sein eigen, sonst würde er ihn für eine
Krone verkauft haben. Als der Jud merket,
daß der Kerl wissen müsse, der Stein sey et-
was mehr, als ein Krystall: so giebt er eine
Schrift bey dem Kaiser ein, und offenbaret

in
* Eine von ihnen ist der vierte Theil einer deutschen Meile.
Osmaniſche Geſchichte
belagert Con-
ſtantinopel zumandernmale.
4.

Im dritten Jahre ſeiner Regierung, oder 857 der Hidſchret, offen-
barte endlich Muhaͤmmed ſeine Abſichten, die er bisher im Gemuͤthe verborgen
H. 857.



J. C. 1453.gehalten hatte. Denn er brachte ein ſo großes Kriegsheer auf die Beine, als
ihm nur moͤglich war, zog damit von Adrianopel gegen Conſtantinopel, und
ſchloß die Stadt genau ein. Bey dieſer Belagerung war außer andern Ma-
ſchinen, die bisher ganz unbekannt geweſen, ſonderlich diejenige bewunderns-
wuͤrdig, dadurch an der Nordſeite einige Fahrzeuge uͤber Huͤgel und Abhaͤnge
[Spaltenumbruch]
iſt, eine Ausſicht in alle Theile der Welt
gehet.
8 veranlaſſete] Die Tuͤrken ſagen, als
der Sultan gemerket, daß ſeine Schiffe nicht
in den Hafen kommen koͤnnten, der ſich bis
an Blachernaͤ erſtrecket; und daß es ſehr
ſchwer halten wuͤrde, die Stadt von der Land-
ſeite zu beſtuͤrmen und zu erobern: ſo habe er
einige Fahrzeuge auf dem feſten Lande bauen,
ſie verſchiedene italieniſche Meilen*, naͤmlich
von dem Dorfe Beſchikjtaſch bis nach Galata,
uͤber Land fuͤhren, und daſelbſt in denjenigen
Theil des Hafens, der itzo Kaſim Paſcha hei-
ßet, bringen laſſen; von hier haben ſich die-
ſelben an die Stadtmauer geleget, und von
da aus haben ſeine Soldaten zuerſt das Thor
Phenar erobert.
9 Edrene Kapu] Dieſes iſt ein Thor
auf der Landſeite, das gegen Adrianopel zu
gehet, und daher das adrianopeliſche Thor
genennet wird. Nordwaͤrts von demſelben
iſt das naͤchſte, Egjri Kapu (das ſchiefe Thor),
das wegen der aͤlteſten Palaͤſte in Conſtanti-
nopel merkwuͤrdig iſt. Von dieſen erzaͤhlen
einige, daß ſie von Beliſarius, der anfangs
ein Beſchuͤtzer von Italien, hernach aber ein
Ball des Gluͤcks geweſen iſt, waͤren erbauet
worden; andere hingegen ſchreiben dieſelben
Conſtantin dem Großen zu: allein, beydes
iſt ganz irrig. Denn das gegenwaͤrtige Pa-
[Spaltenumbruch]
lation (in der tuͤrkiſchen Sprache Balat),
welchen Namen die Gegend um dieſelben be-
halten hat, beweiſet zur Genuͤge, daß dieſe
praͤchtigen Gebaͤude kaiſerliche Wohnungen
geweſen, und von den neuern Kaiſern ſind
aufgefuͤhret worden. Unter den uͤbergeblie-
benen Steinhaufen derſelben wurde zu des
Sultan Muhaͤmmeds Zeiten von einem Jun-
gen ein Demant, von Gewichte, wie man ſa-
get, 120 Skrupel ſchwer, gefunden. Ein
Loͤffelmacher kaufte denſelben um zwoͤlf hoͤlzene
Loͤffel; und weil er nicht wußte, was er
werth ſey: ſo zeigte er ihn einem Juden.
Der ſchlaue Jud, der den Werth deſſelben
wohl verſtunde, wollte den Mann bereden,
es waͤre nur ein Kryſtall, und bot ihm eine
goldene Krone dafuͤr: weil aber der Mann
auf drey Kronen hielte; ſo wollte er ihm
auch gleich ſo viel dafuͤr geben. Der Loͤffel-
macher verwundert ſich, daß der Jud ſo viel
Geld fuͤr einen Kryſtall bieten ſollte: aͤndert
alſo ſeine Forderung, und verlanget zehen
Kronen. Der Jud laͤſſet ſich auch dieſen
Preis gefallen, und dieſes bringet den Mann
auf die Gedanken, daß es ein Edelſtein ſeyn
muͤſſe. Er ſaget daher zu demſelben: es
waͤre nur Scherz geweſen; der Stein waͤre
nicht ſein eigen, ſonſt wuͤrde er ihn fuͤr eine
Krone verkauft haben. Als der Jud merket,
daß der Kerl wiſſen muͤſſe, der Stein ſey et-
was mehr, als ein Kryſtall: ſo giebt er eine
Schrift bey dem Kaiſer ein, und offenbaret

in
* Eine von ihnen iſt der vierte Theil einer deutſchen Meile.
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[142/0226] Osmaniſche Geſchichte 4. Im dritten Jahre ſeiner Regierung, oder 857 der Hidſchret, offen- barte endlich Muhaͤmmed ſeine Abſichten, die er bisher im Gemuͤthe verborgen gehalten hatte. Denn er brachte ein ſo großes Kriegsheer auf die Beine, als ihm nur moͤglich war, zog damit von Adrianopel gegen Conſtantinopel, und ſchloß die Stadt genau ein. Bey dieſer Belagerung war außer andern Ma- ſchinen, die bisher ganz unbekannt geweſen, ſonderlich diejenige bewunderns- wuͤrdig, dadurch an der Nordſeite einige Fahrzeuge uͤber Huͤgel und Abhaͤnge in iſt, eine Ausſicht in alle Theile der Welt gehet. ⁸ veranlaſſete] Die Tuͤrken ſagen, als der Sultan gemerket, daß ſeine Schiffe nicht in den Hafen kommen koͤnnten, der ſich bis an Blachernaͤ erſtrecket; und daß es ſehr ſchwer halten wuͤrde, die Stadt von der Land- ſeite zu beſtuͤrmen und zu erobern: ſo habe er einige Fahrzeuge auf dem feſten Lande bauen, ſie verſchiedene italieniſche Meilen *, naͤmlich von dem Dorfe Beſchikjtaſch bis nach Galata, uͤber Land fuͤhren, und daſelbſt in denjenigen Theil des Hafens, der itzo Kaſim Paſcha hei- ßet, bringen laſſen; von hier haben ſich die- ſelben an die Stadtmauer geleget, und von da aus haben ſeine Soldaten zuerſt das Thor Phenar erobert. ⁹ Edrene Kapu] Dieſes iſt ein Thor auf der Landſeite, das gegen Adrianopel zu gehet, und daher das adrianopeliſche Thor genennet wird. Nordwaͤrts von demſelben iſt das naͤchſte, Egjri Kapu (das ſchiefe Thor), das wegen der aͤlteſten Palaͤſte in Conſtanti- nopel merkwuͤrdig iſt. Von dieſen erzaͤhlen einige, daß ſie von Beliſarius, der anfangs ein Beſchuͤtzer von Italien, hernach aber ein Ball des Gluͤcks geweſen iſt, waͤren erbauet worden; andere hingegen ſchreiben dieſelben Conſtantin dem Großen zu: allein, beydes iſt ganz irrig. Denn das gegenwaͤrtige Pa- lation (in der tuͤrkiſchen Sprache Balat), welchen Namen die Gegend um dieſelben be- halten hat, beweiſet zur Genuͤge, daß dieſe praͤchtigen Gebaͤude kaiſerliche Wohnungen geweſen, und von den neuern Kaiſern ſind aufgefuͤhret worden. Unter den uͤbergeblie- benen Steinhaufen derſelben wurde zu des Sultan Muhaͤmmeds Zeiten von einem Jun- gen ein Demant, von Gewichte, wie man ſa- get, 120 Skrupel ſchwer, gefunden. Ein Loͤffelmacher kaufte denſelben um zwoͤlf hoͤlzene Loͤffel; und weil er nicht wußte, was er werth ſey: ſo zeigte er ihn einem Juden. Der ſchlaue Jud, der den Werth deſſelben wohl verſtunde, wollte den Mann bereden, es waͤre nur ein Kryſtall, und bot ihm eine goldene Krone dafuͤr: weil aber der Mann auf drey Kronen hielte; ſo wollte er ihm auch gleich ſo viel dafuͤr geben. Der Loͤffel- macher verwundert ſich, daß der Jud ſo viel Geld fuͤr einen Kryſtall bieten ſollte: aͤndert alſo ſeine Forderung, und verlanget zehen Kronen. Der Jud laͤſſet ſich auch dieſen Preis gefallen, und dieſes bringet den Mann auf die Gedanken, daß es ein Edelſtein ſeyn muͤſſe. Er ſaget daher zu demſelben: es waͤre nur Scherz geweſen; der Stein waͤre nicht ſein eigen, ſonſt wuͤrde er ihn fuͤr eine Krone verkauft haben. Als der Jud merket, daß der Kerl wiſſen muͤſſe, der Stein ſey et- was mehr, als ein Kryſtall: ſo giebt er eine Schrift bey dem Kaiſer ein, und offenbaret demſelben, H. 857. J. C. 1453. * Eine von ihnen iſt der vierte Theil einer deutſchen Meile.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/226>, abgerufen am 27.11.2024.