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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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6. Murad der II
chan wurden zu Adrianopel begraben. Aehmed hatte seinen Tod und Grab zu
Amasia (von welchem Orte er Herr war). Aeladdin, der Aehmed als San-
dschak von Amasia nachfolgete, starb eben daselbst, und wurde zu Prusa begraben.

[Spaltenumbruch]
verwahren sie mit großer Sorgfalt einen Rock
von demselben in ihrer Schatzkammer. Den
Saum davon tunket der Müfti drey Tage
vor dem Remäßan (oder Fastenmonate) nach
gewissen gesprochenen Gebetern ins Wasser,
das, ihrem Glauben nach, davon heilig wer-
den und von aller Fäulniß frey seyn soll.
Dieses Wasser, Obü Hirki scherif, oder das
Wasser des heiligen (alten) Rocks genennet,
wird in kleine Gläschen gethan, mit dem
Siegel des Schatzmeisteramtes versiegelt, und
von dem Kaiser, als ein Zeichen der Gewogen-
heit, an den obersten Weßir und andere Gro-
ßen gesendet. Wann die Türken nach Unter-
gang der Sonne ihre Fasten brechen wollen:
so ist dieses das erste, daß sie einen Tropfen
davon in ein großes Glas mit Wasser fallen
lassen, und nachdem sie dreymal kleine Schlück-
chen davon gethan, das ganze Glas auf ei-
nen Trunk austrinken. Von Kudsi scherif*
(oder Jerusalem) glauben sie, daß es
ein ehrwürdiger Ort sey, so daß derjenige,
der auf seinem Besuche nach Mekka Jerusa-
lem vorbeygehet, bey ihnen für keinen vollkom-
menen Hadschi oder Pilger gehalten wird.
Ihre Hauptverehrung bezeigen sie daselbst ei-
ner Kirche, die von Justinian erbauet worden,
und von ihnen fälschlicher Weise für Sülej-
mans Tempel gehalten wird. Ausser diesem
geben sie vor, daß daselbst ein viereckiger
Stein, drey Ellen ins Gevierte groß, in der
Luft hänge, und durch ein Wunderwerk von
[Spaltenumbruch]
Muhämmed allda aufgehänget worden sey.
Denn indem derselbe auf seinem Esel (Bürak2*
in dem Kuron genennet) ritte: so erhielte er
von Gabriel Befehl, in den Himmel hinauf
zu kommen, und wurde auch sogleich samt
dem Esel und dem Steine, auf dem der Esel
stund, in die Höhe gehoben. Als der Erz-
engel dieses gewahr wurde: so sagte er; sein
Befehl erstreckte sich nur allein auf den Pro-
pheten, und nicht auf den Stein. Hierauf
sagte Muhämmed zu dem Steine: Dur ja
Mubarekj; stehe still, du glückseliger (Stein)!
Den Augenblick blieb auch der Stein hängen
an dem Orte, wo er damals war. Den Chri-
sten ist es nicht erlaubet, an einen von diesen
dreyen Oertern zu kommen. Als daher eins-
mals ein holländischer Gesandter (durch wel-
che Mittel, ist unbekannt) von dem Kaiser
einen Befehl an den Statthalter zu Jerusalem
erhalten hatte, ihn in die Mestschid einzu-
lassen: so weigerte sich der Statthalter, dem-
selben zu gehorchen. Der Gesandte fragte
nach der Ursache seines Ungehorsams, und
bekam von demselben zur Antwort: er sey
bereit, dem Befehle genau nachzukommen;
allein, dieser verstatte ihm zwar den Ein-
gang, aber nicht die Rückkehre. Es stehe
also in seiner Freyheit, hinein zu gehen, wenn
er willens sey, niemals wieder heraus zu kom-
men. Auf diese Antwort ließ sich der Ge-
sandte seine Neugierigkeit vergehen.
Geschichte
* auf deutsch, ein hochheiliger Ort.
2* das ist, der Blitzende, wegen seiner Weiße und
Schnellheit.
S

6. Murad der II
chan wurden zu Adrianopel begraben. Aehmed hatte ſeinen Tod und Grab zu
Amaſia (von welchem Orte er Herr war). Aeladdin, der Aehmed als San-
dſchak von Amaſia nachfolgete, ſtarb eben daſelbſt, und wurde zu Pruſa begraben.

[Spaltenumbruch]
verwahren ſie mit großer Sorgfalt einen Rock
von demſelben in ihrer Schatzkammer. Den
Saum davon tunket der Muͤfti drey Tage
vor dem Remaͤßan (oder Faſtenmonate) nach
gewiſſen geſprochenen Gebetern ins Waſſer,
das, ihrem Glauben nach, davon heilig wer-
den und von aller Faͤulniß frey ſeyn ſoll.
Dieſes Waſſer, Obuͤ Hirki ſcherif, oder das
Waſſer des heiligen (alten) Rocks genennet,
wird in kleine Glaͤschen gethan, mit dem
Siegel des Schatzmeiſteramtes verſiegelt, und
von dem Kaiſer, als ein Zeichen der Gewogen-
heit, an den oberſten Weßir und andere Gro-
ßen geſendet. Wann die Tuͤrken nach Unter-
gang der Sonne ihre Faſten brechen wollen:
ſo iſt dieſes das erſte, daß ſie einen Tropfen
davon in ein großes Glas mit Waſſer fallen
laſſen, und nachdem ſie dreymal kleine Schluͤck-
chen davon gethan, das ganze Glas auf ei-
nen Trunk austrinken. Von Kudſi ſcherif*
(oder Jeruſalem) glauben ſie, daß es
ein ehrwuͤrdiger Ort ſey, ſo daß derjenige,
der auf ſeinem Beſuche nach Mekka Jeruſa-
lem vorbeygehet, bey ihnen fuͤr keinen vollkom-
menen Hadſchi oder Pilger gehalten wird.
Ihre Hauptverehrung bezeigen ſie daſelbſt ei-
ner Kirche, die von Juſtinian erbauet worden,
und von ihnen faͤlſchlicher Weiſe fuͤr Suͤlej-
mans Tempel gehalten wird. Auſſer dieſem
geben ſie vor, daß daſelbſt ein viereckiger
Stein, drey Ellen ins Gevierte groß, in der
Luft haͤnge, und durch ein Wunderwerk von
[Spaltenumbruch]
Muhaͤmmed allda aufgehaͤnget worden ſey.
Denn indem derſelbe auf ſeinem Eſel (Buͤrak2*
in dem Kuron genennet) ritte: ſo erhielte er
von Gabriel Befehl, in den Himmel hinauf
zu kommen, und wurde auch ſogleich ſamt
dem Eſel und dem Steine, auf dem der Eſel
ſtund, in die Hoͤhe gehoben. Als der Erz-
engel dieſes gewahr wurde: ſo ſagte er; ſein
Befehl erſtreckte ſich nur allein auf den Pro-
pheten, und nicht auf den Stein. Hierauf
ſagte Muhaͤmmed zu dem Steine: Dur ja
Mubarekj; ſtehe ſtill, du gluͤckſeliger (Stein)!
Den Augenblick blieb auch der Stein haͤngen
an dem Orte, wo er damals war. Den Chri-
ſten iſt es nicht erlaubet, an einen von dieſen
dreyen Oertern zu kommen. Als daher eins-
mals ein hollaͤndiſcher Geſandter (durch wel-
che Mittel, iſt unbekannt) von dem Kaiſer
einen Befehl an den Statthalter zu Jeruſalem
erhalten hatte, ihn in die Mestſchid einzu-
laſſen: ſo weigerte ſich der Statthalter, dem-
ſelben zu gehorchen. Der Geſandte fragte
nach der Urſache ſeines Ungehorſams, und
bekam von demſelben zur Antwort: er ſey
bereit, dem Befehle genau nachzukommen;
allein, dieſer verſtatte ihm zwar den Ein-
gang, aber nicht die Ruͤckkehre. Es ſtehe
alſo in ſeiner Freyheit, hinein zu gehen, wenn
er willens ſey, niemals wieder heraus zu kom-
men. Auf dieſe Antwort ließ ſich der Ge-
ſandte ſeine Neugierigkeit vergehen.
Geſchichte
* auf deutſch, ein hochheiliger Ort.
2* das iſt, der Blitzende, wegen ſeiner Weiße und
Schnellheit.
S
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[137/0219] 6. Murad der II chan wurden zu Adrianopel begraben. Aehmed hatte ſeinen Tod und Grab zu Amaſia (von welchem Orte er Herr war). Aeladdin, der Aehmed als San- dſchak von Amaſia nachfolgete, ſtarb eben daſelbſt, und wurde zu Pruſa begraben. Geſchichte verwahren ſie mit großer Sorgfalt einen Rock von demſelben in ihrer Schatzkammer. Den Saum davon tunket der Muͤfti drey Tage vor dem Remaͤßan (oder Faſtenmonate) nach gewiſſen geſprochenen Gebetern ins Waſſer, das, ihrem Glauben nach, davon heilig wer- den und von aller Faͤulniß frey ſeyn ſoll. Dieſes Waſſer, Obuͤ Hirki ſcherif, oder das Waſſer des heiligen (alten) Rocks genennet, wird in kleine Glaͤschen gethan, mit dem Siegel des Schatzmeiſteramtes verſiegelt, und von dem Kaiſer, als ein Zeichen der Gewogen- heit, an den oberſten Weßir und andere Gro- ßen geſendet. Wann die Tuͤrken nach Unter- gang der Sonne ihre Faſten brechen wollen: ſo iſt dieſes das erſte, daß ſie einen Tropfen davon in ein großes Glas mit Waſſer fallen laſſen, und nachdem ſie dreymal kleine Schluͤck- chen davon gethan, das ganze Glas auf ei- nen Trunk austrinken. Von Kudſi ſcherif * (oder Jeruſalem) glauben ſie, daß es ein ehrwuͤrdiger Ort ſey, ſo daß derjenige, der auf ſeinem Beſuche nach Mekka Jeruſa- lem vorbeygehet, bey ihnen fuͤr keinen vollkom- menen Hadſchi oder Pilger gehalten wird. Ihre Hauptverehrung bezeigen ſie daſelbſt ei- ner Kirche, die von Juſtinian erbauet worden, und von ihnen faͤlſchlicher Weiſe fuͤr Suͤlej- mans Tempel gehalten wird. Auſſer dieſem geben ſie vor, daß daſelbſt ein viereckiger Stein, drey Ellen ins Gevierte groß, in der Luft haͤnge, und durch ein Wunderwerk von Muhaͤmmed allda aufgehaͤnget worden ſey. Denn indem derſelbe auf ſeinem Eſel (Buͤrak 2* in dem Kuron genennet) ritte: ſo erhielte er von Gabriel Befehl, in den Himmel hinauf zu kommen, und wurde auch ſogleich ſamt dem Eſel und dem Steine, auf dem der Eſel ſtund, in die Hoͤhe gehoben. Als der Erz- engel dieſes gewahr wurde: ſo ſagte er; ſein Befehl erſtreckte ſich nur allein auf den Pro- pheten, und nicht auf den Stein. Hierauf ſagte Muhaͤmmed zu dem Steine: Dur ja Mubarekj; ſtehe ſtill, du gluͤckſeliger (Stein)! Den Augenblick blieb auch der Stein haͤngen an dem Orte, wo er damals war. Den Chri- ſten iſt es nicht erlaubet, an einen von dieſen dreyen Oertern zu kommen. Als daher eins- mals ein hollaͤndiſcher Geſandter (durch wel- che Mittel, iſt unbekannt) von dem Kaiſer einen Befehl an den Statthalter zu Jeruſalem erhalten hatte, ihn in die Mestſchid einzu- laſſen: ſo weigerte ſich der Statthalter, dem- ſelben zu gehorchen. Der Geſandte fragte nach der Urſache ſeines Ungehorſams, und bekam von demſelben zur Antwort: er ſey bereit, dem Befehle genau nachzukommen; allein, dieſer verſtatte ihm zwar den Ein- gang, aber nicht die Ruͤckkehre. Es ſtehe alſo in ſeiner Freyheit, hinein zu gehen, wenn er willens ſey, niemals wieder heraus zu kom- men. Auf dieſe Antwort ließ ſich der Ge- ſandte ſeine Neugierigkeit vergehen. Zu * auf deutſch, ein hochheiliger Ort. 2* das iſt, der Blitzende, wegen ſeiner Weiße und Schnellheit. S

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/219>, abgerufen am 23.11.2024.