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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
fünf hundert Füluri den muhämmedischen Mönchen nach Mekkje, Medine und
Kudsi scherif 51. Er hatte fünf Söhne: Muhämmed, Aeladdin, Häsen, Or-
chan und Aehmed. Von diesen gelangte nur allein Muhämmed zum Throne:
alle die übrigen starben bey seinen Lebzeiten an Krankheiten. Häsen und Or-
[Spaltenumbruch]
dieses von den Türken als eine Art eines gött-
lichen Triebes und Anzeige ihrer Abkunft und
Heiligkeit ausgeleget wird: so haben sie doch
dessen ungeachtet ein gemeines Sprichwort
unter sich, wenn sie einen dummen Menschen
sehen, daß sie sagen: Emir Soj dür; der ist
aus dem Geschlechte der Emire.
51 Mekkje, Medine und Kudsi scherif]
Mekka, Medina und Jerusalem sind die drey
Oerter, nach denen die Türken wallfahrten
gehen. Mekkje oder Kjäbe ist eine Stadt in
Arabien, da eine große Mestschid ist (auf
eben dem Platze, da vor diesem eine kleinere
stund), die Sultan Selim, der Eroberer Ae-
gyptens, erbauet hat. Die Türken haben
eine Sage, Abraham habe an diesem Orte
seine Gezelte auf solche Weise aufgeschlagen
gehabt, daß kein Reisender vorbey kommen
können, ohne daß er ihn gesehen, und ihn
mit einem Trunk Wasser und dem dritten
Theile eines Laibes Brods erquicket hätte.
Nach der Zeit habe Muhämmed einen vier-
eckigen schwarzen Stein aus dem himmlischen
Paradiese* hieher gebracht, und denselben zu
einem Mihrab hingeleget, das ist, zu einem
Altare oder Merkmale eines Ortes, da der
Gottesdienst verrichtet werden sollte. Derje-
[Spaltenumbruch]
nige, der eine Wallfahrt nach Mekka thut,
erlanget, nach der Meinung der Türken, von
Gott eine völlige Vergebung auch der aller-
größten Sünden. Sie gehen auch wallfahr-
ten nach Medina, als demjenigen Orte, der
durch das Begräbniß ihres Gesetzgebers ge-
heiliget worden ist. Sie glauben, daß sein
Leichnam daselbst vollkommen und unverweset
erhalten worden sey, ausgenommen einen
Zahn, der in einem Gefechte, wie sie sagen,
mit der Märtirerwürde gekrönet worden ist.
In dem Buche, Muhämmedije genennet, dar-
innen das Leben Muhämmeds enthalten ist,
wird erzählet: der Erzengel Gabriel sey
niemals in solcher Angst gewesen, den göttli-
chen Zorn zu verdienen, als da eine Kolbe des
Feindes auf den Mund des Propheten getrof-
fen und demselben einen Vörderzahn ausge-
schlagen habe; daher sey der Erzengel, um
zu verhüten, daß er nicht auf die Erde fiele,
so gleich vom Himmel herunter gefahren, ha-
be denselben im Fallen aufgefangen, und dem
Propheten zugestellet, aber doch nicht wieder
an seine vorige Stelle gebracht. Die Sul-
tane haben auch wirklich einen Menschenzahn,
von dem sie glauben, daß er von Muhäm-
meds Zähnen sey; daher sie denselben unter ih-
ren kostbarsten Sachen auf heben. Imgleichen

chan
* Der schwarze Stein, den die Muhämmedischen durch Beugung und Küssen aufs höchste verehren,
ist in Silber gefasset und an der südöstlichen Ecke der Kjäbe 4 Fuß 8 Zoll von dem Boden befestiget.
Er soll mit Adam zugleich aus dem Paradiese auf die Erde gefallen, in der großen Wasserflut auf-
behalten, und Abraham durch den Engel Gabriel bey dessen Baue der Kjäbe überbracht worden seyn.
Er ist schneeweiß gewesen, und inwendig noch also: als er aber einsmals von einer Weibesperson,
die ihre monatliche Reinigung gehabt, berühret worden; soll derselbe schwarz geworden seyn. Daß
er von Muhämmed aus dem Paradiese gebracht worden, können wir nicht finden. Man sehe Sale's
vorläufige Abhandlung vor seiner englischen Uebersetzung des Kurons, 117 Seite.

Osmaniſche Geſchichte
fuͤnf hundert Fuͤluri den muhaͤmmediſchen Moͤnchen nach Mekkje, Medine und
Kudſi ſcherif 51. Er hatte fuͤnf Soͤhne: Muhaͤmmed, Aeladdin, Haͤſen, Or-
chan und Aehmed. Von dieſen gelangte nur allein Muhaͤmmed zum Throne:
alle die uͤbrigen ſtarben bey ſeinen Lebzeiten an Krankheiten. Haͤſen und Or-
[Spaltenumbruch]
dieſes von den Tuͤrken als eine Art eines goͤtt-
lichen Triebes und Anzeige ihrer Abkunft und
Heiligkeit ausgeleget wird: ſo haben ſie doch
deſſen ungeachtet ein gemeines Sprichwort
unter ſich, wenn ſie einen dummen Menſchen
ſehen, daß ſie ſagen: Emir Soj duͤr; der iſt
aus dem Geſchlechte der Emire.
51 Mekkje, Medine und Kudſi ſcherif]
Mekka, Medina und Jeruſalem ſind die drey
Oerter, nach denen die Tuͤrken wallfahrten
gehen. Mekkje oder Kjaͤbe iſt eine Stadt in
Arabien, da eine große Mestſchid iſt (auf
eben dem Platze, da vor dieſem eine kleinere
ſtund), die Sultan Selim, der Eroberer Ae-
gyptens, erbauet hat. Die Tuͤrken haben
eine Sage, Abraham habe an dieſem Orte
ſeine Gezelte auf ſolche Weiſe aufgeſchlagen
gehabt, daß kein Reiſender vorbey kommen
koͤnnen, ohne daß er ihn geſehen, und ihn
mit einem Trunk Waſſer und dem dritten
Theile eines Laibes Brods erquicket haͤtte.
Nach der Zeit habe Muhaͤmmed einen vier-
eckigen ſchwarzen Stein aus dem himmliſchen
Paradieſe* hieher gebracht, und denſelben zu
einem Mihrab hingeleget, das iſt, zu einem
Altare oder Merkmale eines Ortes, da der
Gottesdienſt verrichtet werden ſollte. Derje-
[Spaltenumbruch]
nige, der eine Wallfahrt nach Mekka thut,
erlanget, nach der Meinung der Tuͤrken, von
Gott eine voͤllige Vergebung auch der aller-
groͤßten Suͤnden. Sie gehen auch wallfahr-
ten nach Medina, als demjenigen Orte, der
durch das Begraͤbniß ihres Geſetzgebers ge-
heiliget worden iſt. Sie glauben, daß ſein
Leichnam daſelbſt vollkommen und unverweſet
erhalten worden ſey, ausgenommen einen
Zahn, der in einem Gefechte, wie ſie ſagen,
mit der Maͤrtirerwuͤrde gekroͤnet worden iſt.
In dem Buche, Muhaͤmmedije genennet, dar-
innen das Leben Muhaͤmmeds enthalten iſt,
wird erzaͤhlet: der Erzengel Gabriel ſey
niemals in ſolcher Angſt geweſen, den goͤttli-
chen Zorn zu verdienen, als da eine Kolbe des
Feindes auf den Mund des Propheten getrof-
fen und demſelben einen Voͤrderzahn ausge-
ſchlagen habe; daher ſey der Erzengel, um
zu verhuͤten, daß er nicht auf die Erde fiele,
ſo gleich vom Himmel herunter gefahren, ha-
be denſelben im Fallen aufgefangen, und dem
Propheten zugeſtellet, aber doch nicht wieder
an ſeine vorige Stelle gebracht. Die Sul-
tane haben auch wirklich einen Menſchenzahn,
von dem ſie glauben, daß er von Muhaͤm-
meds Zaͤhnen ſey; daher ſie denſelben unter ih-
ren koſtbarſten Sachen auf heben. Imgleichen

chan
* Der ſchwarze Stein, den die Muhaͤmmediſchen durch Beugung und Kuͤſſen aufs hoͤchſte verehren,
iſt in Silber gefaſſet und an der ſuͤdoͤſtlichen Ecke der Kjaͤbe 4 Fuß 8 Zoll von dem Boden befeſtiget.
Er ſoll mit Adam zugleich aus dem Paradieſe auf die Erde gefallen, in der großen Waſſerflut auf-
behalten, und Abraham durch den Engel Gabriel bey deſſen Baue der Kjaͤbe uͤberbracht worden ſeyn.
Er iſt ſchneeweiß geweſen, und inwendig noch alſo: als er aber einsmals von einer Weibesperſon,
die ihre monatliche Reinigung gehabt, beruͤhret worden; ſoll derſelbe ſchwarz geworden ſeyn. Daß
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vorlaͤufige Abhandlung vor ſeiner engliſchen Ueberſetzung des Kurons, 117 Seite.
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[136/0218] Osmaniſche Geſchichte fuͤnf hundert Fuͤluri den muhaͤmmediſchen Moͤnchen nach Mekkje, Medine und Kudſi ſcherif ⁵¹ . Er hatte fuͤnf Soͤhne: Muhaͤmmed, Aeladdin, Haͤſen, Or- chan und Aehmed. Von dieſen gelangte nur allein Muhaͤmmed zum Throne: alle die uͤbrigen ſtarben bey ſeinen Lebzeiten an Krankheiten. Haͤſen und Or- chan dieſes von den Tuͤrken als eine Art eines goͤtt- lichen Triebes und Anzeige ihrer Abkunft und Heiligkeit ausgeleget wird: ſo haben ſie doch deſſen ungeachtet ein gemeines Sprichwort unter ſich, wenn ſie einen dummen Menſchen ſehen, daß ſie ſagen: Emir Soj duͤr; der iſt aus dem Geſchlechte der Emire. ⁵¹ Mekkje, Medine und Kudſi ſcherif] Mekka, Medina und Jeruſalem ſind die drey Oerter, nach denen die Tuͤrken wallfahrten gehen. Mekkje oder Kjaͤbe iſt eine Stadt in Arabien, da eine große Mestſchid iſt (auf eben dem Platze, da vor dieſem eine kleinere ſtund), die Sultan Selim, der Eroberer Ae- gyptens, erbauet hat. Die Tuͤrken haben eine Sage, Abraham habe an dieſem Orte ſeine Gezelte auf ſolche Weiſe aufgeſchlagen gehabt, daß kein Reiſender vorbey kommen koͤnnen, ohne daß er ihn geſehen, und ihn mit einem Trunk Waſſer und dem dritten Theile eines Laibes Brods erquicket haͤtte. Nach der Zeit habe Muhaͤmmed einen vier- eckigen ſchwarzen Stein aus dem himmliſchen Paradieſe * hieher gebracht, und denſelben zu einem Mihrab hingeleget, das iſt, zu einem Altare oder Merkmale eines Ortes, da der Gottesdienſt verrichtet werden ſollte. Derje- nige, der eine Wallfahrt nach Mekka thut, erlanget, nach der Meinung der Tuͤrken, von Gott eine voͤllige Vergebung auch der aller- groͤßten Suͤnden. Sie gehen auch wallfahr- ten nach Medina, als demjenigen Orte, der durch das Begraͤbniß ihres Geſetzgebers ge- heiliget worden iſt. Sie glauben, daß ſein Leichnam daſelbſt vollkommen und unverweſet erhalten worden ſey, ausgenommen einen Zahn, der in einem Gefechte, wie ſie ſagen, mit der Maͤrtirerwuͤrde gekroͤnet worden iſt. In dem Buche, Muhaͤmmedije genennet, dar- innen das Leben Muhaͤmmeds enthalten iſt, wird erzaͤhlet: der Erzengel Gabriel ſey niemals in ſolcher Angſt geweſen, den goͤttli- chen Zorn zu verdienen, als da eine Kolbe des Feindes auf den Mund des Propheten getrof- fen und demſelben einen Voͤrderzahn ausge- ſchlagen habe; daher ſey der Erzengel, um zu verhuͤten, daß er nicht auf die Erde fiele, ſo gleich vom Himmel herunter gefahren, ha- be denſelben im Fallen aufgefangen, und dem Propheten zugeſtellet, aber doch nicht wieder an ſeine vorige Stelle gebracht. Die Sul- tane haben auch wirklich einen Menſchenzahn, von dem ſie glauben, daß er von Muhaͤm- meds Zaͤhnen ſey; daher ſie denſelben unter ih- ren koſtbarſten Sachen auf heben. Imgleichen verwahren * Der ſchwarze Stein, den die Muhaͤmmediſchen durch Beugung und Kuͤſſen aufs hoͤchſte verehren, iſt in Silber gefaſſet und an der ſuͤdoͤſtlichen Ecke der Kjaͤbe 4 Fuß 8 Zoll von dem Boden befeſtiget. Er ſoll mit Adam zugleich aus dem Paradieſe auf die Erde gefallen, in der großen Waſſerflut auf- behalten, und Abraham durch den Engel Gabriel bey deſſen Baue der Kjaͤbe uͤberbracht worden ſeyn. Er iſt ſchneeweiß geweſen, und inwendig noch alſo: als er aber einsmals von einer Weibesperſon, die ihre monatliche Reinigung gehabt, beruͤhret worden; ſoll derſelbe ſchwarz geworden ſeyn. Daß er von Muhaͤmmed aus dem Paradieſe gebracht worden, koͤnnen wir nicht finden. Man ſehe Sale's vorlaͤufige Abhandlung vor ſeiner engliſchen Ueberſetzung des Kurons, 117 Seite.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/218>, abgerufen am 23.11.2024.