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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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6. Murad der II
größten Hitze, erschlagen eine große Anzahl von ihnen, und bekommen auch viele
gefangen. In dieser Schlacht blieben, den König selbst ausgenommen, alle die
deutschen, böhmischen und polnischen Feldhauptleute, und bey zwey tausend
Mann wurden zu Kriegsgefangenen gemacht.

32.

Als Murad diesen Sieg gewonnen hatte: so kehrete er mit Ruhmevermälet seinen
Sohn Muhäm-
med, und stirbet.

nach Adrianopel zurück, und vermälte allda noch in demselben Jahre seinen
Sohn Muhämmed mit der Tochter Sülejman Begjs, Fürsten von Elbistan 49.
Hierauf, nämlich im Jahre 855, an einem Montage, welches war der siebenteH. 855.



J. C. 1451.
Tag des Monats Muhärrem, nahm derselbe aus diesem Leben Abschied, nach-
dem er zuvor einige Zeit eine gelinde Krankheit gehabt hatte.

33.

Sultan Murad brachte sein Leben auf neun und vierzig Jahre,Seine Eigen-
schaften und
Nachkommen.

und führete die Regierung dreyßig Jahre, sechs Monate und acht Tage. Er
war ein gerechter und tapferer Fürst, in dem eine große Seele wohnete, ge-
duldig in Beschwerlichkeiten, gelehrt, gnädig, andächtig, mildthätig, ein Lieb-
haber und Beförderer der Gelehrten und aller derjenigen, die in einiger Kunst
oder Wissenschaft etwas besonderes gethan hatten, ein guter Kaiser und ein
großer Feldherr. Niemals hat iemand mehrere oder größere Siege erfochten,
als er. Belgrad allein hielte es gegen seine Bestürmungen aus. Unter sei-
ner Regierung siegte der Soldat allezeit, und der Bürger war reich und lebte
in Ruhe. Wann er ein Land erobert hatte: so war seine erste Sorge, Dschami,
Mestschide, Imarete, Medrese und Chane in demselben zu bauen. Alle Jahre
gab er den Ewladi Resul Allah 50 tausend Füluri, und schickte zwey tausend
[Spaltenumbruch]

Schwester Muhämmeds. In den vorigen
Zeiten waren sie, eben wie die Leviten, zu
dem Gottesdienste bestimmet, und bekamen
einen jährlichen Sold aus der Schatzkammer.
Itzo sind sie durch das ganze Reich zerstreuet,
und unterscheiden sich von den andern Mü-
sülmanen dadurch, daß sie, anstatt weißer,
grüne Bünde* tragen. Sie können zwar
vor dem ordentlichen Richter belanget werden:
aber ihre Strafe kann ihnen kein Mensch ge-
ben, auch selbst der Kaiser nicht; sondern allein
ihr eigenes Oberhaupt von gleicher Würde
[Spaltenumbruch]
und aus demselben Stamme, Näkib oder
Näkibül Eschraf genennet, das ist, Vorste-
her der Heiligen2*. Man beobachtet einen
Umstand an diesem Geschlechte, der kaum
glaublich ist, aber dennoch wahr befunden
wird: nämlich, daß die Emire vor ihrem vier-
zigsten Jahre Männer von der größten Ernst-
haftigkeit, Gelehrtheit und Weisheit sind;
nachher aber, wenn sie nicht ganz und gar
unsinnig werden, so lassen sie doch einige Zei-
chen einer Blödigkeit des Verstandes und
Dummheit von sich spüren. Ob nun gleich

fünf
* Auf türkisch Dülbend, baumwollenes Zeug und ein daraus gemachter Kopf bund, für welches Wort die
Europäer Turban sagen, von Türbe, die Kuppel auf einem Grabgewölbe.
2* oder Edlen.

6. Murad der II
groͤßten Hitze, erſchlagen eine große Anzahl von ihnen, und bekommen auch viele
gefangen. In dieſer Schlacht blieben, den Koͤnig ſelbſt ausgenommen, alle die
deutſchen, boͤhmiſchen und polniſchen Feldhauptleute, und bey zwey tauſend
Mann wurden zu Kriegsgefangenen gemacht.

32.

Als Murad dieſen Sieg gewonnen hatte: ſo kehrete er mit Ruhmevermaͤlet ſeinen
Sohn Muhaͤm-
med, und ſtirbet.

nach Adrianopel zuruͤck, und vermaͤlte allda noch in demſelben Jahre ſeinen
Sohn Muhaͤmmed mit der Tochter Suͤlejman Begjs, Fuͤrſten von Elbiſtan 49.
Hierauf, naͤmlich im Jahre 855, an einem Montage, welches war der ſiebenteH. 855.



J. C. 1451.
Tag des Monats Muhaͤrrem, nahm derſelbe aus dieſem Leben Abſchied, nach-
dem er zuvor einige Zeit eine gelinde Krankheit gehabt hatte.

33.

Sultan Murad brachte ſein Leben auf neun und vierzig Jahre,Seine Eigen-
ſchaften und
Nachkommen.

und fuͤhrete die Regierung dreyßig Jahre, ſechs Monate und acht Tage. Er
war ein gerechter und tapferer Fuͤrſt, in dem eine große Seele wohnete, ge-
duldig in Beſchwerlichkeiten, gelehrt, gnaͤdig, andaͤchtig, mildthaͤtig, ein Lieb-
haber und Befoͤrderer der Gelehrten und aller derjenigen, die in einiger Kunſt
oder Wiſſenſchaft etwas beſonderes gethan hatten, ein guter Kaiſer und ein
großer Feldherr. Niemals hat iemand mehrere oder groͤßere Siege erfochten,
als er. Belgrad allein hielte es gegen ſeine Beſtuͤrmungen aus. Unter ſei-
ner Regierung ſiegte der Soldat allezeit, und der Buͤrger war reich und lebte
in Ruhe. Wann er ein Land erobert hatte: ſo war ſeine erſte Sorge, Dſchami,
Mestſchide, Imarete, Medreſe und Chane in demſelben zu bauen. Alle Jahre
gab er den Ewladi Reſul Allah 50 tauſend Fuͤluri, und ſchickte zwey tauſend
[Spaltenumbruch]

Schweſter Muhaͤmmeds. In den vorigen
Zeiten waren ſie, eben wie die Leviten, zu
dem Gottesdienſte beſtimmet, und bekamen
einen jaͤhrlichen Sold aus der Schatzkammer.
Itzo ſind ſie durch das ganze Reich zerſtreuet,
und unterſcheiden ſich von den andern Muͤ-
ſuͤlmanen dadurch, daß ſie, anſtatt weißer,
gruͤne Buͤnde* tragen. Sie koͤnnen zwar
vor dem ordentlichen Richter belanget werden:
aber ihre Strafe kann ihnen kein Menſch ge-
ben, auch ſelbſt der Kaiſer nicht; ſondern allein
ihr eigenes Oberhaupt von gleicher Wuͤrde
[Spaltenumbruch]
und aus demſelben Stamme, Naͤkib oder
Naͤkibuͤl Eſchraf genennet, das iſt, Vorſte-
her der Heiligen2*. Man beobachtet einen
Umſtand an dieſem Geſchlechte, der kaum
glaublich iſt, aber dennoch wahr befunden
wird: naͤmlich, daß die Emire vor ihrem vier-
zigſten Jahre Maͤnner von der groͤßten Ernſt-
haftigkeit, Gelehrtheit und Weisheit ſind;
nachher aber, wenn ſie nicht ganz und gar
unſinnig werden, ſo laſſen ſie doch einige Zei-
chen einer Bloͤdigkeit des Verſtandes und
Dummheit von ſich ſpuͤren. Ob nun gleich

fuͤnf
* Auf tuͤrkiſch Duͤlbend, baumwollenes Zeug und ein daraus gemachter Kopf bund, fuͤr welches Wort die
Europaͤer Turban ſagen, von Tuͤrbe, die Kuppel auf einem Grabgewoͤlbe.
2* oder Edlen.
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[135/0217] 6. Murad der II groͤßten Hitze, erſchlagen eine große Anzahl von ihnen, und bekommen auch viele gefangen. In dieſer Schlacht blieben, den Koͤnig ſelbſt ausgenommen, alle die deutſchen, boͤhmiſchen und polniſchen Feldhauptleute, und bey zwey tauſend Mann wurden zu Kriegsgefangenen gemacht. 32. Als Murad dieſen Sieg gewonnen hatte: ſo kehrete er mit Ruhme nach Adrianopel zuruͤck, und vermaͤlte allda noch in demſelben Jahre ſeinen Sohn Muhaͤmmed mit der Tochter Suͤlejman Begjs, Fuͤrſten von Elbiſtan ⁴⁹ . Hierauf, naͤmlich im Jahre 855, an einem Montage, welches war der ſiebente Tag des Monats Muhaͤrrem, nahm derſelbe aus dieſem Leben Abſchied, nach- dem er zuvor einige Zeit eine gelinde Krankheit gehabt hatte. vermaͤlet ſeinen Sohn Muhaͤm- med, und ſtirbet. H. 855. J. C. 1451. 33. Sultan Murad brachte ſein Leben auf neun und vierzig Jahre, und fuͤhrete die Regierung dreyßig Jahre, ſechs Monate und acht Tage. Er war ein gerechter und tapferer Fuͤrſt, in dem eine große Seele wohnete, ge- duldig in Beſchwerlichkeiten, gelehrt, gnaͤdig, andaͤchtig, mildthaͤtig, ein Lieb- haber und Befoͤrderer der Gelehrten und aller derjenigen, die in einiger Kunſt oder Wiſſenſchaft etwas beſonderes gethan hatten, ein guter Kaiſer und ein großer Feldherr. Niemals hat iemand mehrere oder groͤßere Siege erfochten, als er. Belgrad allein hielte es gegen ſeine Beſtuͤrmungen aus. Unter ſei- ner Regierung ſiegte der Soldat allezeit, und der Buͤrger war reich und lebte in Ruhe. Wann er ein Land erobert hatte: ſo war ſeine erſte Sorge, Dſchami, Mestſchide, Imarete, Medreſe und Chane in demſelben zu bauen. Alle Jahre gab er den Ewladi Reſul Allah ⁵⁰ tauſend Fuͤluri, und ſchickte zwey tauſend fuͤnf Schweſter Muhaͤmmeds. In den vorigen Zeiten waren ſie, eben wie die Leviten, zu dem Gottesdienſte beſtimmet, und bekamen einen jaͤhrlichen Sold aus der Schatzkammer. Itzo ſind ſie durch das ganze Reich zerſtreuet, und unterſcheiden ſich von den andern Muͤ- ſuͤlmanen dadurch, daß ſie, anſtatt weißer, gruͤne Buͤnde * tragen. Sie koͤnnen zwar vor dem ordentlichen Richter belanget werden: aber ihre Strafe kann ihnen kein Menſch ge- ben, auch ſelbſt der Kaiſer nicht; ſondern allein ihr eigenes Oberhaupt von gleicher Wuͤrde und aus demſelben Stamme, Naͤkib oder Naͤkibuͤl Eſchraf genennet, das iſt, Vorſte- her der Heiligen 2*. Man beobachtet einen Umſtand an dieſem Geſchlechte, der kaum glaublich iſt, aber dennoch wahr befunden wird: naͤmlich, daß die Emire vor ihrem vier- zigſten Jahre Maͤnner von der groͤßten Ernſt- haftigkeit, Gelehrtheit und Weisheit ſind; nachher aber, wenn ſie nicht ganz und gar unſinnig werden, ſo laſſen ſie doch einige Zei- chen einer Bloͤdigkeit des Verſtandes und Dummheit von ſich ſpuͤren. Ob nun gleich dieſes Seine Eigen- ſchaften und Nachkommen. * Auf tuͤrkiſch Duͤlbend, baumwollenes Zeug und ein daraus gemachter Kopf bund, fuͤr welches Wort die Europaͤer Turban ſagen, von Tuͤrbe, die Kuppel auf einem Grabgewoͤlbe. 2* oder Edlen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/217>, abgerufen am 23.11.2024.