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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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6. Murad der II
31.

Mittlerweile, da dieses in Griechenland vorginge, entspann sich einschläget die Un-
garn bey Kosso-
wa:

neuer Krieg an den Grenzen von Ungarn. Denn der König von Ungarn 47 wollte den Tod seines Vorfahrers rächen, und that in Verbindung mit andern
Fürsten (darunter sich auch der Fürst von der Walachey befand, der von dem
Sultan abfällig geworden war) einen Einfall in das osmanische Gebiet. Als
Murad, der mehr mit Einrichtung der Sachen in Griechenland, als mit Ero-
berung desselben, beschäfftiget war, von diesem Einbruche höret: so begiebt er sich
mit solcher Eilfertigkeit, als sich niemand einbilden konnte, nach Sophia, und
ziehet von da mit seinen alten Soldaten und andern Völkern, die in Rumilien
waren angeworben worden, gegen den Feind an. Ehe aber beyde Heere einan-
der zu Gesichte kommen: so stoßen die Bejgjler (eine Art Müsülmanen, denen
Murad Befehl gegeben hatte, ihm zu Hülfe zu kommen) auf ihrem Zuge gegen
das Lager, auf die Walachen, und dieses in einer ziemlichen Entfernung von
dem übrigen Kriegsheere, greifen dieselben an und treiben sie mit leichter Mühe
[Spaltenumbruch]

Ich muthmaße, daß unter diesem Namen Her-
kules verstanden werde, weil sie schreiben,
daß derselbe keine andere Waffen geführet ha-
be, als eine Keule, bey ihnen Gjürß genen-
net: doch dieses nur beyläufig.
45 Arnawd] Unter diesem gemeinschaft-
lichen Namen wird Albanien und Macedonien
verstanden.
46 Aktschehisar] die Stadt Alba, deren
alter Name mir unbekannt ist.
47 König von Ungarn] Ich kann
nicht bestimmen, wen die Türken hier mei-
nen. Denn der rechtmäßige König von Un-
[Spaltenumbruch]
garn zur selbigen Zeit war Wladislaw, mit
dem Zunamen Posthumus, der von dem Her-
zoge Friedrich in Oesterreich* gefangen gehal-
ten und von den Ungarn verworfen wurde.
Ich vermuthe daher, daß Johann Hunnia-
des, der Feldherr des ungarischen Kriegshee-
res, die Person seyn müsse, von der hier die
Rede ist. Daß derselbe einige Niederlagen
von Murad erlitten habe; das wird von den
christlichen Schriftstellern nicht geleugnet: nur
setzen diese hinzu, es sey mit so merklichem
Verluste der Türken geschehen, daß Murad
gesagt habe: er wollte seine Eroberungen nicht
gerne noch einmal um so hohen Preis kaufen.
Der Unterschied zwischen ihnen ist, daß die
christlichen Geschichtschreiber behaupten, diese

in
wurde, Murad fünf von seinen Söhnen als Geißeln zu übergeben. Unter diesen war der gegenwär-
tige Georg der jüngste, und Murad hatte ihn dergestalt lieb gewonnen, daß er ihn mit vieler Sorgfalt
in der muhämmedischen Religion auferziehen und in türkischen Sachen unterrichten ließ, ihm auch
den Namen Iskjenderbegj oder Herr Alexander beylegte. Als aber Murad in dem ungarischen Kriege
verwickelt war: so nahm Iskjenderbegj Gelegenheit, nach Epirus zu entwischen, da er, nach dem
Berichte der christlichen Geschichtschreiber, Wunder gegen die Türken gethan haben soll. Er starb
zu Lissa in dem venetianischen Gebiete, am 27 Januar, 1467, im drey und sechszigsten Jahre seines
Alters.]
* Dieses war Kaiser Friedrich der III, aus dem Hause Oesterreich.
R 3
6. Murad der II
31.

Mittlerweile, da dieſes in Griechenland vorginge, entſpann ſich einſchlaͤget die Un-
garn bey Koſſo-
wa:

neuer Krieg an den Grenzen von Ungarn. Denn der Koͤnig von Ungarn 47 wollte den Tod ſeines Vorfahrers raͤchen, und that in Verbindung mit andern
Fuͤrſten (darunter ſich auch der Fuͤrſt von der Walachey befand, der von dem
Sultan abfaͤllig geworden war) einen Einfall in das osmaniſche Gebiet. Als
Murad, der mehr mit Einrichtung der Sachen in Griechenland, als mit Ero-
berung deſſelben, beſchaͤfftiget war, von dieſem Einbruche hoͤret: ſo begiebt er ſich
mit ſolcher Eilfertigkeit, als ſich niemand einbilden konnte, nach Sophia, und
ziehet von da mit ſeinen alten Soldaten und andern Voͤlkern, die in Rumilien
waren angeworben worden, gegen den Feind an. Ehe aber beyde Heere einan-
der zu Geſichte kommen: ſo ſtoßen die Bejgjler (eine Art Muͤſuͤlmanen, denen
Murad Befehl gegeben hatte, ihm zu Huͤlfe zu kommen) auf ihrem Zuge gegen
das Lager, auf die Walachen, und dieſes in einer ziemlichen Entfernung von
dem uͤbrigen Kriegsheere, greifen dieſelben an und treiben ſie mit leichter Muͤhe
[Spaltenumbruch]

Ich muthmaße, daß unter dieſem Namen Her-
kules verſtanden werde, weil ſie ſchreiben,
daß derſelbe keine andere Waffen gefuͤhret ha-
be, als eine Keule, bey ihnen Gjuͤrß genen-
net: doch dieſes nur beylaͤufig.
45 Arnawd] Unter dieſem gemeinſchaft-
lichen Namen wird Albanien und Macedonien
verſtanden.
46 Aktſchehiſar] die Stadt Alba, deren
alter Name mir unbekannt iſt.
47 Koͤnig von Ungarn] Ich kann
nicht beſtimmen, wen die Tuͤrken hier mei-
nen. Denn der rechtmaͤßige Koͤnig von Un-
[Spaltenumbruch]
garn zur ſelbigen Zeit war Wladiſlaw, mit
dem Zunamen Poſthumus, der von dem Her-
zoge Friedrich in Oeſterreich* gefangen gehal-
ten und von den Ungarn verworfen wurde.
Ich vermuthe daher, daß Johann Hunnia-
des, der Feldherr des ungariſchen Kriegshee-
res, die Perſon ſeyn muͤſſe, von der hier die
Rede iſt. Daß derſelbe einige Niederlagen
von Murad erlitten habe; das wird von den
chriſtlichen Schriftſtellern nicht geleugnet: nur
ſetzen dieſe hinzu, es ſey mit ſo merklichem
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geſagt habe: er wollte ſeine Eroberungen nicht
gerne noch einmal um ſo hohen Preis kaufen.
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in
wurde, Murad fuͤnf von ſeinen Soͤhnen als Geißeln zu uͤbergeben. Unter dieſen war der gegenwaͤr-
tige Georg der juͤngſte, und Murad hatte ihn dergeſtalt lieb gewonnen, daß er ihn mit vieler Sorgfalt
in der muhaͤmmediſchen Religion auferziehen und in tuͤrkiſchen Sachen unterrichten ließ, ihm auch
den Namen Iskjenderbegj oder Herr Alexander beylegte. Als aber Murad in dem ungariſchen Kriege
verwickelt war: ſo nahm Iskjenderbegj Gelegenheit, nach Epirus zu entwiſchen, da er, nach dem
Berichte der chriſtlichen Geſchichtſchreiber, Wunder gegen die Tuͤrken gethan haben ſoll. Er ſtarb
zu Liſſa in dem venetianiſchen Gebiete, am 27 Januar, 1467, im drey und ſechszigſten Jahre ſeines
Alters.]
* Dieſes war Kaiſer Friedrich der III, aus dem Hauſe Oeſterreich.
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[133/0215] 6. Murad der II 31. Mittlerweile, da dieſes in Griechenland vorginge, entſpann ſich ein neuer Krieg an den Grenzen von Ungarn. Denn der Koͤnig von Ungarn ⁴⁷ wollte den Tod ſeines Vorfahrers raͤchen, und that in Verbindung mit andern Fuͤrſten (darunter ſich auch der Fuͤrſt von der Walachey befand, der von dem Sultan abfaͤllig geworden war) einen Einfall in das osmaniſche Gebiet. Als Murad, der mehr mit Einrichtung der Sachen in Griechenland, als mit Ero- berung deſſelben, beſchaͤfftiget war, von dieſem Einbruche hoͤret: ſo begiebt er ſich mit ſolcher Eilfertigkeit, als ſich niemand einbilden konnte, nach Sophia, und ziehet von da mit ſeinen alten Soldaten und andern Voͤlkern, die in Rumilien waren angeworben worden, gegen den Feind an. Ehe aber beyde Heere einan- der zu Geſichte kommen: ſo ſtoßen die Bejgjler (eine Art Muͤſuͤlmanen, denen Murad Befehl gegeben hatte, ihm zu Huͤlfe zu kommen) auf ihrem Zuge gegen das Lager, auf die Walachen, und dieſes in einer ziemlichen Entfernung von dem uͤbrigen Kriegsheere, greifen dieſelben an und treiben ſie mit leichter Muͤhe in * Ich muthmaße, daß unter dieſem Namen Her- kules verſtanden werde, weil ſie ſchreiben, daß derſelbe keine andere Waffen gefuͤhret ha- be, als eine Keule, bey ihnen Gjuͤrß genen- net: doch dieſes nur beylaͤufig. ⁴⁵ Arnawd] Unter dieſem gemeinſchaft- lichen Namen wird Albanien und Macedonien verſtanden. ⁴⁶ Aktſchehiſar] die Stadt Alba, deren alter Name mir unbekannt iſt. ⁴⁷ Koͤnig von Ungarn] Ich kann nicht beſtimmen, wen die Tuͤrken hier mei- nen. Denn der rechtmaͤßige Koͤnig von Un- garn zur ſelbigen Zeit war Wladiſlaw, mit dem Zunamen Poſthumus, der von dem Her- zoge Friedrich in Oeſterreich * gefangen gehal- ten und von den Ungarn verworfen wurde. Ich vermuthe daher, daß Johann Hunnia- des, der Feldherr des ungariſchen Kriegshee- res, die Perſon ſeyn muͤſſe, von der hier die Rede iſt. Daß derſelbe einige Niederlagen von Murad erlitten habe; das wird von den chriſtlichen Schriftſtellern nicht geleugnet: nur ſetzen dieſe hinzu, es ſey mit ſo merklichem Verluſte der Tuͤrken geſchehen, daß Murad geſagt habe: er wollte ſeine Eroberungen nicht gerne noch einmal um ſo hohen Preis kaufen. Der Unterſchied zwiſchen ihnen iſt, daß die chriſtlichen Geſchichtſchreiber behaupten, dieſe Dinge ſchlaͤget die Un- garn bey Koſſo- wa: * wurde, Murad fuͤnf von ſeinen Soͤhnen als Geißeln zu uͤbergeben. Unter dieſen war der gegenwaͤr- tige Georg der juͤngſte, und Murad hatte ihn dergeſtalt lieb gewonnen, daß er ihn mit vieler Sorgfalt in der muhaͤmmediſchen Religion auferziehen und in tuͤrkiſchen Sachen unterrichten ließ, ihm auch den Namen Iskjenderbegj oder Herr Alexander beylegte. Als aber Murad in dem ungariſchen Kriege verwickelt war: ſo nahm Iskjenderbegj Gelegenheit, nach Epirus zu entwiſchen, da er, nach dem Berichte der chriſtlichen Geſchichtſchreiber, Wunder gegen die Tuͤrken gethan haben ſoll. Er ſtarb zu Liſſa in dem venetianiſchen Gebiete, am 27 Januar, 1467, im drey und ſechszigſten Jahre ſeines Alters.] * Dieſes war Kaiſer Friedrich der III, aus dem Hauſe Oeſterreich. R 3

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/215>, abgerufen am 23.11.2024.