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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
sich gesetzet, und besuchet den Heiligen zum andernmale. Hiebey gürtet Sejd
Bechar dem Sultane mit eigener Hand ein Schwert 8 um den Leib, und saget
folgende Worte dazu: "Gehet hin und seyd glücklich, allerruhmwürdigster
"Kaiser! denn der Sieg wartet auf euch."

und überwindet
den Betrieger
durch ein Wun-derwerk.
4.

Durch diese Worte des Heiligen bekam Murad guten Muth, stattete
Gott seine Danksagung dafür ab, und zog mit seinem Heere in starken Tage-
reisen gegen den verstellten Mustäfa an. Mittlerweile hatte der Betrieger seine
Völker nicht weit von Ulubad versammelt, an welchem Orte er die Brücke ab-
gebrochen hatte, und erwartete Murads Ankunft unerschrocken. Als der Kai-
ser hier anlangte: so lagerte er sich an der andern Seite des Flusses, und wollte
daselbst den verheißenen Beystand vom Himmel erwarten; vielleicht verzog er
auch deswegen, um die erste Hitze der Aufrührer, die gemeiniglich sehr groß ist,
etwas verrauchen zu lassen. Dieses Verfahren gelung ihm nach Wunsche.
Denn nachdem beyderseitige Kriegesheere sechs Tage lang ohne Bewegung ge-
wesen waren, und die Feldherren in ängstlicher Erwartung des Ausgangs so
lange auf ihren Posten geharret hatten: so bekam am siebenten Tage der Be-
trieger ein heftiges Nasenbluten, das drey Tage währete und ihn dergestalt
schwach machte, daß man anfing an seinem Leben zu verzagen. Dieser außer-
ordentliche und unvermuthete Zufall verursachte, daß das feindliche Heer
glaubte, Gott sey gekommen, das Vorhaben des verstellten Mustäfas zu
nichte zu machen. Die Anhänger des Betriegers überfiel daher eine solche
Furcht vor dem Zorne Gottes, daß sie ihn zu Nachtzeit verließen, um ihr Leben
durch die Flucht zu retten. Er selbst folgete ihnen ungesäumt nach, iedoch nicht
mit gleicher Eilfertigkeit, wegen Schwachheit, die die Verblutung nach sich ge-
lassen hatte. So bald Murad von dem Vorgegangenen Nachricht erhielte:
so setzte er den Flüchtigen unverzüglich nach, bekam den verstellten Mustäfa,
der in äußerster Schwachheit lag, in der Stadt Kara Agadsch gefangen, und
ließ demselben auf der Stelle den Kopf abhauen.

[Spaltenumbruch]
8 ein Schwert] Von dieser Zeit an ist
es zu einer Art des Gesetzes bey den Türken
geworden, daß der Kaiser am andern Tage
nach seiner Gelangung zum Throne, wenn er
sich zu Constantinopel befindet, das Grabmal
Ejjubensari (davon weiter unten ein Mehre-
res vorkommen wird), das in der Vorstadt,
Ejjub genennet, stehet, mit großer Feierlichkeit
[Spaltenumbruch]
besuchen, und daselbst sich von dem Schejch
Tekje oder Prälaten des Klosters ein Schwert
umgürten lassen muß, der diese feierliche
Handlung mit diesen Worten beschließet:
Jürü, Nusret senüng dür; Gehe hin, der Sieg
ist dein (allein dein von Gott). Wenn aber
der Kaiser sich zu Adrianopel oder anderswo
aufhält: so ist er verbunden, diese Feierlich-
5. Nach-

Osmaniſche Geſchichte
ſich geſetzet, und beſuchet den Heiligen zum andernmale. Hiebey guͤrtet Sejd
Bechar dem Sultane mit eigener Hand ein Schwert 8 um den Leib, und ſaget
folgende Worte dazu: “Gehet hin und ſeyd gluͤcklich, allerruhmwuͤrdigſter
“Kaiſer! denn der Sieg wartet auf euch.„

und uͤberwindet
den Betrieger
durch ein Wun-derwerk.
4.

Durch dieſe Worte des Heiligen bekam Murad guten Muth, ſtattete
Gott ſeine Dankſagung dafuͤr ab, und zog mit ſeinem Heere in ſtarken Tage-
reiſen gegen den verſtellten Muſtaͤfa an. Mittlerweile hatte der Betrieger ſeine
Voͤlker nicht weit von Ulubad verſammelt, an welchem Orte er die Bruͤcke ab-
gebrochen hatte, und erwartete Murads Ankunft unerſchrocken. Als der Kai-
ſer hier anlangte: ſo lagerte er ſich an der andern Seite des Fluſſes, und wollte
daſelbſt den verheißenen Beyſtand vom Himmel erwarten; vielleicht verzog er
auch deswegen, um die erſte Hitze der Aufruͤhrer, die gemeiniglich ſehr groß iſt,
etwas verrauchen zu laſſen. Dieſes Verfahren gelung ihm nach Wunſche.
Denn nachdem beyderſeitige Kriegesheere ſechs Tage lang ohne Bewegung ge-
weſen waren, und die Feldherren in aͤngſtlicher Erwartung des Ausgangs ſo
lange auf ihren Poſten geharret hatten: ſo bekam am ſiebenten Tage der Be-
trieger ein heftiges Naſenbluten, das drey Tage waͤhrete und ihn dergeſtalt
ſchwach machte, daß man anfing an ſeinem Leben zu verzagen. Dieſer außer-
ordentliche und unvermuthete Zufall verurſachte, daß das feindliche Heer
glaubte, Gott ſey gekommen, das Vorhaben des verſtellten Muſtaͤfas zu
nichte zu machen. Die Anhaͤnger des Betriegers uͤberfiel daher eine ſolche
Furcht vor dem Zorne Gottes, daß ſie ihn zu Nachtzeit verließen, um ihr Leben
durch die Flucht zu retten. Er ſelbſt folgete ihnen ungeſaͤumt nach, iedoch nicht
mit gleicher Eilfertigkeit, wegen Schwachheit, die die Verblutung nach ſich ge-
laſſen hatte. So bald Murad von dem Vorgegangenen Nachricht erhielte:
ſo ſetzte er den Fluͤchtigen unverzuͤglich nach, bekam den verſtellten Muſtaͤfa,
der in aͤußerſter Schwachheit lag, in der Stadt Kara Agadſch gefangen, und
ließ demſelben auf der Stelle den Kopf abhauen.

[Spaltenumbruch]
8 ein Schwert] Von dieſer Zeit an iſt
es zu einer Art des Geſetzes bey den Tuͤrken
geworden, daß der Kaiſer am andern Tage
nach ſeiner Gelangung zum Throne, wenn er
ſich zu Conſtantinopel befindet, das Grabmal
Ejjubenſari (davon weiter unten ein Mehre-
res vorkommen wird), das in der Vorſtadt,
Ejjub genennet, ſtehet, mit großer Feierlichkeit
[Spaltenumbruch]
beſuchen, und daſelbſt ſich von dem Schejch
Tekje oder Praͤlaten des Kloſters ein Schwert
umguͤrten laſſen muß, der dieſe feierliche
Handlung mit dieſen Worten beſchließet:
Juͤruͤ, Nusret ſenuͤng duͤr; Gehe hin, der Sieg
iſt dein (allein dein von Gott). Wenn aber
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aufhaͤlt: ſo iſt er verbunden, dieſe Feierlich-
5. Nach-
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[116/0198] Osmaniſche Geſchichte ſich geſetzet, und beſuchet den Heiligen zum andernmale. Hiebey guͤrtet Sejd Bechar dem Sultane mit eigener Hand ein Schwert ⁸ um den Leib, und ſaget folgende Worte dazu: “Gehet hin und ſeyd gluͤcklich, allerruhmwuͤrdigſter “Kaiſer! denn der Sieg wartet auf euch.„ 4. Durch dieſe Worte des Heiligen bekam Murad guten Muth, ſtattete Gott ſeine Dankſagung dafuͤr ab, und zog mit ſeinem Heere in ſtarken Tage- reiſen gegen den verſtellten Muſtaͤfa an. Mittlerweile hatte der Betrieger ſeine Voͤlker nicht weit von Ulubad verſammelt, an welchem Orte er die Bruͤcke ab- gebrochen hatte, und erwartete Murads Ankunft unerſchrocken. Als der Kai- ſer hier anlangte: ſo lagerte er ſich an der andern Seite des Fluſſes, und wollte daſelbſt den verheißenen Beyſtand vom Himmel erwarten; vielleicht verzog er auch deswegen, um die erſte Hitze der Aufruͤhrer, die gemeiniglich ſehr groß iſt, etwas verrauchen zu laſſen. Dieſes Verfahren gelung ihm nach Wunſche. Denn nachdem beyderſeitige Kriegesheere ſechs Tage lang ohne Bewegung ge- weſen waren, und die Feldherren in aͤngſtlicher Erwartung des Ausgangs ſo lange auf ihren Poſten geharret hatten: ſo bekam am ſiebenten Tage der Be- trieger ein heftiges Naſenbluten, das drey Tage waͤhrete und ihn dergeſtalt ſchwach machte, daß man anfing an ſeinem Leben zu verzagen. Dieſer außer- ordentliche und unvermuthete Zufall verurſachte, daß das feindliche Heer glaubte, Gott ſey gekommen, das Vorhaben des verſtellten Muſtaͤfas zu nichte zu machen. Die Anhaͤnger des Betriegers uͤberfiel daher eine ſolche Furcht vor dem Zorne Gottes, daß ſie ihn zu Nachtzeit verließen, um ihr Leben durch die Flucht zu retten. Er ſelbſt folgete ihnen ungeſaͤumt nach, iedoch nicht mit gleicher Eilfertigkeit, wegen Schwachheit, die die Verblutung nach ſich ge- laſſen hatte. So bald Murad von dem Vorgegangenen Nachricht erhielte: ſo ſetzte er den Fluͤchtigen unverzuͤglich nach, bekam den verſtellten Muſtaͤfa, der in aͤußerſter Schwachheit lag, in der Stadt Kara Agadſch gefangen, und ließ demſelben auf der Stelle den Kopf abhauen. 5. Nach- ⁸ ein Schwert] Von dieſer Zeit an iſt es zu einer Art des Geſetzes bey den Tuͤrken geworden, daß der Kaiſer am andern Tage nach ſeiner Gelangung zum Throne, wenn er ſich zu Conſtantinopel befindet, das Grabmal Ejjubenſari (davon weiter unten ein Mehre- res vorkommen wird), das in der Vorſtadt, Ejjub genennet, ſtehet, mit großer Feierlichkeit beſuchen, und daſelbſt ſich von dem Schejch Tekje oder Praͤlaten des Kloſters ein Schwert umguͤrten laſſen muß, der dieſe feierliche Handlung mit dieſen Worten beſchließet: Juͤruͤ, Nusret ſenuͤng duͤr; Gehe hin, der Sieg iſt dein (allein dein von Gott). Wenn aber der Kaiſer ſich zu Adrianopel oder anderswo aufhaͤlt: ſo iſt er verbunden, dieſe Feierlich- keit

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/198>, abgerufen am 23.11.2024.