Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Zwischenreich wird von demgriechischen Kai- ser mit vielen Ehrenbezeigun- gen aufgenom-men, 10. Noch an demselben Tage begab sich derselbe nach Constantinopel, und ropäern als Kai- ser bewillkom-met: 11. Kaum hatte derselbe zwo Tagereisen 10 von Constantinopel zurückge- 10 zwo Tagereisen] Dieses war entwe- der zu Epibatä, einer Stadt zwölf Stunden von Constantinopel gelegen, dem Sitze des großen Feldherrn Apokaukus, und unver- söhnlichen Todfeindes Johann Kantakuze- nus: oder Sylebria, um eben diese Gegend und zwo Stunden näher an Constantinopel, da noch heutiges Tages prächtige Reste von Palästen zu sehen sind, die, wie Gregoras saget, Johann Kantakuzen zugehöret haben. Bey diesen verfallenen Mauren fand ich un- ter einem großen Haufen Steine ein Stück Porphyr, anderthalb Fuß groß ins Gevierte, darauf das Bild eines Frauenzimmers aus- gehauen war. Sie saß auf einem Wagen von vier Pferden gezogen, und war mit einem Lorberkranze gekrönet; die Hare flogen ihr rückwärts, als wenn sie der Wind zurück wehete; sie trug einen Palmzweig in der rech- ten Hand, und mit der linken führete sie die Zügel der Pferde: und dabey stund die Auf- schrift; [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] Es ist Schade, daß der Name entweder durch die Länge der Zeit, oder in dem Steinhaufen verloren gegangen ist; die Nase und das rechte Ohr sind verstümmelt: alle die übrigen Theile aber sind noch ganz. Das Alterthum [Spaltenumbruch] dieses Steines ist offenbar an der beygesetzten 64sten Olympiade zu erkennen, welches fünf hundert und zwanzig Jahre vor Christi Geburt sind. Ich habe dieses Denkmal in meinem Palaste aufbewahret, der in einer der Vor- städte von Constantinopel an dem constanti- nopelischen Kanale gebauet ist, in einer so an- muthigen Gegend, als man sich eine in den Gedanken vorstellen kann. Allein ich höre, daß, seit meines Abzuges von da, dasselbe nebst dem ganzen Palaste und andern alten Denk- malen in die Hände der Tochter des Sultan Ahmeds gefallen sey. 11 küsseten ... den Boden] Kein Sterblicher wird für würdig geachtet, die Hand des Kaisers zu küssen. Wann daher auch selbst der oberste Weßir in seiner Gegen- wart erscheinet, entweder daß er ein Geschäff- te ausrichten soll, oder daß er von Ausrich- tung desselben zurück kommt: so beuget er dreymal das rechte Knie, leget die rechte Hand an den Boden, und berühret hierauf mit derselben den Mund und die Stirne. Eben dieses thut er, wann er weggehet. Es ist auch die Gewohnheit, in Gegenwart des Kaisers nicht mit langsamen, sondern mit 12. Weil
Zwiſchenreich wird von demgriechiſchen Kai- ſer mit vielen Ehrenbezeigun- gen aufgenom-men, 10. Noch an demſelben Tage begab ſich derſelbe nach Conſtantinopel, und ropaͤern als Kai- ſer bewillkom-met: 11. Kaum hatte derſelbe zwo Tagereiſen 10 von Conſtantinopel zuruͤckge- 10 zwo Tagereiſen] Dieſes war entwe- der zu Epibataͤ, einer Stadt zwoͤlf Stunden von Conſtantinopel gelegen, dem Sitze des großen Feldherrn Apokaukus, und unver- ſoͤhnlichen Todfeindes Johann Kantakuze- nus: oder Sylebria, um eben dieſe Gegend und zwo Stunden naͤher an Conſtantinopel, da noch heutiges Tages praͤchtige Reſte von Palaͤſten zu ſehen ſind, die, wie Gregoras ſaget, Johann Kantakuzen zugehoͤret haben. Bey dieſen verfallenen Mauren fand ich un- ter einem großen Haufen Steine ein Stuͤck Porphyr, anderthalb Fuß groß ins Gevierte, darauf das Bild eines Frauenzimmers aus- gehauen war. Sie ſaß auf einem Wagen von vier Pferden gezogen, und war mit einem Lorberkranze gekroͤnet; die Hare flogen ihr ruͤckwaͤrts, als wenn ſie der Wind zuruͤck wehete; ſie trug einen Palmzweig in der rech- ten Hand, und mit der linken fuͤhrete ſie die Zuͤgel der Pferde: und dabey ſtund die Auf- ſchrift; [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] Es iſt Schade, daß der Name entweder durch die Laͤnge der Zeit, oder in dem Steinhaufen verloren gegangen iſt; die Naſe und das rechte Ohr ſind verſtuͤmmelt: alle die uͤbrigen Theile aber ſind noch ganz. Das Alterthum [Spaltenumbruch] dieſes Steines iſt offenbar an der beygeſetzten 64ſten Olympiade zu erkennen, welches fuͤnf hundert und zwanzig Jahre vor Chriſti Geburt ſind. Ich habe dieſes Denkmal in meinem Palaſte aufbewahret, der in einer der Vor- ſtaͤdte von Conſtantinopel an dem conſtanti- nopeliſchen Kanale gebauet iſt, in einer ſo an- muthigen Gegend, als man ſich eine in den Gedanken vorſtellen kann. Allein ich hoͤre, daß, ſeit meines Abzuges von da, daſſelbe nebſt dem ganzen Palaſte und andern alten Denk- malen in die Haͤnde der Tochter des Sultan Ahmeds gefallen ſey. 11 kuͤſſeten ... den Boden] Kein Sterblicher wird fuͤr wuͤrdig geachtet, die Hand des Kaiſers zu kuͤſſen. Wann daher auch ſelbſt der oberſte Weßir in ſeiner Gegen- wart erſcheinet, entweder daß er ein Geſchaͤff- te ausrichten ſoll, oder daß er von Ausrich- tung deſſelben zuruͤck kommt: ſo beuget er dreymal das rechte Knie, leget die rechte Hand an den Boden, und beruͤhret hierauf mit derſelben den Mund und die Stirne. Eben dieſes thut er, wann er weggehet. Es iſt auch die Gewohnheit, in Gegenwart des Kaiſers nicht mit langſamen, ſondern mit 12. Weil
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Zwiſchenreich
10. Noch an demſelben Tage begab ſich derſelbe nach Conſtantinopel, und
wurde von dem Kaiſer mit vieler Hochachtung aufgenommen: bekam auch von
demſelben herrliche Geſchenke, die ſowol dem Geber als dem Empfanger
Ehre brachten. Hierauf, naͤmlich am dritten Tage, ſetzte er ſeinen Zug nach
Adrianopel fort.
11. Kaum hatte derſelbe zwo Tagereiſen
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von Conſtantinopel zuruͤckge-
leget: ſo kamen ihm Schah Muͤluͤkj und Ornusbegj entgegen, die ſich zur Nacht-
zeit von Adrianopel weggemacht hatten. Dieſe fielen ihm gleich zu Fuße auf
die Erde, kuͤſſeten der Gewohnheit nach den Boden
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, und empfingen ihn, im
Namen des europaͤiſchen Kriegesheeres, als ihren Kaiſer.
12. Weil
¹⁰ zwo Tagereiſen] Dieſes war entwe-
der zu Epibataͤ, einer Stadt zwoͤlf Stunden
von Conſtantinopel gelegen, dem Sitze des
großen Feldherrn Apokaukus, und unver-
ſoͤhnlichen Todfeindes Johann Kantakuze-
nus: oder Sylebria, um eben dieſe Gegend
und zwo Stunden naͤher an Conſtantinopel,
da noch heutiges Tages praͤchtige Reſte von
Palaͤſten zu ſehen ſind, die, wie Gregoras
ſaget, Johann Kantakuzen zugehoͤret haben.
Bey dieſen verfallenen Mauren fand ich un-
ter einem großen Haufen Steine ein Stuͤck
Porphyr, anderthalb Fuß groß ins Gevierte,
darauf das Bild eines Frauenzimmers aus-
gehauen war. Sie ſaß auf einem Wagen
von vier Pferden gezogen, und war mit einem
Lorberkranze gekroͤnet; die Hare flogen ihr
ruͤckwaͤrts, als wenn ſie der Wind zuruͤck
wehete; ſie trug einen Palmzweig in der rech-
ten Hand, und mit der linken fuͤhrete ſie die
Zuͤgel der Pferde: und dabey ſtund die Auf-
ſchrift; _
Es iſt Schade, daß der Name entweder durch
die Laͤnge der Zeit, oder in dem Steinhaufen
verloren gegangen iſt; die Naſe und das
rechte Ohr ſind verſtuͤmmelt: alle die uͤbrigen
Theile aber ſind noch ganz. Das Alterthum
dieſes Steines iſt offenbar an der beygeſetzten
64ſten Olympiade zu erkennen, welches fuͤnf
hundert und zwanzig Jahre vor Chriſti Geburt
ſind. Ich habe dieſes Denkmal in meinem
Palaſte aufbewahret, der in einer der Vor-
ſtaͤdte von Conſtantinopel an dem conſtanti-
nopeliſchen Kanale gebauet iſt, in einer ſo an-
muthigen Gegend, als man ſich eine in den
Gedanken vorſtellen kann. Allein ich hoͤre,
daß, ſeit meines Abzuges von da, daſſelbe nebſt
dem ganzen Palaſte und andern alten Denk-
malen in die Haͤnde der Tochter des Sultan
Ahmeds gefallen ſey.
¹¹ kuͤſſeten ... den Boden] Kein
Sterblicher wird fuͤr wuͤrdig geachtet, die
Hand des Kaiſers zu kuͤſſen. Wann daher
auch ſelbſt der oberſte Weßir in ſeiner Gegen-
wart erſcheinet, entweder daß er ein Geſchaͤff-
te ausrichten ſoll, oder daß er von Ausrich-
tung deſſelben zuruͤck kommt: ſo beuget er
dreymal das rechte Knie, leget die rechte
Hand an den Boden, und beruͤhret hierauf
mit derſelben den Mund und die Stirne.
Eben dieſes thut er, wann er weggehet. Es
iſt auch die Gewohnheit, in Gegenwart des
Kaiſers nicht mit langſamen, ſondern mit
hurtigen
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