Durch den glücklichen Fortgang des dießjährigen Feldzuges bekamschläget die Un- garn aufs Haupt. Musa solchen Muth, daß er im folgenden Jahre noch größere Dinge unter- nahm. Er brachte noch ein mächtigeres Kriegesheer auf die Beine, und that damit einen Zug gegen die Ungarn 2, bey denen damals der König Siegmund die Regierung führete. Er griff dieselben hart an Samandria, einer Stadt nicht weit von der Donau gelegen, an und schlug sie dergestalt aufs Haupt, daß kaum ein Mann übrig blieb, der die Nachricht von der Schlacht nach Hause bringen konnte. Man saget, der Feind sey durch nichts so sehr beschwe- ret worden, als durch die unermäßlichen Schätze, die er mit sich geführet habe. Denn es wird erzählet, man habe nach der Schlacht eine solche Menge Gold und Silber in seinen Zelten gefunden, daß die Jeng-itscheri das Geld mit großen Schalen und Hüten ausgemessen hätten: und gleichwol sey der Rest der Beute noch hinlänglich genug gewesen, einen großen Tempel 3, Dschami ätik genennet, davon aufzuführen, dazu der Grund noch in demselben Jahre sey geleget worden.
6.
Bis hieher hatte das Glück Musa freundlich angelachet, da es dochMuhämmed kehret seine Waffen gegen Musa, willens war, ihm bald eine saure Mine zu machen. Denn das folgende Un- glück, das Musa Tschelebi betraf, kann keiner andern Ursache zugeschrieben werden, weil derselbe sonst ein Herr von vortrefflichen Eigenschaften war, und dabey eine große Gerechtigkeitsliebe und Mäßigung besaß. Um diese Zeit wur- den sein oberster Weßir Kjörschah Mülükj 4 und der berühmte Feldherr Ornus- begj 5, ohne die mindeste gegebene Ursache, von ihm abtrünnig und schlugen sich zu Muhämmed. Sie gaben demselben durch geheime Briefe zu erkennen: "Das osmanische Reich wäre durch innerliche Uneinigkeiten gewisser maßen [Spaltenumbruch]
stärket unsere Meinung ebenfals. Denn eine Inschrift an dem Thore dieser Mestschid, die noch bis auf den heutigen Tag Dschami ätik oder der alte Dschami heißet, bezeuget, daß sie von Musa Tschelebi aus der Beute bey dieser Schlacht zu bauen angefangen, und von demselben Gott, als ein immerwähren- des Denkmal seiner Siege, zugeeignet wor- den sey.
[Spaltenumbruch]
4 Kjörschah Mülükj] Mülükj scheinet der eigene Name desselben zu seyn. Kjör Schah heißet in der persischen Sprache einen blinden oder einäugigen Fürsten. Man könnte daher schließen, daß er ein Perser ge- wesen wäre: allein dieses ist ungewiß.
5 Ornusbegj] oder, wie andere lesen, Ewrenus*. Die ausländischen Schriftsteller
"geschwächet
* [Die deutschen Leser werden sich vielleicht verwundern, wie doch Ornus Ewrenus könne gelesen werden. Es ist aber zu merken, daß dieses Wort in dem Türkischen mit einem Elif und Waw anfänget, das
sich
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unter Muſa
5.
Durch den gluͤcklichen Fortgang des dießjaͤhrigen Feldzuges bekamſchlaͤget die Un- garn aufs Haupt. Muſa ſolchen Muth, daß er im folgenden Jahre noch groͤßere Dinge unter- nahm. Er brachte noch ein maͤchtigeres Kriegesheer auf die Beine, und that damit einen Zug gegen die Ungarn 2, bey denen damals der Koͤnig Siegmund die Regierung fuͤhrete. Er griff dieſelben hart an Samandria, einer Stadt nicht weit von der Donau gelegen, an und ſchlug ſie dergeſtalt aufs Haupt, daß kaum ein Mann uͤbrig blieb, der die Nachricht von der Schlacht nach Hauſe bringen konnte. Man ſaget, der Feind ſey durch nichts ſo ſehr beſchwe- ret worden, als durch die unermaͤßlichen Schaͤtze, die er mit ſich gefuͤhret habe. Denn es wird erzaͤhlet, man habe nach der Schlacht eine ſolche Menge Gold und Silber in ſeinen Zelten gefunden, daß die Jeng-itſcheri das Geld mit großen Schalen und Huͤten ausgemeſſen haͤtten: und gleichwol ſey der Reſt der Beute noch hinlaͤnglich genug geweſen, einen großen Tempel 3, Dſchami aͤtik genennet, davon aufzufuͤhren, dazu der Grund noch in demſelben Jahre ſey geleget worden.
6.
Bis hieher hatte das Gluͤck Muſa freundlich angelachet, da es dochMuhaͤmmed kehret ſeine Waffen gegen Muſa, willens war, ihm bald eine ſaure Mine zu machen. Denn das folgende Un- gluͤck, das Muſa Tſchelebi betraf, kann keiner andern Urſache zugeſchrieben werden, weil derſelbe ſonſt ein Herr von vortrefflichen Eigenſchaften war, und dabey eine große Gerechtigkeitsliebe und Maͤßigung beſaß. Um dieſe Zeit wur- den ſein oberſter Weßir Kjoͤrſchah Muͤluͤkj 4 und der beruͤhmte Feldherr Ornus- begj 5, ohne die mindeſte gegebene Urſache, von ihm abtruͤnnig und ſchlugen ſich zu Muhaͤmmed. Sie gaben demſelben durch geheime Briefe zu erkennen: “Das osmaniſche Reich waͤre durch innerliche Uneinigkeiten gewiſſer maßen [Spaltenumbruch]
ſtaͤrket unſere Meinung ebenfals. Denn eine Inſchrift an dem Thore dieſer Mestſchid, die noch bis auf den heutigen Tag Dſchami aͤtik oder der alte Dſchami heißet, bezeuget, daß ſie von Muſa Tſchelebi aus der Beute bey dieſer Schlacht zu bauen angefangen, und von demſelben Gott, als ein immerwaͤhren- des Denkmal ſeiner Siege, zugeeignet wor- den ſey.
[Spaltenumbruch]
4 Kjoͤrſchah Muͤluͤkj] Muͤluͤkj ſcheinet der eigene Name deſſelben zu ſeyn. Kjoͤr Schah heißet in der perſiſchen Sprache einen blinden oder einaͤugigen Fuͤrſten. Man koͤnnte daher ſchließen, daß er ein Perſer ge- weſen waͤre: allein dieſes iſt ungewiß.
5 Ornusbegj] oder, wie andere leſen, Ewrenus*. Die auslaͤndiſchen Schriftſteller
“geſchwaͤchet
* [Die deutſchen Leſer werden ſich vielleicht verwundern, wie doch Ornus Ewrenus koͤnne geleſen werden. Es iſt aber zu merken, daß dieſes Wort in dem Tuͤrkiſchen mit einem Elif und Waw anfaͤnget, das
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unter Muſa
5. Durch den gluͤcklichen Fortgang des dießjaͤhrigen Feldzuges bekam
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damit einen Zug gegen die Ungarn
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, bey denen damals der Koͤnig Siegmund
die Regierung fuͤhrete. Er griff dieſelben hart an Samandria, einer Stadt
nicht weit von der Donau gelegen, an und ſchlug ſie dergeſtalt aufs Haupt,
daß kaum ein Mann uͤbrig blieb, der die Nachricht von der Schlacht nach
Hauſe bringen konnte. Man ſaget, der Feind ſey durch nichts ſo ſehr beſchwe-
ret worden, als durch die unermaͤßlichen Schaͤtze, die er mit ſich gefuͤhret habe.
Denn es wird erzaͤhlet, man habe nach der Schlacht eine ſolche Menge Gold
und Silber in ſeinen Zelten gefunden, daß die Jeng-itſcheri das Geld mit großen
Schalen und Huͤten ausgemeſſen haͤtten: und gleichwol ſey der Reſt der Beute
noch hinlaͤnglich genug geweſen, einen großen Tempel
³
, Dſchami aͤtik genennet,
davon aufzufuͤhren, dazu der Grund noch in demſelben Jahre ſey geleget
worden.
ſchlaͤget die Un-
garn aufs Haupt.
6. Bis hieher hatte das Gluͤck Muſa freundlich angelachet, da es doch
willens war, ihm bald eine ſaure Mine zu machen. Denn das folgende Un-
gluͤck, das Muſa Tſchelebi betraf, kann keiner andern Urſache zugeſchrieben
werden, weil derſelbe ſonſt ein Herr von vortrefflichen Eigenſchaften war, und
dabey eine große Gerechtigkeitsliebe und Maͤßigung beſaß. Um dieſe Zeit wur-
den ſein oberſter Weßir Kjoͤrſchah Muͤluͤkj
⁴
und der beruͤhmte Feldherr Ornus-
begj
⁵
, ohne die mindeſte gegebene Urſache, von ihm abtruͤnnig und ſchlugen ſich
zu Muhaͤmmed. Sie gaben demſelben durch geheime Briefe zu erkennen:
“Das osmaniſche Reich waͤre durch innerliche Uneinigkeiten gewiſſer maßen
“geſchwaͤchet
ſtaͤrket unſere Meinung ebenfals. Denn eine
Inſchrift an dem Thore dieſer Mestſchid, die
noch bis auf den heutigen Tag Dſchami aͤtik
oder der alte Dſchami heißet, bezeuget, daß
ſie von Muſa Tſchelebi aus der Beute bey
dieſer Schlacht zu bauen angefangen, und
von demſelben Gott, als ein immerwaͤhren-
des Denkmal ſeiner Siege, zugeeignet wor-
den ſey.
⁴ Kjoͤrſchah Muͤluͤkj] Muͤluͤkj ſcheinet
der eigene Name deſſelben zu ſeyn. Kjoͤr
Schah heißet in der perſiſchen Sprache einen
blinden oder einaͤugigen Fuͤrſten. Man
koͤnnte daher ſchließen, daß er ein Perſer ge-
weſen waͤre: allein dieſes iſt ungewiß.
⁵ Ornusbegj] oder, wie andere leſen,
Ewrenus *. Die auslaͤndiſchen Schriftſteller
geben
Muhaͤmmed
kehret ſeine
Waffen gegen
Muſa,
* [Die deutſchen Leſer werden ſich vielleicht verwundern, wie doch Ornus Ewrenus koͤnne geleſen werden.
Es iſt aber zu merken, daß dieſes Wort in dem Tuͤrkiſchen mit einem Elif und Waw anfaͤnget, das
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/171>, abgerufen am 23.11.2024.
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