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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Zwischenreich
aber von Sülej-
man wieder vonda verjaget.
8.

Als Sülejman diese Zeitung hörete: so ermunterte er sich, wie aus
einem tiefen Schlafe; versammelte im Jahre 809 sein asiatisches Heer, und ging
H. 809.



J. C. 1406.damit nach Europa. Aber auch hier getrauet Musa nicht, es auf den ungewissen
Ausgang des Krieges ankommen zu lassen, entweder aus natürlicher Zaghaf-
tigkeit 11, oder aus Mistrauen gegen sein Glück. Er entschloß sich also, lieber
zu fliehen, als eine Schlacht auszuhalten, und kehrete wieder nach der Wala-
chey zurück.

Sülejman er-
giebt sich seinenLüsten.
9.

Sülejman war von solcher eiteln Einbildung, daß er diese glücklichen
Begebenheiten seiner Tapferkeit und Klugheit, keinesweges aber dem günstigen
Glücke zuschriebe. Er glaubte also, er wäre über die Nachstellungen desselben
weit hinaus, und versenkte sich ganz und gar in die Geilheit und Trunkenheit,
so daß er die europäischen und asiatischen Laster beyde in sich vereinigte. Die
Kriegeszucht, dadurch das osmanische Reich so hoch gestiegen war, wurde ver-
absäumet; die Ehrenstellen wurden an Weinschenke und Hurenwirthe vergeben:
mit einem Worte, der Hof sahe eher einem Hurenhause, als einer Tugend-
schule, ähnlich; welches dann die Gemüther der Feldherren und Großen noth-
wendig von ihm abwendig machen mußte.

Wird von seinen
Freunden verra-
then und um dasLeben gebracht.
10.

Musa Tschelebi, der sich noch immer in der Walachey aufhielte,
glaubte, er müsse seines Bruders Unmäßigkeit zu seinem Vortheile gebrauchen,
und schickte ingeheim Boten mit Briefen ab, um die Großen noch mehr aufzu-
bringen. Diese waren ohnehin über Sülejmans Aufführung verdrießlich, und
ließen sich also leicht zum Aufruhre bewegen: da indessen jener in Wollüsten be-
graben lag und von allen diesen Sachen nichts wußte. Musa bringet daher
wieder ein Heer zusammen, und rücket damit, nach langem hin und her Ziehen,
vor Adrianopel. Hier trifft er seinen Bruder ohne alle Zubereitung an, als
dem alles, was außen vorging, unbekannt war. Weil dieser nun weder seine
[Spaltenumbruch]

11 Zaghaftigkeit] Den Türken kommt
es erstaunlich vor, daß Sülejman, der in
allen Lastern ersoffen war, in seinen Sachen
so guten Fortgang gehabt: da hingegen Mu-
sa, ein mit so vielen Tugenden begabter Herr,
im Kriege so unglücklich gewesen, dergestalt,
daß er entweder aus Kleinmuthe, oder aus
Vorsichtigkeit, sich niemals getrauete, eine
[Spaltenumbruch]
ordentliche Schlacht zu liefern.
12 Dorfe] Der Name desselben ist in
keinem Jahrbuche zu finden. Es scheinet
aber, daß es Tschorlü oder das Tyrilos der
Alten, oder eines von den Dörfern in der
Nachbarschaft desselben gewesen sey: denn
dieses lieget zwey und zwanzig* Meilen von

Truppen
* 5 deutsche Meilen.
Zwiſchenreich
aber von Suͤlej-
man wieder vonda verjaget.
8.

Als Suͤlejman dieſe Zeitung hoͤrete: ſo ermunterte er ſich, wie aus
einem tiefen Schlafe; verſammelte im Jahre 809 ſein aſiatiſches Heer, und ging
H. 809.



J. C. 1406.damit nach Europa. Aber auch hier getrauet Muſa nicht, es auf den ungewiſſen
Ausgang des Krieges ankommen zu laſſen, entweder aus natuͤrlicher Zaghaf-
tigkeit 11, oder aus Mistrauen gegen ſein Gluͤck. Er entſchloß ſich alſo, lieber
zu fliehen, als eine Schlacht auszuhalten, und kehrete wieder nach der Wala-
chey zuruͤck.

Suͤlejman er-
giebt ſich ſeinenLuͤſten.
9.

Suͤlejman war von ſolcher eiteln Einbildung, daß er dieſe gluͤcklichen
Begebenheiten ſeiner Tapferkeit und Klugheit, keinesweges aber dem guͤnſtigen
Gluͤcke zuſchriebe. Er glaubte alſo, er waͤre uͤber die Nachſtellungen deſſelben
weit hinaus, und verſenkte ſich ganz und gar in die Geilheit und Trunkenheit,
ſo daß er die europaͤiſchen und aſiatiſchen Laſter beyde in ſich vereinigte. Die
Kriegeszucht, dadurch das osmaniſche Reich ſo hoch geſtiegen war, wurde ver-
abſaͤumet; die Ehrenſtellen wurden an Weinſchenke und Hurenwirthe vergeben:
mit einem Worte, der Hof ſahe eher einem Hurenhauſe, als einer Tugend-
ſchule, aͤhnlich; welches dann die Gemuͤther der Feldherren und Großen noth-
wendig von ihm abwendig machen mußte.

Wird von ſeinen
Freunden verra-
then und um dasLeben gebracht.
10.

Muſa Tſchelebi, der ſich noch immer in der Walachey aufhielte,
glaubte, er muͤſſe ſeines Bruders Unmaͤßigkeit zu ſeinem Vortheile gebrauchen,
und ſchickte ingeheim Boten mit Briefen ab, um die Großen noch mehr aufzu-
bringen. Dieſe waren ohnehin uͤber Suͤlejmans Auffuͤhrung verdrießlich, und
ließen ſich alſo leicht zum Aufruhre bewegen: da indeſſen jener in Wolluͤſten be-
graben lag und von allen dieſen Sachen nichts wußte. Muſa bringet daher
wieder ein Heer zuſammen, und ruͤcket damit, nach langem hin und her Ziehen,
vor Adrianopel. Hier trifft er ſeinen Bruder ohne alle Zubereitung an, als
dem alles, was außen vorging, unbekannt war. Weil dieſer nun weder ſeine
[Spaltenumbruch]

11 Zaghaftigkeit] Den Tuͤrken kommt
es erſtaunlich vor, daß Suͤlejman, der in
allen Laſtern erſoffen war, in ſeinen Sachen
ſo guten Fortgang gehabt: da hingegen Mu-
ſa, ein mit ſo vielen Tugenden begabter Herr,
im Kriege ſo ungluͤcklich geweſen, dergeſtalt,
daß er entweder aus Kleinmuthe, oder aus
Vorſichtigkeit, ſich niemals getrauete, eine
[Spaltenumbruch]
ordentliche Schlacht zu liefern.
12 Dorfe] Der Name deſſelben iſt in
keinem Jahrbuche zu finden. Es ſcheinet
aber, daß es Tſchorluͤ oder das Tyrilos der
Alten, oder eines von den Doͤrfern in der
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dieſes lieget zwey und zwanzig* Meilen von

Truppen
* 5 deutſche Meilen.
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[88/0166] Zwiſchenreich 8. Als Suͤlejman dieſe Zeitung hoͤrete: ſo ermunterte er ſich, wie aus einem tiefen Schlafe; verſammelte im Jahre 809 ſein aſiatiſches Heer, und ging damit nach Europa. Aber auch hier getrauet Muſa nicht, es auf den ungewiſſen Ausgang des Krieges ankommen zu laſſen, entweder aus natuͤrlicher Zaghaf- tigkeit ¹¹ , oder aus Mistrauen gegen ſein Gluͤck. Er entſchloß ſich alſo, lieber zu fliehen, als eine Schlacht auszuhalten, und kehrete wieder nach der Wala- chey zuruͤck. H. 809. J. C. 1406. 9. Suͤlejman war von ſolcher eiteln Einbildung, daß er dieſe gluͤcklichen Begebenheiten ſeiner Tapferkeit und Klugheit, keinesweges aber dem guͤnſtigen Gluͤcke zuſchriebe. Er glaubte alſo, er waͤre uͤber die Nachſtellungen deſſelben weit hinaus, und verſenkte ſich ganz und gar in die Geilheit und Trunkenheit, ſo daß er die europaͤiſchen und aſiatiſchen Laſter beyde in ſich vereinigte. Die Kriegeszucht, dadurch das osmaniſche Reich ſo hoch geſtiegen war, wurde ver- abſaͤumet; die Ehrenſtellen wurden an Weinſchenke und Hurenwirthe vergeben: mit einem Worte, der Hof ſahe eher einem Hurenhauſe, als einer Tugend- ſchule, aͤhnlich; welches dann die Gemuͤther der Feldherren und Großen noth- wendig von ihm abwendig machen mußte. 10. Muſa Tſchelebi, der ſich noch immer in der Walachey aufhielte, glaubte, er muͤſſe ſeines Bruders Unmaͤßigkeit zu ſeinem Vortheile gebrauchen, und ſchickte ingeheim Boten mit Briefen ab, um die Großen noch mehr aufzu- bringen. Dieſe waren ohnehin uͤber Suͤlejmans Auffuͤhrung verdrießlich, und ließen ſich alſo leicht zum Aufruhre bewegen: da indeſſen jener in Wolluͤſten be- graben lag und von allen dieſen Sachen nichts wußte. Muſa bringet daher wieder ein Heer zuſammen, und ruͤcket damit, nach langem hin und her Ziehen, vor Adrianopel. Hier trifft er ſeinen Bruder ohne alle Zubereitung an, als dem alles, was außen vorging, unbekannt war. Weil dieſer nun weder ſeine Truppen ¹¹ Zaghaftigkeit] Den Tuͤrken kommt es erſtaunlich vor, daß Suͤlejman, der in allen Laſtern erſoffen war, in ſeinen Sachen ſo guten Fortgang gehabt: da hingegen Mu- ſa, ein mit ſo vielen Tugenden begabter Herr, im Kriege ſo ungluͤcklich geweſen, dergeſtalt, daß er entweder aus Kleinmuthe, oder aus Vorſichtigkeit, ſich niemals getrauete, eine ordentliche Schlacht zu liefern. ¹² Dorfe] Der Name deſſelben iſt in keinem Jahrbuche zu finden. Es ſcheinet aber, daß es Tſchorluͤ oder das Tyrilos der Alten, oder eines von den Doͤrfern in der Nachbarſchaft deſſelben geweſen ſey: denn dieſes lieget zwey und zwanzig * Meilen von Conſtan- * 5[FORMEL] deutſche Meilen.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/166>, abgerufen am 23.11.2024.