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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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4. Bajeßid der I
heit. In Unternehmungen, Aufrichtung der Kriegesheere und Führung der-
selben an entlegene Oerter hatte er zu keiner Zeit an Behendigkeit iemanden
seines Gleichen. Daher erwarb er sich den Beynamen Jildirim oder Blitz.
Er war zum Zorne geneigt, einem gewöhnlichen Fehler großer Geister: allein
die ersten Bewegungen legten sich bald, und die Gnade behielte bey ihm die
Oberhand. Von der Baukunst war er ein so großer Liebhaber, daß er in
iedem Jahre seiner Regierung Mestschide, Dschami, Medrese und Imarete
aufgeführet haben soll. Wie man von ihm erzählet: so hatte er eine besondere
Achtung für Gelehrten und gottselige Männer. Er war der erste von den os-
manischen Kaisern, der Krieg zur See führete, zu welchem Ende 22 er drey
hundert lange Fahrzeuge hatte bauen lassen: und würde auch vielleicht die
Herrschaft zur See bekommen haben, wenn er sich nicht, zu seinem Unglücke,
in öffentlichen Krieg mit Temurlenkj eingelassen und auf den Kampfplatz gewa-
get hätte.

16.

Was seine Söhne 23 betrifft: so wissen die christlichen SchriftstellerSeine Nachkom-
men.

unter den verderbten Namen Erdogul, Issa, Kalepin, Cyricelebis und Ci-
[Spaltenumbruch]

Bajeßids Söhnen gegeben. Es war zwar
derselbe ein gleichlebender Schriftsteller: man
kann ihm aber leicht verzeihen, daß er sich
in den türkischen Sachen versiehet; da er sich
in den griechischen Geschichten, das ist, in
denen, die sein eigenes Vaterland betreffen,
so oft widerspricht. Wir würden ihm diesen
Vorwurf nicht machen, wenn er uns nicht
selbst in dem Beschlusse seiner Geschichte be-
richtete, daß er dieselbe verfertiget habe, als
er bereits vor Alter entkräftet gewesen: ein
aus dem Lande verbanneter Mann, der folg-
lich nicht anders, als aus seinem eigenen Ge-
dächtnisse, schreiben konnte, nicht aber aus
mitgetheilten Nachrichten oder öffentlichen
Urkunden. Außer dem, daß seine Bücher
verderbet und von einer neuern Hand verfäl-
schet worden sind, kommt es mir wenigstens
sehr verdächtig vor, wenn ich bedenke, daß
er im 1 Buche, 31 Hauptst. Bogdaniens,
als einer damaligen Landschaft, erwähnet, die
zu Muhämmeds Zeiten den Türken zinsbar
[Spaltenumbruch]
gewesen sey: da doch alle Schriftsteller dar-
innen übereinkommen, daß dieses Land (oder
Moldau, wie es damals hieße) sich an Sü-
lejman den I freywillig übergeben habe, und
von dieser Zeit an den Türken zuerst unter
dem Namen Bogdanien, von dem Fürsten
desselben, Bogdan, bekannt geworden sey.
Aus eben so guten Gründen muß man dieje-
nigen Nachrichten für verdächtig und erdich-
tet halten, die er uns von den innerlichen
Kriegen der Söhne Bajeßids giebt, mit sol-
chen Umständen, davon weder die türkischen
noch christlichen Schriftsteller das mindeste
wissen. Er giebt fünf Söhne Bajeßids an:
Moses, Jusuph, Jesse, Müsülman und Me-
hemmed. Die vier letzten davon, erzählet
er uns, gingen nach Europa: denn Moses
war in der Schlacht mit Temurlenkj gefan-
gen worden. Jusuph (fähret derselbe fort)
wurde ein Christ. Jesse war anfangs glück-
lich und bekriegte die Ungarn und Servier.
Als er aber mit seinem Bruder Müsülman

belin,

4. Bajeßid der I
heit. In Unternehmungen, Aufrichtung der Kriegesheere und Fuͤhrung der-
ſelben an entlegene Oerter hatte er zu keiner Zeit an Behendigkeit iemanden
ſeines Gleichen. Daher erwarb er ſich den Beynamen Jildirim oder Blitz.
Er war zum Zorne geneigt, einem gewoͤhnlichen Fehler großer Geiſter: allein
die erſten Bewegungen legten ſich bald, und die Gnade behielte bey ihm die
Oberhand. Von der Baukunſt war er ein ſo großer Liebhaber, daß er in
iedem Jahre ſeiner Regierung Mestſchide, Dſchami, Medreſe und Imarete
aufgefuͤhret haben ſoll. Wie man von ihm erzaͤhlet: ſo hatte er eine beſondere
Achtung fuͤr Gelehrten und gottſelige Maͤnner. Er war der erſte von den os-
maniſchen Kaiſern, der Krieg zur See fuͤhrete, zu welchem Ende 22 er drey
hundert lange Fahrzeuge hatte bauen laſſen: und wuͤrde auch vielleicht die
Herrſchaft zur See bekommen haben, wenn er ſich nicht, zu ſeinem Ungluͤcke,
in oͤffentlichen Krieg mit Temurlenkj eingelaſſen und auf den Kampfplatz gewa-
get haͤtte.

16.

Was ſeine Soͤhne 23 betrifft: ſo wiſſen die chriſtlichen SchriftſtellerSeine Nachkom-
men.

unter den verderbten Namen Erdogul, Iſſa, Kalepin, Cyricelebis und Ci-
[Spaltenumbruch]

Bajeßids Soͤhnen gegeben. Es war zwar
derſelbe ein gleichlebender Schriftſteller: man
kann ihm aber leicht verzeihen, daß er ſich
in den tuͤrkiſchen Sachen verſiehet; da er ſich
in den griechiſchen Geſchichten, das iſt, in
denen, die ſein eigenes Vaterland betreffen,
ſo oft widerſpricht. Wir wuͤrden ihm dieſen
Vorwurf nicht machen, wenn er uns nicht
ſelbſt in dem Beſchluſſe ſeiner Geſchichte be-
richtete, daß er dieſelbe verfertiget habe, als
er bereits vor Alter entkraͤftet geweſen: ein
aus dem Lande verbanneter Mann, der folg-
lich nicht anders, als aus ſeinem eigenen Ge-
daͤchtniſſe, ſchreiben konnte, nicht aber aus
mitgetheilten Nachrichten oder oͤffentlichen
Urkunden. Außer dem, daß ſeine Buͤcher
verderbet und von einer neuern Hand verfaͤl-
ſchet worden ſind, kommt es mir wenigſtens
ſehr verdaͤchtig vor, wenn ich bedenke, daß
er im 1 Buche, 31 Hauptſt. Bogdaniens,
als einer damaligen Landſchaft, erwaͤhnet, die
zu Muhaͤmmeds Zeiten den Tuͤrken zinsbar
[Spaltenumbruch]
geweſen ſey: da doch alle Schriftſteller dar-
innen uͤbereinkommen, daß dieſes Land (oder
Moldau, wie es damals hieße) ſich an Suͤ-
lejman den I freywillig uͤbergeben habe, und
von dieſer Zeit an den Tuͤrken zuerſt unter
dem Namen Bogdanien, von dem Fuͤrſten
deſſelben, Bogdan, bekannt geworden ſey.
Aus eben ſo guten Gruͤnden muß man dieje-
nigen Nachrichten fuͤr verdaͤchtig und erdich-
tet halten, die er uns von den innerlichen
Kriegen der Soͤhne Bajeßids giebt, mit ſol-
chen Umſtaͤnden, davon weder die tuͤrkiſchen
noch chriſtlichen Schriftſteller das mindeſte
wiſſen. Er giebt fuͤnf Soͤhne Bajeßids an:
Moſes, Juſuph, Jeſſe, Muͤſuͤlman und Me-
hemmed. Die vier letzten davon, erzaͤhlet
er uns, gingen nach Europa: denn Moſes
war in der Schlacht mit Temurlenkj gefan-
gen worden. Juſuph (faͤhret derſelbe fort)
wurde ein Chriſt. Jeſſe war anfangs gluͤck-
lich und bekriegte die Ungarn und Servier.
Als er aber mit ſeinem Bruder Muͤſuͤlman

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[79/0157] 4. Bajeßid der I heit. In Unternehmungen, Aufrichtung der Kriegesheere und Fuͤhrung der- ſelben an entlegene Oerter hatte er zu keiner Zeit an Behendigkeit iemanden ſeines Gleichen. Daher erwarb er ſich den Beynamen Jildirim oder Blitz. Er war zum Zorne geneigt, einem gewoͤhnlichen Fehler großer Geiſter: allein die erſten Bewegungen legten ſich bald, und die Gnade behielte bey ihm die Oberhand. Von der Baukunſt war er ein ſo großer Liebhaber, daß er in iedem Jahre ſeiner Regierung Mestſchide, Dſchami, Medreſe und Imarete aufgefuͤhret haben ſoll. Wie man von ihm erzaͤhlet: ſo hatte er eine beſondere Achtung fuͤr Gelehrten und gottſelige Maͤnner. Er war der erſte von den os- maniſchen Kaiſern, der Krieg zur See fuͤhrete, zu welchem Ende ²² er drey hundert lange Fahrzeuge hatte bauen laſſen: und wuͤrde auch vielleicht die Herrſchaft zur See bekommen haben, wenn er ſich nicht, zu ſeinem Ungluͤcke, in oͤffentlichen Krieg mit Temurlenkj eingelaſſen und auf den Kampfplatz gewa- get haͤtte. 16. Was ſeine Soͤhne ²³ betrifft: ſo wiſſen die chriſtlichen Schriftſteller unter den verderbten Namen Erdogul, Iſſa, Kalepin, Cyricelebis und Ci- belin, Bajeßids Soͤhnen gegeben. Es war zwar derſelbe ein gleichlebender Schriftſteller: man kann ihm aber leicht verzeihen, daß er ſich in den tuͤrkiſchen Sachen verſiehet; da er ſich in den griechiſchen Geſchichten, das iſt, in denen, die ſein eigenes Vaterland betreffen, ſo oft widerſpricht. Wir wuͤrden ihm dieſen Vorwurf nicht machen, wenn er uns nicht ſelbſt in dem Beſchluſſe ſeiner Geſchichte be- richtete, daß er dieſelbe verfertiget habe, als er bereits vor Alter entkraͤftet geweſen: ein aus dem Lande verbanneter Mann, der folg- lich nicht anders, als aus ſeinem eigenen Ge- daͤchtniſſe, ſchreiben konnte, nicht aber aus mitgetheilten Nachrichten oder oͤffentlichen Urkunden. Außer dem, daß ſeine Buͤcher verderbet und von einer neuern Hand verfaͤl- ſchet worden ſind, kommt es mir wenigſtens ſehr verdaͤchtig vor, wenn ich bedenke, daß er im 1 Buche, 31 Hauptſt. Bogdaniens, als einer damaligen Landſchaft, erwaͤhnet, die zu Muhaͤmmeds Zeiten den Tuͤrken zinsbar geweſen ſey: da doch alle Schriftſteller dar- innen uͤbereinkommen, daß dieſes Land (oder Moldau, wie es damals hieße) ſich an Suͤ- lejman den I freywillig uͤbergeben habe, und von dieſer Zeit an den Tuͤrken zuerſt unter dem Namen Bogdanien, von dem Fuͤrſten deſſelben, Bogdan, bekannt geworden ſey. Aus eben ſo guten Gruͤnden muß man dieje- nigen Nachrichten fuͤr verdaͤchtig und erdich- tet halten, die er uns von den innerlichen Kriegen der Soͤhne Bajeßids giebt, mit ſol- chen Umſtaͤnden, davon weder die tuͤrkiſchen noch chriſtlichen Schriftſteller das mindeſte wiſſen. Er giebt fuͤnf Soͤhne Bajeßids an: Moſes, Juſuph, Jeſſe, Muͤſuͤlman und Me- hemmed. Die vier letzten davon, erzaͤhlet er uns, gingen nach Europa: denn Moſes war in der Schlacht mit Temurlenkj gefan- gen worden. Juſuph (faͤhret derſelbe fort) wurde ein Chriſt. Jeſſe war anfangs gluͤck- lich und bekriegte die Ungarn und Servier. Als er aber mit ſeinem Bruder Muͤſuͤlman [vielleicht Seine Nachkom- men.

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/157>, abgerufen am 25.11.2024.