Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte Zu Constantino-pel wird ein Dschami gebau-et. 10. Nachdem der Stillstand unter diesen Bedingungen zu Stande ge- 11. Solchergestalt waren nunmehr die Gebräuche der muhämmedischen 14 Dawud Pascha] Dawud ist der ebräische Name David, iedoch allein bey den Türken auf diese Art gebräuchlich. 15 Mähkjeme] Das Praetorium, oder der Gerichtssal, da die Gerichtshändel ange- höret und entschieden werden: von muhkjem, stark und fest; oder aber von Hukjm, das Urtheil oder der richterliche Ausspruch. Es sind mehr als zwanzig dergleichen Mähkjeme zu Constantinopel, und unter diesen wird das vornehmste Mähkjemei Mähmud Pascha ge- nennet, von dem Stifter dieses Namens, der einer von den obersten Weßiren gewesen ist. 16 Temurlenkj] Er war aus der tscha- gatajschen Ordi oder Stamme entsprossen, und war der Geburt nach zwar ein Barbar, aber seinen Sitten nach ein sehr höflicher und wohlgearteter Herr. Temurlenkj (nach der verderbten Aussprache Tamerlan) bedeutet in der persischen Sprache einen, der lahm am [Spaltenumbruch] Schenkel ist, und dieses soll er auch der Sage nach gewesen seyn. Einen Beweis davon giebt folgende Begebenheit ab, welche die Türken von ihm erzählen. Als unter andern persischen Gefangenen (sagen dieselben) auch ein Maler sollte vorgeführet und hingerichtet werden: so bat dieser, Temurlenkj möchte doch nicht geschehen lassen, daß die ganze Maler- kunst mit ihm abstürbe; denn er könne leicht beweisen, daß das vortrefflichste Stück in dieser Kunst für ihn selbst gehöre. Temur- lenkj, dem man die Bitte desselben hinter- brachte, befahl ihm, seine Malerey zu ma- chen. Weil nun der Maler sahe, daß dieser Herr an dem rechten Schenkel lahm und an dem linken Auge blind war: so malete er ihn in solcher Stellung, daß er sich auf den rech- ten Fuß neigete oder denselben beugete, das linke Auge aber zumachte, und das rechte auf die Armbrust legte, als wenn er auf der Jagd wäre und ein Wild schießen wollte. Temurlenkj bewunderte die Scharfsinnigkeit ches
Osmaniſche Geſchichte Zu Conſtantino-pel wird ein Dſchami gebau-et. 10. Nachdem der Stillſtand unter dieſen Bedingungen zu Stande ge- 11. Solchergeſtalt waren nunmehr die Gebraͤuche der muhaͤmmediſchen 14 Dawud Paſcha] Dawud iſt der ebraͤiſche Name David, iedoch allein bey den Tuͤrken auf dieſe Art gebraͤuchlich. 15 Maͤhkjeme] Das Praetorium, oder der Gerichtsſal, da die Gerichtshaͤndel ange- hoͤret und entſchieden werden: von muhkjem, ſtark und feſt; oder aber von Hukjm, das Urtheil oder der richterliche Ausſpruch. Es ſind mehr als zwanzig dergleichen Maͤhkjeme zu Conſtantinopel, und unter dieſen wird das vornehmſte Maͤhkjemei Maͤhmud Paſcha ge- nennet, von dem Stifter dieſes Namens, der einer von den oberſten Weßiren geweſen iſt. 16 Temurlenkj] Er war aus der tſcha- gatajſchen Ordi oder Stamme entſproſſen, und war der Geburt nach zwar ein Barbar, aber ſeinen Sitten nach ein ſehr hoͤflicher und wohlgearteter Herr. Temurlenkj (nach der verderbten Ausſprache Tamerlan) bedeutet in der perſiſchen Sprache einen, der lahm am [Spaltenumbruch] Schenkel iſt, und dieſes ſoll er auch der Sage nach geweſen ſeyn. Einen Beweis davon giebt folgende Begebenheit ab, welche die Tuͤrken von ihm erzaͤhlen. Als unter andern perſiſchen Gefangenen (ſagen dieſelben) auch ein Maler ſollte vorgefuͤhret und hingerichtet werden: ſo bat dieſer, Temurlenkj moͤchte doch nicht geſchehen laſſen, daß die ganze Maler- kunſt mit ihm abſtuͤrbe; denn er koͤnne leicht beweiſen, daß das vortrefflichſte Stuͤck in dieſer Kunſt fuͤr ihn ſelbſt gehoͤre. Temur- lenkj, dem man die Bitte deſſelben hinter- brachte, befahl ihm, ſeine Malerey zu ma- chen. Weil nun der Maler ſahe, daß dieſer Herr an dem rechten Schenkel lahm und an dem linken Auge blind war: ſo malete er ihn in ſolcher Stellung, daß er ſich auf den rech- ten Fuß neigete oder denſelben beugete, das linke Auge aber zumachte, und das rechte auf die Armbruſt legte, als wenn er auf der Jagd waͤre und ein Wild ſchießen wollte. Temurlenkj bewunderte die Scharfſinnigkeit ches
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Osmaniſche Geſchichte
10. Nachdem der Stillſtand unter dieſen Bedingungen zu Stande ge-
kommen war: ſo baueten die Osmanen den erſten Dſchami daſelbſt, der bis
auf den heutigen Tag den Namen Dawud Paſcha
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fuͤhret; imgleichen einen
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, da die Chriſten noch wirklich zu Conſtantinopel die Regierung
fuͤhreten.
11. Solchergeſtalt waren nunmehr die Gebraͤuche der muhaͤmmediſchen
Religion und die Kennzeichen des osmaniſchen Reiches ſogar in die Hauptſtadt
der Griechen eingefuͤhret, und es ſchiene, als wenn das kaiſerliche Haus itzo bald
verleſchen, und alle die Laͤnder, die den Griechen zugehoͤreten, ſamt ihrem
Hauptſitze, vollends in Bajeßids Gewalt gerathen wuͤrden. Indem aber der-
ſelbe mit dieſen Gedanken umging: ſo fing eben daſſelbe Gluͤck, das ihn empor
gehoben, an, ihn zu Boden zu ſtuͤrzen. Denn als Bajeßid ſeine Sachen in
Europa nach ſeinem Wunſche eingerichtet hatte, und nunmehr nach der Herr-
ſchaft der ganzen Welt trachtete: ſo verſammelte Temurlenkj
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, ein Mann von
geringem Herkommen, der Koͤnig der Scythen geworden war, ein zahlrei-
ches
¹⁴ Dawud Paſcha] Dawud iſt der
ebraͤiſche Name David, iedoch allein bey den
Tuͤrken auf dieſe Art gebraͤuchlich.
¹⁵ Maͤhkjeme] Das Praetorium, oder
der Gerichtsſal, da die Gerichtshaͤndel ange-
hoͤret und entſchieden werden: von muhkjem,
ſtark und feſt; oder aber von Hukjm, das
Urtheil oder der richterliche Ausſpruch. Es
ſind mehr als zwanzig dergleichen Maͤhkjeme
zu Conſtantinopel, und unter dieſen wird das
vornehmſte Maͤhkjemei Maͤhmud Paſcha ge-
nennet, von dem Stifter dieſes Namens, der
einer von den oberſten Weßiren geweſen iſt.
¹⁶ Temurlenkj] Er war aus der tſcha-
gatajſchen Ordi oder Stamme entſproſſen,
und war der Geburt nach zwar ein Barbar,
aber ſeinen Sitten nach ein ſehr hoͤflicher und
wohlgearteter Herr. Temurlenkj (nach der
verderbten Ausſprache Tamerlan) bedeutet in
der perſiſchen Sprache einen, der lahm am
Schenkel iſt, und dieſes ſoll er auch der Sage
nach geweſen ſeyn. Einen Beweis davon
giebt folgende Begebenheit ab, welche die
Tuͤrken von ihm erzaͤhlen. Als unter andern
perſiſchen Gefangenen (ſagen dieſelben) auch
ein Maler ſollte vorgefuͤhret und hingerichtet
werden: ſo bat dieſer, Temurlenkj moͤchte doch
nicht geſchehen laſſen, daß die ganze Maler-
kunſt mit ihm abſtuͤrbe; denn er koͤnne leicht
beweiſen, daß das vortrefflichſte Stuͤck in
dieſer Kunſt fuͤr ihn ſelbſt gehoͤre. Temur-
lenkj, dem man die Bitte deſſelben hinter-
brachte, befahl ihm, ſeine Malerey zu ma-
chen. Weil nun der Maler ſahe, daß dieſer
Herr an dem rechten Schenkel lahm und an
dem linken Auge blind war: ſo malete er ihn
in ſolcher Stellung, daß er ſich auf den rech-
ten Fuß neigete oder denſelben beugete, das
linke Auge aber zumachte, und das rechte
auf die Armbruſt legte, als wenn er auf der
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Temurlenkj bewunderte die Scharfſinnigkeit
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