Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte heißen: ihr Angesicht müsse allezeit heiter, ihre Hand siegreich, ihr Schwert wohl-geschliffen seyn, und ihr Säbel ihren Feinden beständig über den Köpfen schwe- ben; und wo sie immer hinziehen, da müssen sie mit einem weißen Angesichte 20 wieder zurück kommen. Hievon kommt es, daß diese Soldaten seit dem diesen Namen und diese Kopfdecke beständig behalten haben. 5. Diese Weißagung wurde durch den Ausgang bestätiget. Denn mit- seinen Sohn Bajeßid, und bringet einige Herrschaftenan sich. 6. Nachdem Murad bisher sehr deutliche Proben von seinen Kriegestu- vierzig tausend Mann, und diese gehen an Ehre und Würde allen andern Soldaten vor. Ein ieder von denen, die unter diesem Haufen angeworben sind, bekommt des Tages drey Asper*, zweene Laibe Brod, zwey hundert Drachmen2* Schöpsenfleisch, hundert Drach- men3* Reis, und dreyßig Drachmen4* But- ter. Diese Eßwaren aber werden dem Sol- daten nicht selbst gegeben: sondern sie werden aus den Vorrathshäusern einer ieden Oda oder Kammer [deren zu Constantinopel hun- dert und zwey und sechzig sind, die von den Sultanen gar prächtig gebauet worden, und darinnen die Jeng-itscheri wie in einem Klo- ster bey einander wohnen] dem obersten Koche auf einmal geliefert, der dieselben zurechte ma- [Spaltenumbruch] chet und zur Mittagszeit denen, die zugegen sind, aufsetzet. Die Abwesenden haben nach ver- flossener Zeit nichts zu gewarten, nach folgen- der Regel des Sultans: Diejenigen sollen gespeiset werden, die in ihrer Oda bleiben. Doch von diesen Dingen werden wir weiter unten ausführlicher handeln. 20 weißen Angesichte] Die Ausdrücke, weißes oder schwarzes Angesicht, sind gemei- ne Redensarten bey den Türken, etwas zu loben oder zu schelten. Wenn ein Herr seinen Knecht loben will: so saget er; oferin! Jü- ßüng ak olsun: recht so! dein Angesicht müsse weiß oder glänzend seyn: und wenn er ihn schelten will; so saget er: Jüßüng kara olsun; sten * auf deutsch, warme Bäder. * Dieses sind 6 sächsische Pfenninge. 2* Dieses sind 43,4687 Loth cölnisches Gewichts. 3* 21,7344 Loth cölnisch. 4* 6,5203 Loth cölnisch.
Osmaniſche Geſchichte heißen: ihr Angeſicht muͤſſe allezeit heiter, ihre Hand ſiegreich, ihr Schwert wohl-geſchliffen ſeyn, und ihr Saͤbel ihren Feinden beſtaͤndig uͤber den Koͤpfen ſchwe- ben; und wo ſie immer hinziehen, da muͤſſen ſie mit einem weißen Angeſichte 20 wieder zuruͤck kommen. Hievon kommt es, daß dieſe Soldaten ſeit dem dieſen Namen und dieſe Kopfdecke beſtaͤndig behalten haben. 5. Dieſe Weißagung wurde durch den Ausgang beſtaͤtiget. Denn mit- ſeinen Sohn Bajeßid, und bringet einige Herrſchaftenan ſich. 6. Nachdem Murad bisher ſehr deutliche Proben von ſeinen Kriegestu- vierzig tauſend Mann, und dieſe gehen an Ehre und Wuͤrde allen andern Soldaten vor. Ein ieder von denen, die unter dieſem Haufen angeworben ſind, bekommt des Tages drey Aſper*, zweene Laibe Brod, zwey hundert Drachmen2* Schoͤpſenfleiſch, hundert Drach- men3* Reis, und dreyßig Drachmen4* But- ter. Dieſe Eßwaren aber werden dem Sol- daten nicht ſelbſt gegeben: ſondern ſie werden aus den Vorrathshaͤuſern einer ieden Oda oder Kammer [deren zu Conſtantinopel hun- dert und zwey und ſechzig ſind, die von den Sultanen gar praͤchtig gebauet worden, und darinnen die Jeng-itſcheri wie in einem Klo- ſter bey einander wohnen] dem oberſten Koche auf einmal geliefert, der dieſelben zurechte ma- [Spaltenumbruch] chet und zur Mittagszeit denen, die zugegen ſind, aufſetzet. Die Abweſenden haben nach ver- floſſener Zeit nichts zu gewarten, nach folgen- der Regel des Sultans: Diejenigen ſollen geſpeiſet werden, die in ihrer Oda bleiben. Doch von dieſen Dingen werden wir weiter unten ausfuͤhrlicher handeln. 20 weißen Angeſichte] Die Ausdruͤcke, weißes oder ſchwarzes Angeſicht, ſind gemei- ne Redensarten bey den Tuͤrken, etwas zu loben oder zu ſchelten. Wenn ein Herr ſeinen Knecht loben will: ſo ſaget er; oferin! Juͤ- ßuͤng ak olſun: recht ſo! dein Angeſicht muͤſſe weiß oder glaͤnzend ſeyn: und wenn er ihn ſchelten will; ſo ſaget er: Juͤßuͤng kara olſun; ſten * auf deutſch, warme Baͤder. * Dieſes ſind 6 ſaͤchſiſche Pfenninge. 2* Dieſes ſind 43,4687 Loth coͤlniſches Gewichts. 3* 21,7344 Loth coͤlniſch. 4* 6,5203 Loth coͤlniſch.
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Osmaniſche Geſchichte
heißen: ihr Angeſicht muͤſſe allezeit heiter, ihre Hand ſiegreich, ihr Schwert wohl-
geſchliffen ſeyn, und ihr Saͤbel ihren Feinden beſtaͤndig uͤber den Koͤpfen ſchwe-
ben; und wo ſie immer hinziehen, da muͤſſen ſie mit einem weißen Angeſichte
²⁰
wieder zuruͤck kommen. Hievon kommt es, daß dieſe Soldaten ſeit dem dieſen
Namen und dieſe Kopfdecke beſtaͤndig behalten haben.
5. Dieſe Weißagung wurde durch den Ausgang beſtaͤtiget. Denn mit-
telſt derſelben wurde nicht allein im Jahre der Hidſchret 766 Batha in Aſien,
und Sſagara nebſt Gjuͤmuͤrdſchina in Europa an das Reich gebracht, ſondern
der Ruf der osmaniſchen Waffen wurde auch ſo groß, daß der griechiſche Kai-
ſer Andronikus Palaͤologus im folgenden Jahre darauf Murad gegen den Fuͤr-
ſten von Bulgarien um Huͤlfe anſprach. Murad williget in ſein Begehren ein,
und ſendet ein Heer unter Lala Schahin in Europa, das den Feind an einem
Orte, Sſermen genennet, unverſehens angreifet und mit leichter Muͤhe in die
Flucht ſchlaͤget. In eben demſelben Jahre laͤſſet er zu Pruſa, in der Straße
Kapluͤdſche * genennet, auf kaiſerliche Koſten einen großen Dſchami oder Tempel
aufbauen, nebſt einer Medreſe oder Akademie, und einem Imaret oder Spitale.
H. 766.
J. C. 1365.
6. Nachdem Murad bisher ſehr deutliche Proben von ſeinen Kriegestu-
genden abgeleget hatte: ſo zeigte er nunmehr auch, daß er in den Friedenskuͤn-
ſten
vierzig tauſend Mann, und dieſe gehen an
Ehre und Wuͤrde allen andern Soldaten vor.
Ein ieder von denen, die unter dieſem Haufen
angeworben ſind, bekommt des Tages drey
Aſper *, zweene Laibe Brod, zwey hundert
Drachmen 2* Schoͤpſenfleiſch, hundert Drach-
men 3* Reis, und dreyßig Drachmen 4* But-
ter. Dieſe Eßwaren aber werden dem Sol-
daten nicht ſelbſt gegeben: ſondern ſie werden
aus den Vorrathshaͤuſern einer ieden Oda
oder Kammer [deren zu Conſtantinopel hun-
dert und zwey und ſechzig ſind, die von den
Sultanen gar praͤchtig gebauet worden, und
darinnen die Jeng-itſcheri wie in einem Klo-
ſter bey einander wohnen] dem oberſten Koche
auf einmal geliefert, der dieſelben zurechte ma-
chet und zur Mittagszeit denen, die zugegen ſind,
aufſetzet. Die Abweſenden haben nach ver-
floſſener Zeit nichts zu gewarten, nach folgen-
der Regel des Sultans: Diejenigen ſollen
geſpeiſet werden, die in ihrer Oda bleiben.
Doch von dieſen Dingen werden wir weiter
unten ausfuͤhrlicher handeln.
²⁰ weißen Angeſichte] Die Ausdruͤcke,
weißes oder ſchwarzes Angeſicht, ſind gemei-
ne Redensarten bey den Tuͤrken, etwas zu
loben oder zu ſchelten. Wenn ein Herr ſeinen
Knecht loben will: ſo ſaget er; oferin! Juͤ-
ßuͤng ak olſun: recht ſo! dein Angeſicht muͤſſe
weiß oder glaͤnzend ſeyn: und wenn er ihn
ſchelten will; ſo ſaget er: Juͤßuͤng kara olſun;
dein
* auf deutſch, warme Baͤder.
* Dieſes ſind 6[FORMEL] ſaͤchſiſche Pfenninge.
2* Dieſes ſind 43,4687 Loth coͤlniſches Gewichts.
3* 21,7344 Loth coͤlniſch.
4* 6,5203 Loth coͤlniſch.
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