Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf Ehr und Vortheil zielt; du läßt ihn draussen ste-
hen;

Triffst du Gesellschafft an die ein Gespräch ergetzt/
Wo der Bekümmertste sein Leid beyseite setzt/
So runtzelst du die Stirn in so viel hundert Falten/
Daß du offt für ein Bild des Cato wirst gehalten/
Ein jeder wolte gern erfahren was dich quält;
Indessen schleichst du fort/ weist selbst kaum was dir
fehlt;

Dein Hauß wird zugesperrt die Schlösser abgespannet/
So wie's ein Zaubrer macht/ wenn er die Geister bannet/
Und da die halbe Welt/ von aller Arbeit ruht/
Weckst du den Nachbar auf/ den des Camines Glut
Und späte Lampe schreckt/ die dich im Fenster zeigen/
Als woltst du Thurm und Dach aus Mond-Sucht ü-
bersteigen/

Warum? was ficht dich an? was ists? was macht
dich toll?

Ein Wort; was für ein Wort? das hinten reimen sol.
Verdammte Poesie! mein Sinn/ laß dich bedeuten/
Eh ich dir Niese-Wurtz darff lassen zubereiten;
Greiff erst die Fehler an/ die du selbst an dir siehst/
Eh du der andern Thun/ durch deine Hechel ziehst;
Doch solt ich hier die Müh/ dich zu erforschen/ nehmen/
Wir müßten/ ists nicht wahr? uns für einander
schämen.

Kurtz: wer das Richter-Amt auf seinen Schultern
nimmt/

Der seh/ daß sein Gesetz mit seinem Wandel stimmt.
Wird doch die Cantzel roht wenn ein erhitzter - - -
Der geilen Heerde schwatzt/ von Sodom Rach und
Feuer/

In Cloris Gegenwarth/ die noch verwichnen Tag
In dem verliebten Arm des treuen Hir[t]en lag.
Ists müglich/ kan dir noch die Tichter-Kunst gefallen?
Gib Achtung/ bitt ich dich/ wie unsre Lieder schallen/
Und
Auf Ehr und Vortheil zielt; du laͤßt ihn drauſſen ſte-
hen;

Triffſt du Geſellſchafft an die ein Geſpraͤch ergetzt/
Wo der Bekuͤmmertſte ſein Leid beyſeite ſetzt/
So runtzelſt du die Stirn in ſo viel hundert Falten/
Daß du offt fuͤr ein Bild des Cato wirſt gehalten/
Ein jeder wolte gern erfahren was dich quaͤlt;
Indeſſen ſchleichſt du fort/ weiſt ſelbſt kaum was dir
fehlt;

Dein Hauß wird zugeſperrt die Schloͤſſer abgeſpannet/
So wie’s ein Zaubrer macht/ wenn er die Geiſter bannet/
Und da die halbe Welt/ von aller Arbeit ruht/
Weckſt du den Nachbar auf/ den des Camines Glut
Und ſpaͤte Lampe ſchreckt/ die dich im Fenſter zeigen/
Als woltſt du Thurm und Dach aus Mond-Sucht uͤ-
berſteigen/

Warum? was ficht dich an? was iſts? was macht
dich toll?

Ein Wort; was fuͤr ein Wort? das hinten reimen ſol.
Verdammte Poeſie! mein Sinn/ laß dich bedeuten/
Eh ich dir Nieſe-Wurtz darff laſſen zubereiten;
Greiff erſt die Fehler an/ die du ſelbſt an dir ſiehſt/
Eh du der andern Thun/ durch deine Hechel ziehſt;
Doch ſolt ich hier die Muͤh/ dich zu erforſchen/ nehmen/
Wir muͤßten/ iſts nicht wahr? uns fuͤr einander
ſchaͤmen.

Kurtz: wer das Richter-Amt auf ſeinen Schultern
nimmt/

Der ſeh/ daß ſein Geſetz mit ſeinem Wandel ſtimmt.
Wird doch die Cantzel roht wenn ein erhitzter - - -
Der geilen Heerde ſchwatzt/ von Sodom Rach und
Feuer/

In Cloris Gegenwarth/ die noch verwichnen Tag
In dem verliebten Arm des treuen Hir[t]en lag.
Iſts muͤglich/ kan dir noch die Tichter-Kunſt gefallen?
Gib Achtung/ bitt ich dich/ wie unſre Lieder ſchallen/
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0076" n="63"/>
          <l>Auf Ehr und Vortheil zielt; du la&#x0364;ßt ihn drau&#x017F;&#x017F;en &#x017F;te-<lb/><hi rendition="#et">hen;</hi></l><lb/>
          <l>Triff&#x017F;t du Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft an die ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch ergetzt/</l><lb/>
          <l>Wo der Beku&#x0364;mmert&#x017F;te &#x017F;ein Leid bey&#x017F;eite &#x017F;etzt/</l><lb/>
          <l>So runtzel&#x017F;t du die Stirn in &#x017F;o viel hundert Falten/</l><lb/>
          <l>Daß du offt fu&#x0364;r ein Bild des Cato wir&#x017F;t gehalten/</l><lb/>
          <l>Ein jeder wolte gern erfahren was dich qua&#x0364;lt;</l><lb/>
          <l>Inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chleich&#x017F;t du fort/ wei&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t kaum was dir<lb/><hi rendition="#et">fehlt;</hi></l><lb/>
          <l>Dein Hauß wird zuge&#x017F;perrt die Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er abge&#x017F;pannet/</l><lb/>
          <l>So wie&#x2019;s ein Zaubrer macht/ wenn er die Gei&#x017F;ter bannet/</l><lb/>
          <l>Und da die halbe Welt/ von aller Arbeit ruht/</l><lb/>
          <l>Weck&#x017F;t du den Nachbar auf/ den des Camines Glut</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;pa&#x0364;te Lampe &#x017F;chreckt/ die dich im Fen&#x017F;ter zeigen/</l><lb/>
          <l>Als wolt&#x017F;t du Thurm und Dach aus Mond-Sucht u&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">ber&#x017F;teigen/</hi></l><lb/>
          <l>Warum? was ficht dich an? was i&#x017F;ts? was macht<lb/><hi rendition="#et">dich toll?</hi></l><lb/>
          <l>Ein Wort; was fu&#x0364;r ein Wort? das hinten reimen &#x017F;ol.</l><lb/>
          <l>Verdammte Poe&#x017F;ie! mein Sinn/ laß dich bedeuten/</l><lb/>
          <l>Eh ich dir Nie&#x017F;e-Wurtz darff la&#x017F;&#x017F;en zubereiten;</l><lb/>
          <l>Greiff er&#x017F;t die Fehler an/ die du &#x017F;elb&#x017F;t an dir &#x017F;ieh&#x017F;t/</l><lb/>
          <l>Eh du der andern Thun/ durch deine Hechel zieh&#x017F;t;</l><lb/>
          <l>Doch &#x017F;olt ich hier die Mu&#x0364;h/ dich zu erfor&#x017F;chen/ nehmen/</l><lb/>
          <l>Wir mu&#x0364;ßten/ i&#x017F;ts nicht wahr? uns fu&#x0364;r einander<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cha&#x0364;men.</hi></l><lb/>
          <l>Kurtz: wer das Richter-Amt auf &#x017F;einen Schultern<lb/><hi rendition="#et">nimmt/</hi></l><lb/>
          <l>Der &#x017F;eh/ daß &#x017F;ein Ge&#x017F;etz mit &#x017F;einem Wandel &#x017F;timmt.</l><lb/>
          <l>Wird doch die Cantzel roht wenn ein erhitzter - - -</l><lb/>
          <l>Der geilen Heerde &#x017F;chwatzt/ von Sodom Rach und<lb/><hi rendition="#et">Feuer/</hi></l><lb/>
          <l>In Cloris Gegenwarth/ die noch verwichnen Tag</l><lb/>
          <l>In dem verliebten Arm des treuen Hir<supplied>t</supplied>en lag.</l><lb/>
          <l>I&#x017F;ts mu&#x0364;glich/ kan dir noch die Tichter-Kun&#x017F;t gefallen?</l><lb/>
          <l>Gib Achtung/ bitt ich dich/ wie un&#x017F;re Lieder &#x017F;challen/</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0076] Auf Ehr und Vortheil zielt; du laͤßt ihn drauſſen ſte- hen; Triffſt du Geſellſchafft an die ein Geſpraͤch ergetzt/ Wo der Bekuͤmmertſte ſein Leid beyſeite ſetzt/ So runtzelſt du die Stirn in ſo viel hundert Falten/ Daß du offt fuͤr ein Bild des Cato wirſt gehalten/ Ein jeder wolte gern erfahren was dich quaͤlt; Indeſſen ſchleichſt du fort/ weiſt ſelbſt kaum was dir fehlt; Dein Hauß wird zugeſperrt die Schloͤſſer abgeſpannet/ So wie’s ein Zaubrer macht/ wenn er die Geiſter bannet/ Und da die halbe Welt/ von aller Arbeit ruht/ Weckſt du den Nachbar auf/ den des Camines Glut Und ſpaͤte Lampe ſchreckt/ die dich im Fenſter zeigen/ Als woltſt du Thurm und Dach aus Mond-Sucht uͤ- berſteigen/ Warum? was ficht dich an? was iſts? was macht dich toll? Ein Wort; was fuͤr ein Wort? das hinten reimen ſol. Verdammte Poeſie! mein Sinn/ laß dich bedeuten/ Eh ich dir Nieſe-Wurtz darff laſſen zubereiten; Greiff erſt die Fehler an/ die du ſelbſt an dir ſiehſt/ Eh du der andern Thun/ durch deine Hechel ziehſt; Doch ſolt ich hier die Muͤh/ dich zu erforſchen/ nehmen/ Wir muͤßten/ iſts nicht wahr? uns fuͤr einander ſchaͤmen. Kurtz: wer das Richter-Amt auf ſeinen Schultern nimmt/ Der ſeh/ daß ſein Geſetz mit ſeinem Wandel ſtimmt. Wird doch die Cantzel roht wenn ein erhitzter - - - Der geilen Heerde ſchwatzt/ von Sodom Rach und Feuer/ In Cloris Gegenwarth/ die noch verwichnen Tag In dem verliebten Arm des treuen Hirten lag. Iſts muͤglich/ kan dir noch die Tichter-Kunſt gefallen? Gib Achtung/ bitt ich dich/ wie unſre Lieder ſchallen/ Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/76
Zitationshilfe: [Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von]: Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte. [Hrsg. v. Joachim Lange]. Berlin, 1700, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/canitz_gedichte_1700/76>, abgerufen am 27.11.2024.