Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Bestimmungsloses Fühlen ist kein Fühlen.
In Schmerz und Lust nur ist Gefühl entfaltet.
Drum spannt das ewig-eine Wort und bricht sich,
Als Widerspruch und Unortnung gestaltet.
Und Wahn und Lüge, Haß und Tod durchwühlen
Die Welt. Doch sieh! mit Finsterniß versticht sich
Und zeigt der Liebe Licht sich
Urstets, der Liebe Leben, denn begründet
In ew'ger Einheit nur ist ew'ges Brechen.
Da muß der Bruch sich rächen
Durch Sehnsuchtsweh, und sel'ges Heil verbündet
Treu mit Versöhnung sich und stiller Friede.
Drob preist, o Herr! auch mein Herz dich im Liede.
Und wird nun wer gefangen war wol sagen:
Gebt nochmals Ketten daß ich freier werde?
Und wer wird sprechen: laßt uns mehr erkranken
Um besser zu gesunden? Mensch von Erde!
Wie sollten mit der Sünde wir uns tragen
Der wir gestorben sind, da in Gedanken
Mit sterbensvollem Wanken
Der alte Mensch in uns zum Tod begleitet
Den Herrn vom Himmel, der in uns nun lebet?
Wenn's von den Lippen bebet:
"O felix culpa!" gibt's kein Fleisch das streitet.
Versöhnt ist Alles. Von der Sünde Schranken,
Nun sie zertrümmert, aufweint brünstig Danken.
Beſtimmungsloſes Fühlen iſt kein Fühlen.
In Schmerz und Luſt nur iſt Gefühl entfaltet.
Drum ſpannt das ewig-eine Wort und bricht ſich,
Als Widerſpruch und Unortnung geſtaltet.
Und Wahn und Lüge, Haß und Tod durchwühlen
Die Welt. Doch ſieh! mit Finſterniß verſticht ſich
Und zeigt der Liebe Licht ſich
Urſtets, der Liebe Leben, denn begründet
In ew'ger Einheit nur iſt ew'ges Brechen.
Da muß der Bruch ſich rächen
Durch Sehnſuchtsweh, und ſel'ges Heil verbündet
Treu mit Verſöhnung ſich und ſtiller Friede.
Drob preist, o Herr! auch mein Herz dich im Liede.
Und wird nun wer gefangen war wol ſagen:
Gebt nochmals Ketten daß ich freier werde?
Und wer wird ſprechen: laßt uns mehr erkranken
Um beſſer zu geſunden? Menſch von Erde!
Wie ſollten mit der Sünde wir uns tragen
Der wir geſtorben ſind, da in Gedanken
Mit ſterbensvollem Wanken
Der alte Menſch in uns zum Tod begleitet
Den Herrn vom Himmel, der in uns nun lebet?
Wenn's von den Lippen bebet:
O felix culpa!“ gibt's kein Fleiſch das ſtreitet.
Verſöhnt iſt Alles. Von der Sünde Schranken,
Nun ſie zertrümmert, aufweint brünſtig Danken.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0098" n="84"/>
            <lg n="2">
              <l>Be&#x017F;timmungslo&#x017F;es Fühlen i&#x017F;t kein Fühlen.</l><lb/>
              <l>In Schmerz und Lu&#x017F;t nur i&#x017F;t Gefühl entfaltet.</l><lb/>
              <l>Drum &#x017F;pannt das <hi rendition="#g">ewig-eine Wort</hi> und bricht &#x017F;ich,</l><lb/>
              <l>Als Wider&#x017F;pruch und Unortnung ge&#x017F;taltet.</l><lb/>
              <l>Und Wahn und Lüge, Haß und Tod durchwühlen</l><lb/>
              <l>Die Welt. Doch &#x017F;ieh! mit Fin&#x017F;terniß ver&#x017F;ticht &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Und zeigt der Liebe Licht &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Ur&#x017F;tets, der Liebe Leben, denn begründet</l><lb/>
              <l>In ew'ger Einheit nur i&#x017F;t ew'ges Brechen.</l><lb/>
              <l>Da muß der Bruch &#x017F;ich rächen</l><lb/>
              <l>Durch Sehn&#x017F;uchtsweh, und &#x017F;el'ges Heil verbündet</l><lb/>
              <l>Treu mit Ver&#x017F;öhnung &#x017F;ich und &#x017F;tiller Friede.</l><lb/>
              <l>Drob preist, o Herr! auch <hi rendition="#g">mein</hi> Herz dich im Liede.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Und wird nun wer gefangen war wol &#x017F;agen:</l><lb/>
              <l>Gebt nochmals Ketten daß ich freier werde?</l><lb/>
              <l>Und wer wird &#x017F;prechen: laßt uns mehr erkranken</l><lb/>
              <l>Um be&#x017F;&#x017F;er zu ge&#x017F;unden? Men&#x017F;ch von Erde!</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;ollten mit der Sünde wir uns tragen</l><lb/>
              <l>Der wir ge&#x017F;torben &#x017F;ind, da in Gedanken</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;terbensvollem Wanken</l><lb/>
              <l>Der alte Men&#x017F;ch in uns zum Tod begleitet</l><lb/>
              <l>Den Herrn vom Himmel, der in uns nun lebet?</l><lb/>
              <l>Wenn's von den Lippen bebet:</l><lb/>
              <l>&#x201E;<hi rendition="#aq">O felix culpa</hi>!&#x201C; gibt's kein Flei&#x017F;ch das &#x017F;treitet.</l><lb/>
              <l>Ver&#x017F;öhnt i&#x017F;t Alles. Von der Sünde Schranken,</l><lb/>
              <l>Nun &#x017F;ie zertrümmert, aufweint brün&#x017F;tig Danken.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0098] Beſtimmungsloſes Fühlen iſt kein Fühlen. In Schmerz und Luſt nur iſt Gefühl entfaltet. Drum ſpannt das ewig-eine Wort und bricht ſich, Als Widerſpruch und Unortnung geſtaltet. Und Wahn und Lüge, Haß und Tod durchwühlen Die Welt. Doch ſieh! mit Finſterniß verſticht ſich Und zeigt der Liebe Licht ſich Urſtets, der Liebe Leben, denn begründet In ew'ger Einheit nur iſt ew'ges Brechen. Da muß der Bruch ſich rächen Durch Sehnſuchtsweh, und ſel'ges Heil verbündet Treu mit Verſöhnung ſich und ſtiller Friede. Drob preist, o Herr! auch mein Herz dich im Liede. Und wird nun wer gefangen war wol ſagen: Gebt nochmals Ketten daß ich freier werde? Und wer wird ſprechen: laßt uns mehr erkranken Um beſſer zu geſunden? Menſch von Erde! Wie ſollten mit der Sünde wir uns tragen Der wir geſtorben ſind, da in Gedanken Mit ſterbensvollem Wanken Der alte Menſch in uns zum Tod begleitet Den Herrn vom Himmel, der in uns nun lebet? Wenn's von den Lippen bebet: „O felix culpa!“ gibt's kein Fleiſch das ſtreitet. Verſöhnt iſt Alles. Von der Sünde Schranken, Nun ſie zertrümmert, aufweint brünſtig Danken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/98
Zitationshilfe: Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/98>, abgerufen am 22.11.2024.