Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.Da ist von Menschenachtung kein Gedanke, Kein Sinn für eigenthümliche Entfaltung, Kein Ahnen daß darin die Grundbestände Vorhanden göttlicher Gesammtgestaltung. Da wuchert widrig wild der Frechheit Ranke Wenn nicht an toter Formeln starre Wände Sie binden plumpe Hände. Wer weiß von Einem Gott und vielen Kräften? Wer weiß von Einem Leib und vielen Gliedern Und ehret auch die niedern Und weiß von Aller nützlichen Geschäften? Durch Gottentfremdung fiel der Menschheit Ganzes Wie Blumen auseinander eines Kranzes. O nehmt mein Kind und bringt's dem Kinderfreunde
Der einer neuen Menschheit Vater worden! Da wo er steht ist eine reine Stelle, Da kann die Sünde nicht mein Würmlein morden, Da herzt und segnet es die welterneu'nde Hehrheil'ge Hand und streut ihm Himmelshelle Hold auf des Lebens Schwelle Und stellt es hin als groß im Gottesreiche, Obgleich auch über ihm schon schwebt Verdammung Daß die Gesammtverschlammung Sein Füßlein, wie es wandeln lernt, erreiche. Ein Kind ist ja nur mögliches Entfalten. Wird mir's die arge Welt nicht arg gestalten? Da iſt von Menſchenachtung kein Gedanke, Kein Sinn für eigenthümliche Entfaltung, Kein Ahnen daß darin die Grundbeſtände Vorhanden göttlicher Geſammtgeſtaltung. Da wuchert widrig wild der Frechheit Ranke Wenn nicht an toter Formeln ſtarre Wände Sie binden plumpe Hände. Wer weiß von Einem Gott und vielen Kräften? Wer weiß von Einem Leib und vielen Gliedern Und ehret auch die niedern Und weiß von Aller nützlichen Geſchäften? Durch Gottentfremdung fiel der Menſchheit Ganzes Wie Blumen auseinander eines Kranzes. O nehmt mein Kind und bringt's dem Kinderfreunde
Der einer neuen Menſchheit Vater worden! Da wo er ſteht iſt eine reine Stelle, Da kann die Sünde nicht mein Würmlein morden, Da herzt und ſegnet es die welterneu'nde Hehrheil'ge Hand und ſtreut ihm Himmelshelle Hold auf des Lebens Schwelle Und ſtellt es hin als groß im Gottesreiche, Obgleich auch über ihm ſchon ſchwebt Verdammung Daß die Geſammtverſchlammung Sein Füßlein, wie es wandeln lernt, erreiche. Ein Kind iſt ja nur mögliches Entfalten. Wird mir's die arge Welt nicht arg geſtalten? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0085" n="71"/> <lg n="4"> <l>Da iſt von Menſchenachtung kein Gedanke,</l><lb/> <l>Kein Sinn für eigenthümliche Entfaltung,</l><lb/> <l>Kein Ahnen daß darin die Grundbeſtände</l><lb/> <l>Vorhanden göttlicher Geſammtgeſtaltung.</l><lb/> <l>Da wuchert widrig wild der Frechheit Ranke</l><lb/> <l>Wenn nicht an toter Formeln ſtarre Wände</l><lb/> <l>Sie binden plumpe Hände.</l><lb/> <l>Wer weiß von Einem Gott und vielen Kräften?</l><lb/> <l>Wer weiß von Einem Leib und vielen Gliedern</l><lb/> <l>Und ehret auch die niedern</l><lb/> <l>Und weiß von Aller nützlichen Geſchäften?</l><lb/> <l>Durch Gottentfremdung fiel der Menſchheit Ganzes</l><lb/> <l>Wie Blumen auseinander eines Kranzes.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>O nehmt mein Kind und bringt's dem Kinderfreunde</l><lb/> <l>Der einer neuen Menſchheit Vater worden!</l><lb/> <l>Da wo er ſteht iſt eine reine Stelle,</l><lb/> <l>Da kann die Sünde nicht mein Würmlein morden,</l><lb/> <l>Da herzt und ſegnet es die welterneu'nde</l><lb/> <l>Hehrheil'ge Hand und ſtreut ihm Himmelshelle</l><lb/> <l>Hold auf des Lebens Schwelle</l><lb/> <l>Und ſtellt es hin als groß im Gottesreiche,</l><lb/> <l>Obgleich auch über ihm ſchon ſchwebt Verdammung</l><lb/> <l>Daß die Geſammtverſchlammung</l><lb/> <l>Sein Füßlein, wie es wandeln lernt, erreiche.</l><lb/> <l>Ein Kind iſt ja nur mögliches Entfalten.</l><lb/> <l>Wird mir's die arge Welt nicht arg geſtalten?</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0085]
Da iſt von Menſchenachtung kein Gedanke,
Kein Sinn für eigenthümliche Entfaltung,
Kein Ahnen daß darin die Grundbeſtände
Vorhanden göttlicher Geſammtgeſtaltung.
Da wuchert widrig wild der Frechheit Ranke
Wenn nicht an toter Formeln ſtarre Wände
Sie binden plumpe Hände.
Wer weiß von Einem Gott und vielen Kräften?
Wer weiß von Einem Leib und vielen Gliedern
Und ehret auch die niedern
Und weiß von Aller nützlichen Geſchäften?
Durch Gottentfremdung fiel der Menſchheit Ganzes
Wie Blumen auseinander eines Kranzes.
O nehmt mein Kind und bringt's dem Kinderfreunde
Der einer neuen Menſchheit Vater worden!
Da wo er ſteht iſt eine reine Stelle,
Da kann die Sünde nicht mein Würmlein morden,
Da herzt und ſegnet es die welterneu'nde
Hehrheil'ge Hand und ſtreut ihm Himmelshelle
Hold auf des Lebens Schwelle
Und ſtellt es hin als groß im Gottesreiche,
Obgleich auch über ihm ſchon ſchwebt Verdammung
Daß die Geſammtverſchlammung
Sein Füßlein, wie es wandeln lernt, erreiche.
Ein Kind iſt ja nur mögliches Entfalten.
Wird mir's die arge Welt nicht arg geſtalten?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/85 |
Zitationshilfe: | Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/85>, abgerufen am 28.07.2024. |